Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 55. Sitzung / Seite 154

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Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Wurm. 5 Minuten Wunschredezeit. – Bitte.

 


16.45

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege Bösch, was dem internationalen Terrorismus sicher nicht gelingen darf, das ist, zentrale Werte unserer Gesellschaft, nämlich Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und den Schutz der Menschen­rechte, zugunsten eines Überwachungsstaates zu opfern. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Mag. Molterer: Und wenn es kracht, ist es zu spät!)

Es ist ein Alarmsignal, wenn Herr Innenminister Strasser in seiner ersten Reaktion auf den fürchterlichen Terroranschlag in Madrid nach Überwachungsmaßnahmen ruft, die sicher nichts mit der Terrorbekämpfung zu tun haben. Die Videoüberwachung, Herr Innenminister, kann unter bestimmten Voraussetzungen, insbesondere in Menschen­mengen, zur Bekämpfung von und als Prävention gegen Kleinkriminalität an manchen Orten sinnvoll sein, mit Sicherheit ist sie aber kein taugliches Mittel zur Terrorismusbe­kämpfung. Herr Minister, so blöd ist kein Terrorist, dass er einen Anschlag dort vorbe­reitet, wo ihn Videokameras überwachen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Was aber besonders nachdenklich stimmt, Herr Minister, sind Ihre Phantasien – die Phantasien des Herrn Minister Ernst Strasser. Er sieht eine Dokumentation im Kunst­sender ARTE und erklärt dann beinahe euphorisch bei einer Pressekonferenz, was in Island, in Reykjavik, am Tatort des Geschehens, stattfindet: 400 Videokameras, die die Menschen an allen öffentlichen Plätzen überwachen, und das Ganze wird auch noch direkt in die Wohnzimmer der Bürger und Bürgerinnen übertragen.

Das, Herr Minister, sehen Sie als vorbildhaft, das gefällt Ihnen! Da frage ich Sie: Ist das Ihre „schöne neue Welt“, Herr Bundesminister? Sind das Ihre Vorstellungen von der Zukunft?

Das Buch „1984“ von George Orwell und auch das Werk „Das Wittgenstein-Pro­gramm“, das ebenfalls von dieser Thematik handelt, fallen mir in diesem Zusammen­hang ein. Ich frage Sie, Herr Minister: Was lesen Sie denn eigentlich, und was inspiriert Sie zu solchen Ideen, zu solchen Phantasien? Da wird einem Angst und Bange!

Kollege Dr. Spindelegger hat am Beginn seiner Rede hier gesagt, es sollte hier einen nationalen Schulterschluss geben, die Bekämpfung des internationalen Terrorismus sei eine wichtige Sache. Dazu darf ich Ihnen sagen, Herr Dr. Spindelegger: Selbstver­ständlich sehen wir das auch so, aber es darf nicht auf Kosten des Rechtsstaates, auf Kosten der Freiheit der Menschen und auf Kosten der Grundrechte gehen. Da geht es darum, die entsprechende Rechtsgüterabwägung vorzunehmen (Abg. Wittauer: Wo hast du das gelesen? – Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen), die Balance zwi­schen den Rechtsgütern der Sicherheit und der Rechtsstaatlichkeit zu finden. (Beifall bei der SPÖ.)

Lassen Sie mich auch zu dem ganzen Thema „europäische Geheimdienste“ etwas sagen, weil das Herr Kollege Miedl in die Debatte eingebracht hat. Zur Erinnerung, Herr Kollege Miedl: Minister Strasser hat im Februar von einem europäischen Geheim­dienst gesprochen. Im Laufe der Debatte ist man übereingekommen, dass es zu einem Koordinator kommen muss. Ich sage Ihnen eines: Das, was auszubauen ist, sind die Kontrollrechte des Europäischen Parlaments, und wichtig ist der Beschluss einer Europäischen Verfassung.

Lassen Sie mich damit enden, was der Direktor des Deutschen Orient-Instituts Udo Steinbach und Luxemburgs Ministerpräsident Jean-Claude Juncker zu diesem Thema


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