Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 83. Sitzung / Seite 37

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Erstens: Jedes Land ist hinsichtlich seiner Energiepolitik souverän – nichts anderes hat Bundesminister Molterer gesagt –, es sei denn, dass diesem Land durch seine Mitgliedschaft in einer Staatengemeinschaft, etwa der EU, bestimmte Verpflichtungen erwachsen. Seien wir doch ehrlich: Wäre die bereits mehrfach zitierte Volksabstimmung über Zwentendorf in Österreich anders ausgegangen, hätten wir uns von keinem Nachbarland verbieten lassen, das Kraftwerk aufzusperren und in Betrieb zu nehmen.

Zweitens: Temelín ist nur eines von mehreren AKWs in Österreichs Umgebung. So sehr in Temelín noch einige wesentlichen Sicherheitsfragen ungelöst sind, so sehr muss doch festgehalten werden, dass Temelín nicht unsicherer ist als manch andere AKWs in unserer Umgebung, von denen heute kein Mensch spricht. Anders ausgedrückt: Es wäre eine Illusion, zu glauben, dass nur Temelín nicht in Betrieb zu gehen bräuchte, damit wir alle wieder beruhigt schlafen können.

Drittens: Der Nichtabschluss des Energiekapitels ist etwas ganz anderes als ein allfälliges explizites Veto gegen einen Beitritt Tschechiens zur Europäischen Union. Der Abschluss aller 31 Kapitel, über die mit jedem beitrittswerbenden Land verhandelt wird, stellt eine Voraussetzung für das Beitrittsverfahren dar. Erst im Rahmen des Beitrittsverfahrens müssen alle derzeitigen Mitgliedsländer der Europäischen Union sowie das Europäische Parlament der Aufnahme zustimmen. Und erst zu jenem Zeitpunkt wird jedes EU-Land das Recht haben, der Aufnahme eines neuen Mitgliedslandes zuzustimmen oder nicht. Ich halte es daher für kontraproduktiv, sich heute bereits auf ein Veto festzulegen.

Wenn Tschechien durch unser Veto nicht Mitglied der EU wird und Temelín im Rahmen seiner dann unveränderten, uneingeschränkten Souveränität ohne jegliche Sicherheitsvorkehrungen aufsperrt – bitte, wollen wir das? Vielmehr sollte es unser Ziel sein, dass dieses AKW, wie alle anderen auch, wenn es einmal in Betrieb gehen sollte, höchsten Anforderungen entspricht, Anforderungen, die nur auf dem Verhandlungsweg erreichbar sind.

Damit verbleibt als einzig zielführender Weg jener, den die österreichische Bundesregierung eingeschlagen hat, nämlich – ausgehend vom Melker Prozess – alles zu tun, damit Temelín jenen Sicherheitsstandards entspricht, die auch für andere AKWs gelten, oder aber es nicht in Betrieb gehen zu lassen.

Hohes Haus! Dieser Weg ist mühsam, er ist steinig; er ist weit weniger fesch, als sich selbstgefällig zurückzulehnen und die Hände im Schoß zu verschränken. (Abg. Parnigoni: Dann stimmen Sie unserem Antrag zu!)

Lassen Sie mich mit einem Satz aus dem Leitartikel der heutigen Ausgabe der "Salzburger Nachrichten", einer Zeitung, die der Bundesregierung nicht immer wohlgesinnt ist, schließen:

"Angesichts dieser Ausgangslage ist es Bundeskanzler Wolfgang Schüssel hoch anzurechnen, dass er einen verantwortungsbewussten Kurs fährt". – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP und den Grünen.)

10.06

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. Gleiche Redezeit. – Bitte. (Abg. Dr. Petrovic stellt einen gelb verpackten Karton mit der schwarzen Aufschrift "Kein österreichischer Steuerschilling für EU-Atomindustrie" auf das Rednerpult. – Ruf bei den Freiheitlichen: Ohne Kisterl geht nichts!)

10.07

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Es ist ganz gut, dass auch in medialer Gegenwart der Fernsehzuseherinnen und -zuseher offenkundig wird, wie Sie Anti-AKW-Politik verstehen. Wir haben hier vor allem von den Freiheitlichen viel über die Haltung der Sozialdemokratie vor 30 Jahren gehört. Ich denke aber, dass die österreichische Bevölkerung hier und heute interessiert, was Sie jetzt , 2001, und in der Zukunft tun. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)


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