Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 131. Sitzung / Seite 17

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tiativen zu unterstützen und auch Meilensteine zu setzen. Ich gehe davon aus und bin sicher, dass die österreichische Bundesregierung das in die Hand nehmen und zeigen wird, dass auch ein kleines Land in Europa ein wichtiger Faktor sein kann. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Cap: Jetzt hätte ich fast applaudiert – wenn der letzte Satz nicht gewesen wäre!)

9.53

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen. 7 Minuten Wunschredezeit. – Bitte.

 


9.54.59

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dass die Europäische Union in einer Krise steckt, in einer tiefen Malaise (Abg. Neudeck: Wer? Die Grünen?), ist seit Monaten nicht übersehbar und ist unbe­streitbar. Aber lassen Sie mich ausdrücklich eines festhalten: So wie heute werden wir noch oft Gelegenheit haben, über das, was leider nicht geschieht in der Europäischen Union, zu diskutieren, was passieren sollte, was zwar passiert, aber nicht in unserem Sinne passiert – Stichwort Hochschulzugang an österreichischen Universitäten. All das ist richtig und wichtig, aber wenn es die Europäische Union nicht gäbe, dann müsste man sie neu erfinden. Das ist meine tiefe Überzeugung! (Allgemeiner Beifall.)

Die transnationalen Probleme, die transnationalen politischen Probleme, die innerhalb nationaler Grenzen nicht gelöst werden können – egal, ob das jetzt ein kleiner Staat wie Österreich ist oder ein großer wie Deutschland –, haben derart überhand genom­men: egal, ob das die Wirtschaftspolitik ist, ob es vor allem die Umweltpolitik ist, die Energiepolitik. In allen diesen Fragen brauchen wir europäische Zusammenarbeit. Und die Europäische Union ist eben die Institution, in deren Rahmen wir uns engagieren können und engagieren müssen. Also all diese Kritik, die jetzt auch von mir kommen wird, bezieht sich nicht darauf, dass Österreich, wie eine rechtspopulistische Partei in Österreich meint, aus der EU austreten sollte, dass es die EU am besten gar nicht geben sollte, sondern ganz im Gegenteil: Wenn es sie nicht gäbe, müssten wir sie er­finden.

Allerdings hat diese wichtige europäische Institution seit Monaten eine Art Führungs­vakuum, einen Mangel an „political leadership“, insbesondere – aber nicht nur – bei den großen Nationen.

Frankreich ist ausschließlich mit sich selbst beschäftigt, und das wird bis zu den Präsi­dentenwahlen auch so bleiben.

Deutschland – dahinter ein Fragezeichen. Solange sich die wirtschaftliche Situation nicht bessert, wird sich Bundeskanzlerin Merkel schwer tun, aber ich hoffe, das geht gut.

Italien mit der Regierung Berlusconi: indiskutabel! Der „Economist“ hat vor Jahren – lei­der erfolglos – eine wichtige Titelgeschichte gemacht, die hieß: „Berlusconi unfit to go­vern“, also fürs Regieren ungeeignet – aus Gründen, die ich jetzt hier nicht wiederholen möchte.

Und Großbritannien? – Tony Blair hat im Europäischen Parlament Ende Juni eine sehr gute Rede gehalten. Wir haben im grünen Klub darüber gespottet und gesagt, die Rede war gut; sie hat nur ein Problem: Tony Blair hat sie gehalten! Seit wann sind die Briten – gute Freunde sonst, ja – Freunde europäischer Integration? Und Tony Blair, die britische Präsidentschaft, hat in den letzten fast fünfeinhalb Monaten der Präsident­schaft leider – leider! – bewiesen, dass diese Vorurteile, diese Bedenken, diese Be­fürchtungen richtig waren. In wichtigen Punkten hat die britische Präsidentschaft die


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