14.59

Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Initiativantrag ist ein Offenbarungseid für alle im Parlament vertretenen Parteien. Wo stehen wir heute? – Ein Blick in die Woh­nungsanzeigen für Wien zeigt es: Heute im Online-„Standard“ liegen die Angebote zwischen 13,82 Euro und 16 Euro.

Auf diesem Markt kann eine junge Familie keine Wohnung, keine leistbare Wohnung finden; es ist unmöglich, dort langfristig zu wohnen. Das heißt, es kommen noch Mak­lerprovisionen, befristete Mietverträge, Ablösen hinzu, die ihr Übriges tun. (Präsident Sobotka übernimmt den Vorsitz.)

FPÖ und ÖVP haben es in den letzten zwei Jahren gemeinsam geschafft, keinen einzigen Gesetzesvorschlag vorzulegen, um den privaten Wohnungsmarkt wieder in Ordnung zu bringen. Sie verhindern damit, dass Menschen ein Zuhause finden.

Ein Wohnungssektor, der aber gut funktioniert, ist der gemeinnützige Wohnungssektor. Es sind 900 000 Wohnungen in diesem Bereich, die preisdämpfend auf den gesamten Markt wirken. Geförderte Wohnungen sind besser ausgestattet, haben einen besseren Erhaltungszustand, wenn die Häuser älter sind, und sind günstiger als private Woh­nungen – und das in einem sehr eklatanten Ausmaß. Und was würde jeder vernünftige Mensch in dieser momentanen Situation mit diesem Sektor tun? – Er würde diesen Sektor natürlich auch stärken, aber das haben Sie von ÖVP und FPÖ unterlassen. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie haben im Regierungsprogramm billigen Baugrund versprochen. – Nicht gehalten. Sie haben eine Stärkung versprochen, die Europäische Investitionsbank hätte dafür gratis Geld zur Verfügung gestellt. – Die österreichische Wohnbauinvestitionsbank wur­de verhindert, somit stehen keine zusätzlichen Mittel für den gemeinnützigen Sektor zur Verfügung. Sie haben einheitliche Bauvorschriften und weniger Normen ver­sprochen. – Keine einzige Aktivität ist in diesem Bereich erfolgt.

Das Ergebnis dieser Politik von ÖVP und FPÖ ist, dass die gemeinnützige Bau­wirtschaft jetzt mit sehr schwierigen Rahmenbedingungen kämpft; die Bauleistung ist auch im Vorjahr 2018 leicht zurückgegangen. Umso wichtiger ist es jetzt, den Schutz der bestehenden preisgeregelten Wohnungen zu garantieren.

Das vorgelegte Gesetz enthält zwar wichtige Maßnahmen zum Schutz des gemein­nützigen Sektors vor spekulativen Angriffen – konkret kann ein Regierungskommissär eingesetzt werden, um Betriebe auch unter Zwangsverwaltung zu stellen; dieser Teil des Gesetzes wird von allen Parteien in diesem Haus mitgetragen und diesen Teil hätten auch alle Parteien in ähnlicher Weise natürlich so vorgelegt –, aber was haben Sie gemacht? – Sie haben diesen Teil des Gesetzes als Vorwand genommen, um Be­stimmungen in das Gesetz reinzupacken, die das Gegenteil bewirken und Wohnungen nicht vor dem Ausverkauf schützen.

Ein Beispiel dafür: Auslaufannuitäten. Das ist der Teil des Gesetzes, der als Träger­rakete für Maßnahmen verwendet wird, die das Wohnen für Genossenschaftsmieter noch teurer machen. So wird zum Beispiel die günstige Absenkungsmiete de facto abgeschafft. Nach Rückzahlung der Kredite – das ist im Normalfall zwischen 20 und 30 Jahren – kosten die Wohnungen jetzt doch beträchtlich weniger. Durch die Geset­zesänderung darf die volle letzte Miethöhe verlangt werden, solange Finanzie­rungs­vorlagen des Vermieters im EVB drinnen sind. Diese Vorlagen können von den Mietern weder eingesehen noch kontrolliert oder auch gerichtlich belangt werden. Es reicht also, dass der Vermieter jegliche finanzielle Investition, die er tätigt, dort hineinlegt. So verhindert er eine Absenkung der letzten Miete, wie das bis jetzt vorgesehen war.

