14.26

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Herr Präsident! Werte Regierungs­mitglieder! – Ich bitte, meine Redezeit zu stoppen. – Ja, werte Regierungsmitglieder, ich weiß gar nicht, warum die ÖVP so frenetisch applaudiert (Zwischenrufe bei der ÖVP), denn als ich Herrn Kollegen Fürlinger zugehört habe, habe ich Folgendes gemerkt: Ers­tens hat er gesagt, er traut dem Herrn Bundeskanzler durchaus zu, dass er das macht. Das ist aus meiner Sicht also nicht mehr hundertprozentig überzeugend. (Zwischenruf des Abg. Zarits.)

Das andere war nach dem Motto: Nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich!, denn wenn Kollege Fürlinger jetzt gerade hier am Rednerpult davon gesprochen hat, dass man es den Mitarbeitern nicht zumuten kann, dass ihre Urlaubsmails in den Untersuchungsaus­schuss gelangen, dann muss man schon grundsätzlich feststellen: Dienstlaptops sind auch nicht dazu da, um Urlaubsreisen zu buchen, Herr Kollege Fürlinger. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Fürlinger.) Ich glaube, mit diesem Vergleich haben Sie den Finanzminister und sein Ministerium mehr hineingeritten, als Ihnen das vielleicht lieb ist.

Zurück zum Herrn Bundeskanzler: Herr Bundeskanzler, Sie sehen – und ich glaube, Sie werden das von Ihrer Warte aus auch verstehen –, dass Sie hier auf der Regierungsbank immer mehr allein sind. Ich weiß nicht, was Sie mit Herrn Kogler gemacht haben, dass er nicht mit der Gruppe der Grünen mitgegangen ist, aber sonst sehe ich weit und breit keinen Grünen mehr. Der Koalitionspartner setzt sich äußerst kritisch mit Ihnen ausein­ander, und auch sonst fehlen einige aus Ihrer Regierungsriege. Ich glaube zu wissen, warum das so ist, Herr Bundeskanzler: Es ist einfach deswegen so, weil Sie eben mitt­lerweile immer mehr allein dastehen, und vor allem, weil es auch niemand erträgt, dass Sie hier so weinerliche Erklärungen abgeben.

Herr Bundeskanzler, ich sage Ihnen eines: Sie stellen sich ständig selbst als jemand dar, der die Krise zu meistern hat. Sie haben ja sogar selbst Corona besiegt, haben Sie ges­tern in Ihren sozialen Medien geschrieben. Also die Überheblichkeit kennt bei Ihnen keine Grenzen. Sie sagen, Sie sind der Macher, der alles regelt und alles checkt. – Herr Bundeskanzler, jemand, der hier solch weinerliche Erklärungen abgibt und der sich so als Opfer inszeniert, kann die Probleme im Staat nicht lösen! So dünnhäutig kann kein Bundeskanzler sein! (Beifall bei der FPÖ.)

Im Gegenteil, Sie können gar nichts mehr, Herr Bundeskanzler. Sie werden auch nicht Ihrer eigenen Parteifreunde Herr. Da möchte ich auf Herrn Finanzminister Blümel zu meiner Linken zu sprechen kommen, der ja zu Ihrer „Familie“ gehört. Das ist der Finanz­minister, der es zwei Mal zu absolut traurigen Schlagzeilen in der Zweiten Republik gebracht hat. Das sind Negativschlagzeilen, die wir bis dato nicht kannten. Zum einen ist er der erste Minister, der eine Hausdurchsuchung hatte – und da möchte ich gar nicht auf die Details eingehen, dass irgendwelche Laptops im Kinderwagen hinausgeführt worden sind oder sonst etwas –, und zum anderen ist er auch ein Minister, bei dem vom Bundespräsidenten im Auftrag des Verfassungsgerichtshofes bereits hätte exekutiert werden sollen.

Ich meine, lieber Herr Bundeskanzler: Wieso können Sie so etwas zulassen? Warum lassen Sie es zu, dass ein Mitglied Ihrer Regierung Katz und Maus mit dem Parlament spielt und uns nach allen Regeln der Kunst an der Nase herumführt? Herr Bundeskanz­ler, Sie allein hätten schon längst Gernot Blümel zum Abschuss freigeben müssen, Sie hätten ihn aus der Regierung entlassen müssen. Diesen Minister kann man so nicht mehr halten. (Abg. Wöginger: Was heißt denn „zum Abschuss“? Was heißt das: „zum Abschuss“? – Abg. Melchior: Was ist denn das jetzt? – Weiterer Ruf bei der ÖVP: Was heißt denn „zum Abschuss“? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Sie wissen ganz genau, was ich meine. (Abg. Wöginger: Was heißt das: „zum Abschuss“? Das ist ja kein Tier! Hallo?!) Dieser Finanzminister ist absolut rücktrittsreif, und der Herr Bundeskanzler hätte ihn auch entlassen müssen. Geben Sie sich jetzt nicht auch so dünnhäutig, wie sich der Bundeskanzler vorhin hier gegeben hat! (Beifall bei der FPÖ.)

