Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 15. Sitzung / Seite 12

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verdeckt rationieren! Und keine Leistung – wissen Sie, was das heißt? – Das heißt 100-pro­zentiger Selbstbehalt!

Wir brauchen Geld, damit wir die Vorsorge verbessern. Es wäre ein schönes Ziel, wenn Sie mit uns mitgehen und sagen würden: Wir reduzieren die Sterblichkeitsrate bei Frauen mit Brust­krebs um 50 Prozent! (Abg. Dr. Grünewald: Das ist Utopie!), wenn Sie sagen würden: Füllen wir die weißen Flecken!, wenn Sie sagen würden: Machen wir etwas bei der Kinderkrebs­rehabi­li­tation, machen wir etwas bei der Krebsrehabilitation, bauen wir die Hospize aus! (Abg. Dr. Grü­newald: Das machen Sie ja nicht!)

Wir von der ÖVP, wir von der Regierung wollen gleichen Zugang – unabhängig vom Einkom­men! Das ist unser Credo! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

9.30


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Lackner. – Bitte.

9.30


Abgeordneter Manfred Lackner (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Herr Staatsse­kretär! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich will keine Zwei-Klassen-Medizin, ich will keine Beitragserhöhungen und ich will keine neuen Selbstbehalte. (Abg. Mag. Molterer: Was wollen Sie dann?) – So weit eines der weiteren oder der vielen vordergründigen Verspre­chen des Herrn Bundeskanzlers vom 9. Juli 2002.

Die Fakten, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, sprechen jedoch eine an­dere Sprache. „Wir“ – so der Herr Bundesfinanzminister gestern in seiner Budgetrede – „ha­ben daher die Sozialversicherungsträger ermächtigt, von allen Versicherten einen sozial gestalteten Selbstbehalt einzuheben“.

Prüfen wir nunmehr diese neoliberale Ansage auf ihre Plausibilität!

Es ist nachgewiesen, meine Damen und Herren, dass die Gesundheitschancen entsprechend dem Einkommen und dem sozialen Status unterschiedlich sind. Daher ist es für mich wichtig fest­zu­halten: Die gesundheitliche Versorgung ist ein öffentliches Anliegen und nicht die Privat­sache der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Die vorliegenden Erfahrungen, meine Damen und Herren, führen auch zu starken Zweifeln an der Sinnhaftigkeit von generellen Selbstbehalten, denn eines ist klar: Die Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen sinkt mit steigenden Selbstbehalten. Dieser Effekt ist aber nur kurzfristig und wird durch erhöhte Intensität des Angebots mehr als nur kompensiert. Selbstbehalte wirken generell abschreckend, ohne zwischen notwendigen und weniger notwendigen Behandlungen zu unterscheiden.

Insgesamt, meine Damen und Herren, zieht die abschreckende Wirkung insbesondere für Be­zie­her niedriger Einkommen nachteilige gesundheitliche Folgen und Mehrkosten nach sich. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Die Gesamteinnahmen aus Selbstbehalten bleiben meist hinter den Erwartungen zurück, und auch Ausnahmen können keinen tatsächlichen Schutz für einkommensschwache und chronisch kranke Menschen gewährleisten. Die hohen Administrationskosten von Ausnahmen werden von vielen unterschätzt.

Die Finanzierung ist natürlich regressiv. An Stelle eines solidarischen Risikoausgleichs werden kran­ke und sozial schwache Menschen unmittelbar belastet. Deswegen bewerten gesundheits­politische Analysen Selbstbehalte als ungeeignetes Instrument, um zu den Zielen Gerechtigkeit und Effizienz beizutragen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Vor diesem Hintergrund werden Selbstbehalte in erster Linie als politisches Instrument einge­setzt. Sie dienen als Symbol für einen liberalen, marktorientierten Politikansatz, der individuelle


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