Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 72. Sitzung / Seite 127

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Präsident Dr. Heinz Fischer: Alles Gute, Peter Kostelka!

Ich gehe in der Rednerliste weiter: Frau Kollegin Lunacek begründet ihren Antrag. – Bitte, Frau Abgeordnete.

16.32

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich Herrn Dr. Kostelka, dem ich vorhin hier gerne den Vortritt gelassen habe – wie immer das geschäftsordnungsmäßig auch gewesen wäre –, auch in meinem Namen und im Namen der Grünen für seine Tätigkeit sehr herzlich danken. Ich habe in der kurzen Zeit, in der ich in diesem Hohen Haus bin, Ihre sehr sachliche und korrekte Art, die, wie ich denke, diesem Haus auch angemessen ist, wirklich schätzen gelernt und bin überzeugt davon, dass Sie auch als Volksanwalt sehr gute Arbeit leisten werden – auch für die Grundrechte, die Ihnen und uns ein Anliegen sind. – Danke! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Nun aber zum jetzigen Thema: Schon vor zwei Monaten hatten wir einen Fristsetzungsantrag zum § 209 auf der Tagesordnung. Auch damals waren die Regierungsfraktionen nicht dafür, und ich befürchte, es wird wohl auch heute so sein, aber wir versuchen es noch einmal. Ich frage mich manchmal, ob ich mich jetzt darüber freuen soll, dass es in der ÖVP noch einen Diskussionsprozess gibt und es eines Diskussionsprozesses bedarf, oder ob ich mich darüber ärgern soll. Ein bisschen freue ich mich in dem Bereich, wo ich weiß, dass es innerhalb der ÖVP sowohl in diesem Haus als auch zum Beispiel in der ÖVP in der Steiermark Leute gibt, die sagen: Dieser Paragraph gehört weg, ersatzlos gestrichen! – Darüber freue ich mich, und ich hoffe, dass diese Leute in der ÖVP noch stärker werden.

Ich ärgere mich aber auch, weil ich mich frage: Wo waren die sehr verehrten Abgeordneten der Österreichischen Volkspartei in den letzten zehn Jahren, in denen sie auch schon in diesem Hohen Hause gewesen sind? Wo waren sie bei all den Diskussionen, als es um diesen § 209 ging? – Gut, da können sie sagen: 1989 hat der Verfassungsgerichtshof noch von der Prägung und von der Prägungstheorie gesprochen, und deshalb konnte man damals nichts ändern! – Na gut, aber das ist mittlerweile zwölf Jahre her.

Wo waren Sie 1995 bei der Enquete im Parlament, als von den geladenen Experten und Expertinnen – zwölf waren es, glaube ich – sage und schreibe eine der Meinung war, dieser Paragraph gehöre nicht gestrichen? Alle anderen waren einhellig der Meinung: Weg damit! Dieser Paragraph kriminalisiert! Dieser Paragraph kriminalisiert junge Menschen für freiwillige Sexualbeziehungen und stellt noch dazu ein Strafausmaß von bis zu fünf Jahren für das Verbrechen von freiwilligen Sexualbeziehungen fest.

Das war 1995 in diesem Hohen Haus. Das haben Sie damals schon gehört. Wo waren Sie damals, Frau Dr. Fekter? Sie waren doch auch dabei! Haben Sie daraus nichts gelernt?

Das sind die Punkte, über die ich mich dann ärgere, wenn ich höre, dass es in der ÖVP diesbezüglich noch einen Diskussionsbedarf gibt, denn ich frage mich: Ja worüber denn? Ersatzlos streichen ist der Punkt!

Es ist ziemlich genau ein Jahr her, dass der Unterausschuss in diesem Hohen Haus einberufen wurde, konstituiert dann im September letzten Jahres. Bis heute wurde er nicht einberufen! Ich habe von einem bekannten Schwulen ein Schreiben bekommen, in dem er von seinem Briefwechsel mit der ÖVP-Zentrale berichtet. Da wurde ihm geschrieben, dass das im Unterausschuss fleißig diskutiert werde. Ich frage mich schon, wie die ÖVP-Zentrale darauf kommt, diese Antwort zu schreiben. – Ich kann Ihnen den Brief zeigen, wenn Sie es nicht glauben.

Wenn überhaupt irgendwo diskutiert wird, dann vielleicht in der ÖVP, aber auch das dauert mir schon zu lange. Sie wollen nämlich davon ausgehen, dass es immer noch so etwas wie ein Prägungstheorie gibt, die besagt, im Alter von 14 bis 18 Jahren würden die jungen Leute noch nicht wissen, wie sie orientiert sind, was sie wollen. Daher frage ich Sie noch einmal: Wo waren


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