Sie wissen, was der politische Abschuss ist, Kollege Wöginger. Das haben Sie schon mehrfach von allen möglichen Personen gefordert (Abg. Wöginger: Nein, nein! Das ha­ben wir noch nicht ...! – Ruf bei der FPÖ: ... nicht so wehleidig!), auch von mir, Herr Kol­lege Wöginger. Also seien Sie jetzt bitte nicht so kleinlich! Jeder, der möchte, versteht das auch. (Abg. Wöginger: So reden wir nicht!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was hier passiert, ist, dass wir mit unserer Bundesregierung zu einer Lachnummer verkommen. Herr Bundeskanzler, Sie sind es ja, dem es wichtig ist, im Ausland gut dazustehen, und Sie sind es ja auch, der immer wieder schaut, dass er in Deutschland irgendwelche Medienpreise verliehen bekommt und so weiter – Herr Bundeskanzler, das ist vorbei! Bitte schauen Sie sich den heutigen internationalen Pressespiegel an und lesen Sie, wie man international über die Bundes­regierung, die Sie anführen, urteilt! Ich würde sagen, das ist schon bedenklich.

Es ist natürlich hier im Parlament unsere Pflicht, auch dafür zu sorgen, dass dieser Kurs so nicht weiter fortgesetzt werden kann. Auch Klubobmann Kickl hat es vorhin bereits gesagt: Wenn jemand – so wie Sie, aber auch Minister Blümel – den ganzen Tag nur mehr damit beschäftigt ist, sich zu verteidigen, kann er seine Arbeit in der Bundesregie­rung gar nicht mehr ordentlich machen. Bitte geben Sie also diese zwei Positionen an Leute ab, die mehr Zeit dafür haben, weil sie nicht damit beschäftigt sind, ihre eigene Haut zu retten!

Es ist schon interessant, was da alles geschieht, wie sich die ÖVP immer wieder darüber mokiert – und es tut mir leid, wenn ich vorhin vielleicht eine falsche Wortwahl getroffen habe –, wie man mit ihr umgeht. Wenn sich die ÖVP selbst immer wieder als Opfer dar­stellt, muss man schon genauer herausarbeiten, was sie eigentlich die ganze Zeit tut.

Wenn ich mir allein anschaue, wie Sie mit der Justiz umgehen, weil gegen Sie ermittelt wird: Ihnen ist es komplett egal, wenn gegen irgendjemand anderen in der Republik er­mittelt wird, aber wenn es um die ÖVP geht, da sind Sie wieder dünnhäutig und weiner­lich. Dann müssen wir die WKStA umstrukturieren, dann geht sogar Ministerin Edtstad­ler – die selbst sogar noch den Mascherlposten der stellvertretenden WKStA-Leiterin innehat – an die Medien und fordert auch dort noch einen radikalen Umbau.

Herr Bundeskanzler, wir sehen also: Sie sägen ganz, ganz massiv an den Fundamenten des Staates, und das geht so eben nicht. Diesen Vorwurf müssen Sie sich hier auch gefallen lassen. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich möchte noch ein Wort zu den Grünen sagen, denn auch die Grünen haben im Wahl­kampf immer wieder von sich gegeben, der Anstand würde grün wählen. Da stelle ich mir die Frage, warum sich Frau Klubobfrau Maurer noch ans Rednerpult stellt und ver­sucht, hier irgendwie noch die Kurve zu kratzen: Wenn der Anstand tatsächlich grün wählte – und Herr Vizekanzler Kogler sitzt ja auch hier –, dann müssten Sie sich spätes­tens letzte Woche aus dieser Koalition zurückgezogen haben. Sie müssten zumindest von Ihrer Seite dafür gesorgt haben, dass diese Bundesregierung so nicht mehr weiterar­beiten kann, weil es sie dann schlicht und ergreifend nicht mehr gibt.

