Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 9. April 2008 / Seite 71

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Westenthaler betreffend Absetzung des Tagesordnungspunktes 1 von der Tagesord­nung.

Wie in der Präsidialkonferenz vereinbart, gelangt in dieser Debatte je eine Rednerin/ein Redner pro Fraktion mit einer Redezeit von je 5 Minuten zu Wort.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist als Erster Herr Klubobmann Strache. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


10.27.17

Abgeordneter Heinz-Christian Strache (FPÖ): Meine sehr geehrten Damen und Her­ren! Wir haben heute diese Einwendungsdebatte beantragt und wollen festhalten, dass es wirklich traurig ist und allen Traditionen des österreichischen Parlamentarismus und des Hohen Hauses widerspricht, dass man am Montag dieser Woche in der Präsi­diale – entgegen jeder Tradition, wie gesagt – nicht die Einstimmigkeit herbeizuführen versucht hat. Man hat gegen die Stimmen der Freiheitlichen Partei Österreichs von Seiten der SPÖ, der ÖVP und auch des grünen „Kammerdieners“ nicht dafür Sorge ge­tragen, einstimmig die Tagesordnung festzulegen, sondern man hat mit aller Gewalt mit dem Tagesordnungspunkt 1 beschlossen, das EU-Reform-Diktat, die EU-Reform beziehungsweise die Europäische Unionsverfassung heute zu behandeln und durchzu­peitschen – gegen die Interessen von 80 Prozent der Österreicher. Damit hat man in einer miserablen Art und Weise gegen das Einstimmigkeitsprinzip der Präsidiale ge­handelt. Das entspricht nicht den Gepflogenheiten dieses Hohen Hauses!

Es entspricht auch nicht den Gepflogenheiten des österreichischen Parlaments, wenn man gegen die Mehrheit der österreichischen Bevölkerung mit einer Dampfwalze über deren Interessen drüberfährt, wie das heute hier versucht wird. Dazu kommt noch, dass, wie es in den letzten Wochen passiert ist, 80 Prozent der Österreicher, die auf ihr Recht auf Volksabstimmung, das in der österreichischen Verfassung im Artikel 1, im Artikel 44 und auch im Artikel 50 verankert ist, bestehen und dieses einfordern und die verfassungstreu sind, dann auch noch als linke und rechte Randgruppen diffamiert werden. Diese Vorgangsweise ist insgesamt mehr als schäbig; ich sage das hier in die­ser Offenheit. Wir verlangen eine Rückverweisung des Tagesordnungspunktes 1 an den Verfassungsausschuss, eine Absetzung des EU-Reformvertrages von der heuti­gen Tagesordnung und eine Vorbereitung im Verfassungsausschuss für eine verfas­sungskonforme Volksabstimmung in dieser Frage. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich weise darauf hin, dass in der Debatte über den EU-Reformvertrag, die auch in den letzten Wochen sehr häufig geführt wurde, Experten vor nicht allzu langer Zeit, nämlich im Jahr 2005, wie zum Beispiel Professor Heinz Mayer und Professor Theo Öhlinger, zu Recht gesagt haben, dass dieser Reform- und Verfassungsvertrag nur mittels einer Volksabstimmung in Kraft treten kann. Leider Gottes hat diese beiden Rechtsexperten beziehungsweise Verfassungsrechtler plötzlich der Mut verlassen, sodass sie daher trotz identisch lautender Inhalte im Reformvertrag heute nicht mehr diese ihre Meinung vertreten.

Aber andere Verfassungsrechtler, wie der Doyen des österreichischen Verfassungs­rechts, der ehemalige Justizminister Professor Dr. Klecatsky, sind dieser Meinung, bis hin zu europäischen Verfassungsrechtlern wie Dr. Albrecht Schachtschneider oder Professor Hollaender.

 


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