Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 115. Sitzung / Seite 62

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Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Klub­obmann Scheibner zu Wort. Redezeit: ebenfalls 12 Minuten. – Bitte, Herr Klubobmann.

 


11.11.49

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Frau Präsidentin! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Van der Bellen, Sie haben sich jetzt gewundert, warum man auf der einen Seite die in manchen Bereichen erfolgten Statements der SPÖ – nicht die heutige Rede von Kollegem Gusenbauer, aber vorherige Statements der SPÖ – als vordergründig bezeichnen kann und auf der anderen Seite einen gemeinsamen Entschließungsantrag der Regierungsparteien ein­bringt, der eine Verhandlungsposition festlegt, der die Interessen Österreichs auch ent­sprechend im Auge behält. Und das ist es, Herr Kollege Van der Bellen: Wir glauben, dass man für Europa sein kann, aber trotzdem – und gerade in Europa und gegenüber Europa und der Europäischen Union – die Interessen Österreichs und der Bevölkerung Österreichs im Auge behalten kann und auch muss. Denn das ist doch auch ein Grund für die Europaskepsis vieler Bürger: dass man das Gefühl hat, dass Brüssel über die Interessen der Menschen drüberfährt, dass in Europa die Bürokraten regieren, dass die Institutionen regieren und nicht für die Menschen gearbeitet wird. Und wir als öster­reichische Parlamentarier, als österreichische Bundesregierung haben natürlich auch ein Interesse daran, dass man die Interessen Österreichs und der Österreicher in der Europäischen Union vertritt. Das ist nicht gegen Europa, das ist nicht kleinkariert, son­dern das ist für Europa, denn dieses Europa muss ein Europa der Menschen sein – und damit auch der Menschen in Österreich, Herr Kollege Van der Bellen und meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wenn hier gesagt wird, man soll jetzt auf Grund dieser negativen Abstimmungen und der offenen Fragen nicht das Gesamtprojekt der Europäischen Union und Europas in Frage stellen, dann gebe ich dem schon Recht, dass man das nicht negativ diskutieren soll, aber auf der anderen Seite soll man auch zur Kenntnis nehmen, dass dieses Europaprojekt den Fortschritt braucht. Wenn wir für ein gemeinsames Europa eintre­ten, dann dürfen wir Stillstand nicht zur Kenntnis nehmen, dann müssen wir diesen Fortschritt im Europagedanken, in den Strukturen, in der Vertiefung – natürlich auch in der Erweiterung, aber als Gesamtprojekt! – unterstützen. Und wir stehen jetzt vor einer Phase, wo Stillstand droht – und Stillstand gefährdet dieses Projekt. Deshalb müssen wir uns auch sehr grundsätzlich mit dieser Situation auseinander setzen.

Wenn wir uns aber die bis jetzt erfolgte Reaktion auf die negativen Abstimmungen in Frankreich und Holland ansehen, dann sehe ich noch nicht diese Dynamik, die not­wendig wäre, noch nicht die Initiativen und auch die neuen Ideen, um auf diesen Fin­gerzeig der Bevölkerung auch entsprechend zu reagieren. Nein, es hat noch einen zweiten Schritt gegeben: dass man sich nicht auf die künftige Finanzstruktur der Euro­päischen Union geeinigt hat.

Und wir wissen doch alle: Wenn wir auch sagen, Europa ist mehr, als das Europa der 15 gewesen ist, ist auch mehr als das Europa der 25, so muss uns aber auch klar sein, dass jede Erweiterung auch Vertiefung braucht. Und es war auch ein Konsens, dass man gesagt hat: Diese europäische Verfassung ist notwendig, um das Europa der 25 auch möglich zu machen und eine weitere Entwicklung, also Fortschritt, zu ermög­lichen.

Jetzt haben wir das Europa der 25 – und wir haben das damals kritisiert, dass bei manchen dieser Beitrittskandidaten die Kriterien, die die Europäische Union selbst auf­gestellt hat, nicht eingehalten worden sind; ich erinnere etwa an die Menschenrechts­standards in der Tschechischen Republik, Stichwort Beneš-Dekrete, die Umweltstan­dards, wenn ich an die Atomkraftwerke denke. Auch hier hat es selbst jetzt, nach dem


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