Warum also die Grünen nach wie vor dieses Spiel mitspielen und Beitragstäter der ÖVP sind, verstehe ich genauso wenig wie beim Bundespräsidenten. Dieser hat ja schluss­endlich von seiner Exekutionsmöglichkeit nicht Gebrauch gemacht, sondern hat den Herrn Finanzminister noch einmal davonkommen lassen, und zwar insofern, dass dieser die Akten sogar auch noch mit Stufe 3 klassifizieren konnte.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir im Parlament sind hier mit einer Regierung konfrontiert, die wieder einmal – Herr Bundeskanzler, es ist Ihre vierte Regierung, wenn man das sagen darf! – nicht handlungsfähig ist. Sie sind schon wieder nur mehr mit sich selbst beschäftigt, Sie sind nur mehr damit beschäftigt, Ihre Pfründe und Ihre Posten zu verteidigen. Sie können sich gar nicht mehr um die Belange dieses Landes kümmern – vor allem nicht auf eine redliche Art und Weise, wenn man sieht, wie Sie mit den Be­sitztümern der Republik umgegangen sind und diese unter Ihresgleichen aufgeteilt ha­ben.

Wer aber immer noch handlungsfähig ist, Herr Bundeskanzler, ist im Gegensatz zu Ihrer Bundesregierung das Parlament, und ich warne Sie davor, wieder mit irgendeinem Win­kelzug dafür zu sorgen, dass wir einmal mehr zu Neuwahlen schreiten müssen. Nein, Herr Bundeskanzler, wir werden Ihnen den vierten und fünften Versuch nicht durchgehen lassen, denn das Parlament ist handlungsfähig!

Ich fordere daher hier vom Rednerpult aus einen Cordon sanitaire, damit wir all das, was Sie in dieser Republik beschädigt haben, ohne Sie in Ruhe wieder aufräumen können. Wir müssen nicht unbedingt neu wählen, wir müssen nur dafür Sorge tragen, dass die ÖVP nicht mehr in dieser Bundesregierung sitzt, und deswegen stellen wir als selbstbe­wusste Oppositionsparteien auch einen entsprechenden Antrag. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Der Herr Bundespräsident schafft es nicht, und Sie schaffen es nicht, deswegen werden wir uns darum kümmern. Wir stellen daher folgenden Antrag:

Misstrauensantrag

§ 55 GOG-NR

der Abgeordneten Christian Hafenecker, MA, Mag. Jörg Leichtfried, Dr. Stephanie Kris­per, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Versagen des Vertrauens gegenüber dem Bundesminister für Finanzen“

eingebracht im Zuge der Debatte über die Dringliche Anfrage des Abgeordneten Kai Jan Krainer und weiterer Abgeordneter betreffend „Österreich verdient Ehrlichkeit, Anstand und vollen Einsatz statt Korruptionsverdacht, Verfassungsbruch und Unwahrheiten“ in der 103. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 17. Mai 2021

Daher stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Dem Bundesminister für Finanzen wird gemäß Art. 74 Abs. 1 B-VG durch ausdrückliche Entschließung des Nationalrates das Vertrauen versagt.“

*****

Genug ist genug! (Beifall bei der FPÖ.)

14.34

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Misstrauensantrag

§ 55 GOG-NR

des Abgeordneten Christian Hafenecker, MA, Mag. Jörg Leichtfried, Dr. Stephanie Krisper

und weiterer Abgeordneter

betreffend Versagen des Vertrauens gegenüber dem Bundesminister für Finanzen

eingebracht im Zuge der Debatte über die Dringliche Anfrage des Abgeordneten Kai Jan Krainer und weiterer Abgeordneter betreffend „Österreich verdient Ehrlichkeit, Anstand und vollen Einsatz statt Korruptionsverdacht, Verfassungsbruch und Unwahrheiten“ in der 103. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 17. Mai 2021

SPÖ, FPÖ und Neos haben heute folgenden Antrag betreffend Ministeranklage wider den Bundesminister für Finanzen Gernot Blümel eingebracht:

Antrag

gemäß § 75 Abs. 1 GOG-NR

der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Herbert Kickl, Dr. Nikolaus Scherak und weite­rer Abgeordneter

betreffend Ministeranklage gemäß Art. 142 Abs. 2 lit. b B-VG wider den Bundesminister für Finanzen

Bundesminister Mag. Gernot Blümel wurde am 7.1.2020 auf Vorschlag von Bundes­kanzler Kurz als Bundesminister für Finanzen angelobt.

Er gelobte und bekräftigte mit Handschlag und seiner Unterschrift:

„Ich gelobe, dass ich die Verfassung und alle Gesetze der Republik getreulich beobach­ten und meine Pflicht nach bestem Wissen und Gewissen erfüllen werde.“

Am 22. Jänner 2020 setzte der Nationalrat den Untersuchungsausschuss betreffend mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung (Ibiza-Untersuchungsaus­schuss) ein. Mit grundsätzlichem Beweisbeschluss vom selben Tag wurde der Bundes­minister für Finanzen aufgefordert, dem Untersuchungsausschuss alle seine Akten und Unterlagen im Umfang des Untersuchungsgegenstandes vorzulegen.

