Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 110. Sitzung / Seite 56

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Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Niederwieser. – Bitte.

 


11.22.05

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesminis­terin! Hohes Haus! Wir leben schon in etwas eigenartigen Zeiten. Viele Menschen sehnen sich an und für sich nach Harmonie und Frieden. Aber welches Wort auf den Titelseiten fasziniert am meisten? – Es ist die Schlagzeile Krieg. Und daher musste es wohl auch Krieg geben zwischen Opposition und Regierung, es musste Krieg geben zwischen Gusenbauer und Gehrer (Abg. Scheibner: Das ist schon wieder sehr unpassend, Herr Kollege!), es musste eine Zeit lang Krieg geben zwischen Amon und Niederwieser. Wir, die politischen Akteure – und ich bitte Sie, horchen Sie mir bis zum Ende zu! – spielen einerseits bei diesem Spiel mit, sind aber andererseits die Getrie­benen.

Es geht dann oft nicht um den Erfolg in der Sache, sondern es geht nur mehr darum, wer gewonnen hat. Und wenn man die Frage so stellt, wer denn gewonnen hat, dann sagt jeder, wir haben gewonnen. (Abg. Dr. Brinek: Fast alle haben gewonnen!) Und „wir haben gewonnen“ stimmt insofern, als „wir“ all jene sind, die heute diesem Gesetz zustimmen, all jene haben in dieser Sache gewonnen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP und der Freiheitlichen.)

Die SPÖ hat mit vielen anderen Organisationen vorgeschlagen, einige wichtige Punkte im Schulrecht in Verfassungsfragen zu belassen. Sie wurden schon aufgezählt. Diese Punkte sind jetzt weiterhin drinnen.

Es steht jetzt auch ein Satz im Verfassungsrang, der bisher nicht im österreichischen Schulrecht gestanden ist, nämlich dass die Schulen „unabhängig von Herkunft, sozialer Lage und finanziellem Hintergrund“ ein bestmögliches Bildungsniveau sicherzustellen haben. Unabhängig von sozialer Lage und finanziellem Hintergrund! Das ist deshalb wichtig, weil eines der Erkenntnisse aus der PISA-Studie war, dass unsere Schulen das nicht leisten.

Ein einziges Beispiel: Nehmen wir die ersten Klassen der Hauptschulen – und da sage ich nichts gegen das, was die Hauptschullehrer an Arbeit leisten –: 30 Prozent der Eltern der Schüler haben Matura. Und dann nehmen wir die ersten Klassen der Gym­nasien in Österreich: 63 Prozent der Eltern haben Matura. Und da will jemand sagen, dass die soziale Herkunft bei unserem Schulsystem keine Rolle spielt? Diese Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache!

Daher ist es wichtig, dass wir uns auf diesen Grundsatz geeinigt haben, dass das österreichische Schulsystem da etwas zu tun hat, dass Handlungsbedarf besteht. Und es ist auch wichtig, dass wir uns bei dieser Abschaffung grundsätzlich geeinigt haben.

Da gilt es viele Namen zu erwähnen. Am Beginn stand zweifellos das Angebot von Dr. Gusenbauer kurz nach Veröffentlichung der PISA-Ergebnisse, dieses Reformhin­dernis Nummer 1 zu beseitigen und die Zweidrittelmehrheit für Schulgesetze abzu­schaffen. Das war gerade in einer Oppositionssituation ein sehr mutiger Schritt. Und dann sind Sie, Frau Ministerin Gehrer, nach einigen Wochen des Nachdenkens auch zu dem Entschluss gekommen, diese Zweidrittelmehrheit zu beseitigen. Und Sie haben im Grundsatz diesen Entschluss beibehalten, trotz vieler Widerstände, wir wissen das, bis zum Schluss, bis zu einer Einigung.

Nicht unerwähnt möchte ich in diesem Zusammenhang auch Kollegin Rossmann las­sen, die gerade in den letzten Stunden bei dieser Frage des differenzierten Schulsys­tems die Tür noch ein Stück deutlicher geöffnet hat, als sie vielleicht zuvor offen


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