Diese Vorlagen der Vermieter sind auch vom Rechnungshof beanstandet und vorge­rechnet worden, denn derzeit werden diese Kredite, diese Vorlagen, mit 0,3 Prozent bei den Banken aufgenommen und dann mit 3,5 Prozent an die jeweiligen Wohnhaus­anlagen weitervergeben.

Das Absenken der Miete entfällt. Insgesamt sind in Folge davon bis zu 450 000 Woh­nungen betroffen. Die Haushalte werden pro Jahr dann circa zwischen 2 000 Euro und 3 000 Euro mehr zu zahlen haben als jetzt. Also aus meiner Sicht ist die Bilanz dieser Reform absolut negativ.

Ich bringe daher zur Absenkung der Miete nach Rückzahlung der Kredite folgenden Abänderungsantrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen zum Bericht des Bau­tenausschusses (653 d.B.) betreffend den Antrag 907/A der Abgeordneten Johann Singer, Mag. Philipp Schrangl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen (Woh­nungs­gemeinnützigkeitsgesetz – WGG), BGBI Nr. 139/1979, zuletzt geändert mit BGBI. I Nr. 69/2018, geändert wird

„Der Nationalrat wolle in Zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

1. Z 22 entfällt

2. Z 23 lautet:

„23. In § 14 Abs. 7a lautet der erste Satz wie folgt:

,Nach vollständiger Tilgung von Fremdmitteln einschließlich von Darlehen aus öffent­lichen Mitteln darf die Summe der sich aus Abs. 7 in Verbindung mit Abs. 1 Z 1 bis 2 ergebenden Entgeltsbestandteile je Quadratmeter der Nutzfläche und Monat nicht höher sein als 1,80 Euro.‘“

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Die abgewählte Regierung hat mit dem heutigen Initiativantrag das größte Belastungs­paket für Genossenschaftsmieter der Zweiten Republik vorgelegt. Es gibt in diesem Paket noch eine Reihe weiterer Giftzähne, die sich zum Schaden der Österreiche­rinnen und Österreicher auswirken, die wir als SPÖ mit unseren Abänderungsanträgen alle werden ziehen können. Wir bitten Sie daher um Unterstützung, um die Notbremse für diese katastrophalen Gesetzesvorhaben ziehen zu können. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

15.06

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

§ 53 Abs. 3 GOG-NR

der Abgeordneten Mag. Ruth Becher

Genossinnen und Genossen

zum Bericht des Bautenausschusses (653 d.B.) betreffend den Antrag 907/A der Abge­ordneten Johann Singer, Mag. Philipp Schrangl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Gemeinnützigkeit im Woh­nungswesen (Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz – WGG), BGBI Nr. 139/1979, zuletzt geändert mit BGBI. I Nr. 69/2018, geändert wird

Der Nationalrat wolle in Zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

1. Z 22 entfällt

2. Z 23 lautet:

„23. In § 14 Abs. 7a lautet der erste Satz wie folgt:

,Nach vollständiger Tilgung von Fremdmitteln einschließlich von Darlehen aus öffent­lichen Mitteln darf die Summe der sich aus Abs. 7 in Verbindung mit Abs. 1 Z 1 bis 2 ergebenden Entgeltsbestandteile je Quadratmeter der Nutzfläche und Monat nicht höher sein als 1,80 Euro.‘“

Begründung:

Zu Z 1:

Eigenmitteleinsätze der Bauvereinigung einer verstärkten Tilgung zuzuführen, würde ein Aushebeln des kostendeckenden Prinzips bedeuten, denn die verstärkte Tilgung basiert nur auf Kosten, die aufgrund der Errichtung der Wohnhausanlage entstanden sind. Die Herstellungskosten sind somit die Verrechnungsbasis.

