Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 92. Sitzung / Seite 49

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Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Her­ren hinter mir, meine sehr geehrten Damen und Herren vor mir, meine sehr geehrten Damen und Herren zu Hause: dobar dan!

Sehr geehrte Frau Bundesministerin Prokop! Herr Bundeskanzler Schüssel hat Sie heute hier im Parlament mit der Beschreibung eingeführt, Sie seien eine Frau, die soziales Gespür sowie Gespür für menschliches Maß hat, eine Frau, die Mut zu Entscheidungen hat, weil Sie das alles in der Vergangenheit bewiesen haben, so der Herr Bundeskanzler.

Frau Bundesministerin Prokop, ich hatte bis jetzt politisch mit Ihnen noch nie zu tun. In Zukunft werden wir viel miteinander zu tun haben, was ich hoffe – hoffentlich jedenfalls mehr, als das bei Ihrem Vorgänger Strasser der Fall war, denn Minister Strasser hat die Leute – das ist der Hauptvorwurf, den wir ihm nach seinem Abgang immer noch machen – sozusagen aus dem Boot gestoßen, anstatt sie ins Boot zu holen. Mit den Nicht-ins-Boot-Geholten meine ich beispielsweise jene Organisationen in Österreich, die im Bereich Menschenrechte tätig sind. Jetzt komme ich auf soziales Gespür und menschliches Maß zu sprechen – und Sie wissen ja sicherlich, dass ich für die Fraktion der Grünen zuständig bin für die Fragen Fremdenrecht und Asyl sowie auch deren Menschenrechtssprecherin bin. Aus dem Boot zu stoßen und nicht ins Boot zu holen, das war der Politikstil Ernst Strassers. Bundesminister Strasser hat die Zusam­men­arbeit mit Flüchtlingsorganisationen, hat die Zusammenarbeit mit NGOs im Men­schenrechtsbereich beispielsweise verweigert, ebenso mit den Kirchen, die, und zwar seit Jahrzehnten, wesentlich zum Ruf Österreichs beigetragen, dass unser Land eines ist, das Flüchtlinge aufnimmt!

Bundesminister Strasser hat also die Zusammenarbeit mit diesen Organisationen verweigert – und er hat die Vorschläge der Opposition, hat den Input, den die Opposition bringt, schlicht und einfach ignoriert!

Frau Bundesministerin Prokop, ich stehe nicht an, zu sagen, dass Sie von der Opposition heute so etwas wie einen „Vorschussvertrauen“ bekommen haben, und zwar auch deshalb, weil wir von Ihnen einen Kurswechsel im Politikstil und im Politik­inhalt erwarten, ja einfordern, denn ein solcher Wechsel ist geradezu notwendig. Das, Frau Bundesministerin, was offensichtlich in Ihrer politischen Vergangenheit der Fall war und was Sie sozusagen charakterisiert, soll von Ihnen auch als Mitglied einer Bundesregierung mit politischem Inhalt erfüllt werden.

Ernst Strasser hat rechtsstaatliche Scherben hinterlassen – und ich zähle nur stich­wortartig Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes auf: Aufhebung des Zivildienst­gesetzes, Aufhebung des Asylgesetzes. Die Ignoranz, die Ernst Strasser zutage gelegt hat mit seinen Kommentaren nach diesen, natürlich für einen Minister nicht gerade angenehmen, ja geradezu für die Regierung peinlichen Erkenntnissen des Verfas­sungs­gerichtshofes, haben uns in den letzten Wochen mehr als bewegt. (Beifall bei den Grünen.)

Ich sage Ihnen daher: Es tut mir nicht Leid um Ernst Strasser, denn mit ihm wäre genau das, was jetzt in dem Bereich, den ich besonders hervorheben möchte und wozu Sie, Frau Bundesministerin Prokop, heute leider jede konkrete Aussage ver­missen ließen, nicht geschehen, nämlich das anzupacken, dass Asylverfahren in Österreich Jahre, ja manchmal Jahrzehnte dauern, weil es kein Personal gibt, und zwar weder beim Bundesasylamt noch beim unabhängigen Bundesasylsenat.

Frau Bundesministerin Prokop, zu Vorschlägen der Opposition, der Kirchen und Flücht­lingsorganisationen, eine verfassungskonforme, den Grundsätzen der Genfer Flücht­lings­konvention uneingeschränkt und umfassend gerecht werdende Novelle des Asyl-


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