Kann eine Bauvereinigung unter dem Titel verstärkte Tilgung auch Eigenmittel, die im Zuge von Sanierungsmaßnahmen entstanden sind, einsetzen, kommen die Mieter nicht mehr in den Genuss, eine günstigere Miete im Sinne des § 14 Abs. 7a WGG bezahlen zu können.

Die Eigenmittel, die im Zuge einer Sanierung von der Bauvereinigung eingesetzt werden und verstärkt getilgt werden, würden dazu führen, dass Wohnungen errichtet werden, die bei Bezug zwar leistbar erscheinen aber durch den Eigenmitteleinsatz der GBV im Laufe der Mietdauer nicht mehr finanzierbar sind.

Bauvereinigungen verrechnen Zinsen für den Eigenmitteleinsatz in der Höhe von 3,5%, somit würden die Wohnungen unfinanzierbar werden und die Mieter müssten sich dann nach 20, 30, oder sogar 40 Jahren eine neue Wohnung suchen, da die bestehende Wohnung aufgrund von Eigenmitteleinsätzen der GBV unfinanzierbar werden würde.

Die von der Bauvereinigung eingesetzten Eigenmittel in der Höhe von 3,5% sind unan­gemessen hoch. In § 14 Abs. 1 Z 3 WGG sieht das Gesetz ["die angemessene Ver­zinsung der Eigenmittel, wobei im Falle der Errichtung von Wohnungen, Eigenheimen, Heimen und Geschäftsräumen die Zinsen grundsätzlich 3,5 vH nicht übersteigen dürfen; dieser Hundertsatz erhöht sich in dem Ausmaß, in dem der um einen Pro­zentpunkt verminderte Periodenschnitt der Sekundärmarktrendite aller Bundesanleihen des jeweiligen vorangegangenen Kalenderjahres diesen Hundertsatz übersteigt, beträgt jedoch höchstens 5 vH;"] einen Höchstzinssatz von 3,5% vor, dieser Höchst­zinssatz ist in Zeiten eines Niedrigzinsniveau als Zinssatzobergrenze zu verstehen.

Nach § 14 Abs. 1 Z 3 WGG hat der Gesetzgeber die Höhe der Eigenmittelverzinsung ursprünglich in eine Untergrenze von bei 3,5 % und mit einer die Obergrenze bis 5 % definiert. Diese Prozentpunkte haben sich am verminderten Periodenschnitt der Sekun­därmarktrendite aller Bundesanleihen des jeweiligen vorangegangenen Kalenderjahres definiert.

Mit Ende März 2015 stellt die Österreichische Kontrollbank AG (OeKB) die Berechnung und Veröffentlichung der Sekundärmarktrenditen (SMR) ein. Mit 1. April 2015 über­nimmt die Österreichische Nationalbank (OeNB) die Berechnung und Veröffentlichung des gesetzlichen Nachfolgeindex „Umlaufgewichtete Durchschnittsrendite für Bundes­anleihen" (UDRB). Durch Aktualisierung von Datenbasis und Renditeberechnung wird die OeNB dem Markt ein transparentes, Transaktionsdaten basiertes und repräsen­tatives Indexprodukt zur Verfügung stellen.

Seit April 2015 tritt an Stelle der SMR also die "Umlaufgewichtete Durchschnittsrendite für Bundesanleihen" (UDRB). Ab April 2015 abgeschlossene Verträge können sich nicht mehr auf die SMR als Referenzzinssatz beziehen. Bei bestehenden, bis Ende März 2015 abgeschlossen Verträgen, die sich auf SMR -Indizes als Referenzzinssatz beziehen, ist die SMR durch die UDRB zu ersetzen - sofern die Vertragsparteien nichts Abweichendes vereinbart haben oder vereinbaren.

Der gesetzliche Übergang von SMR auf UDRB ist im "Bundesgesetz betreffend die Ermittlung der Umlaufgewichteten Durchschnittsrendite für Bundesanleihen" (UDRBG) geregelt. Gemäß UDRBG werden die "SMR Bund", "SMR Emittenten Gesamt", "SMR Inländische Emittenten" und die "SMR Inländische Nichtbanken" auf die UDRB über­geleitet.

Die Bauvereinigungen verrechnen nach wie vor auch nach Anwendbarkeit der UDRB Eigenmittelzinsen in der Höhe von 3,5%, daher ist der Einsatz von Eigenmitteln grund­sätzlich abzulehnen, da in der derzeitigen Niedrigzinsphase Zinsen in der Höhe von 3,5% unangemessen erscheinen.

Des Weiteren widerspricht die Regelung nach Abs. 2a nicht nur den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Zweckmäßigkeit im Sinne des § 23 WGG, sondern auch dem Grundgedanken der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft, nämlich leistbare Wohnungen auf Dauer zur Verfügung zu stellen.

Zu Z 2:

Die verstärkte Tilgung der Eigenmittel der Bauvereinigung ist nicht akzeptabel, dies­bezüglich wird auf die Stellungnahme zu § 14 Abs. 7 WGG verwiesen.

Nach § 14 Abs. 7 WGG geltender Fassung können Beträge gemäß Abs. 1 Z 1 und 2, die nicht mehr zur Verzinsung und Tilgung von Fremdmitteln einschließlich von Dar­lehen aus öffentlichen Mitteln verwendet werden, unverändert der Berechnung des Entgelts zugrunde gelegt werden. Diese Beträge sind unbeschadet der Bestimmung des Abs. 6

1. zur verstärkten Tilgung anderer noch aushaftender . Fremdmittel, soweit Vertrags­bestimmungen dem nicht entgegenstehen,

2. weiters zur verstärkten Tilgung von noch aushaftenden Darlehen aus öffentlichen Mitteln zu verwenden,

3. sodann für fünf Jahre den nicht verbrauchten Erhaltungs- und Verbes­serungs­beiträgen nach Abs. 1 Z 5 und

4. danach den Rücklagen zuzuführen.

§ 14 Abs. 7a WGG ermöglicht der GBV die sogenannten Auslaufgewinne (Auslauf­annuitäten) zu verrechnen, es handelt sich hierbei um einen Fall der Durchbrechung des Kostendeckungsprinzips.

Wenn ein Darlehen (gleichgültig ob Kapitalmarktdarlehen oder Förderungsdarlehen) vollständig getilgt ist, können die Annuitäten dennoch weiterhin eingehoben werden. Die so erzielten Überschüsse sind zunächst zur verstärkten Tilgung noch aushaftender Fremdmittel und noch aushaftender Darlehen aus öffentlichen Mitteln zu verwenden, sodass sich dadurch die Refinanzierungsdauer verkürzt.

Wenn alle Fremdmittel rückgeführt sind, sind die durch die Auslaufannuitäten erzielten Überschüsse für 5 Jahre den EVB gutzubringen und dienen damit der Erhaltung und Verbesserung der Liegenschaft. Ab dem Zeitpunkt der vollständigen Tilgung der Fremd­mittel dürfen jedoch die Auslaufgewinne den Betrag des § 13 Abs. 6 (richt­wertorientierter Mietzins, derzeit € 3,86/m2) nicht überschreiten. Nach Ablauf der 5 Jahre, in welchen die Dotierung des EVB erfolgt, kann die GBV die Auslaufgewinne ihren Rücklagen zuführen. Diese Bestimmung dient der Stärkung des Eigenkapitals der GBV.

Das Durchbrechen des Kostendeckungsprinzips ist nur unter den oben genannten Voraussetzungen möglich, des Weiteren verkürzt sich durch die verstärkte Tilgung die Laufzeit des verstärkt rückgeführten Darlehens.

Die Basis der verrechenbaren Kosten bilden die ursprünglich bei der Errichtung der Anlage aufgenommen Darlehen, diese bilden das sogenannte kostendeckende Entgelt im Sinne des §14 Abs. 1 Z 1-4 WGG. Würde man Eigenmittel der GBV, die für Erhaltungs- und Verbesserungsarbeiten eingesetzt wurden, verstärkt tilgen dürfen, würde man in die Grundprinzipien des WGGs eingreifen und die Existenz von allen Mietern gefährden, die Mieter einer Genossenschaftswohnung sind.

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Singer. – Bitte.