Infolge des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 3. März 2020, UA1/2020, fasste der Geschäftsordnungsausschuss des Nationalrates am 9. März 2020 einen er­gänzenden grundsätzlichen Beweisbeschluss, mit der der Bundesminister für Finanzen erneut zur Vorlage aller seiner Akten und Unterlagen – nunmehr im vollen Umfang des Untersuchungsgegenstandes – verpflichtet wurde.

Art. 53 Abs. 3 B-VG lautet:

„Alle Organe des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände so­wie der sonstigen Selbstverwaltungskörper haben einem Untersuchungsausschuss auf Verlangen im Umfang des Gegenstandes der Untersuchung ihre Akten und Unterlagen vorzulegen (…)“

Der Bundesminister für Finanzen legte dem Ibiza-Untersuchungsausschuss zunächst eine Vielzahl von Akten und Unterlagen vor, deren Vollständigkeit vom Untersuchungs­ausschuss jedoch bezweifelt wurde.

So forderte der Untersuchungsausschuss den Bundesminister für Finanzen u.a. am 30. September 2020 sowie am 11. November 2020 mittels ergänzender Beweisanfor­derung auf, ihm weitere Akten und Unterlagen vorzulegen.

Der Bundesminister für Finanzen verweigerte in beiden Fällen die Vorlage.

Am 13. Jänner 2021 setzte der Untersuchungsausschuss dem Bundesminister für Finan­zen eine zweiwöchige Frist, um seinen verfassungsgesetzlichen Verpflichtungen gegen­über dem Untersuchungsausschuss nachzukommen.

Auch diese Nachfrist ließ der Bundesminister für Finanzen verstreichen, ohne weitere Akten und Unterlagen vorzulegen.

Am 11. Februar 2021 stellte ein Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses beim Verfassungsgerichtshof den Antrag, dass dieser aussprechen möge, dass der Bun­desminister für Finanzen zur Vorlage der vom Untersuchungsausschuss begehrten Ak­ten und Unterlagen verpflichtet ist.

Am selben Tag fand eine von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ange­ordnete und gerichtlich genehmigte Hausdurchsuchung bei Mag. Gernot Blümel statt, da dieser als Beschuldigter im sogenannten Casinos-Verfahren im Verdacht steht, zur Be­stechung von Amtsträgern – im Konkreten des damaligen Bundesministers Kurz – durch Vertreter der Novomatic AG beigetragen zu haben.

Am 3. März 2021 entschied der Verfassungsgerichtshof:

„Der Bundesminister für Finanzen ist verpflichtet, dem Ibiza-Untersuchungsausschuss die E-Mail-Postfächer sowie lokal oder serverseitig gespeicherten Dateien der Bediens­teten der Abteilung I/5 E.G., A.M. und G.B. sowie von Bediensteten des Bundesministe­riums für Finanzen empfangene E-Mails von T.S., E.H.-S., M.K., B.P. und M.L. aus dem Untersuchungszeitraum vorzulegen.“

Der Bundesminister für Finanzen kam diesem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes nicht nach.

Auf Grund der fortgesetzten Weigerung des Bundesministers für Finanzen, dem Unter­suchungsausschuss die ihm zustehenden Akten und Unterlagen vorzulegen, regte ein Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses am 22. März 2021 beim Verfas­sungsgerichtshof die Exekution des genannten Erkenntnisses durch den Bundespräsi­denten gemäß Art. 146 Abs. 2 B-VG an.

Am 5. Mai 2021 beantragte der Verfassungsgerichtshof beim Bundespräsidenten schluss­endlich gemäß Art. 146 Abs. 2 B-VG die Exekution seines Erkenntnisses. Dies stellt eine historisch bislang einzigartige Situation dar.

Der Bundesminister für Finanzen hat durch seine fortgesetzte Weigerung, dem Ibiza-Untersuchungsausschuss die ihm zustehenden Akten und Unterlagen vorzulegen, ge­gen seine Verpflichtung gemäß Art. 53 Abs. 3 B-VG in rechtswidriger Weise und schuld­haft verstoßen. Da es sich bei der zitierten Bestimmung um eine Verfassungsbestim­mung handelt, wiegt der Verstoß besonders schwer.

Der Bundesminister für Finanzen wird vom Nationalrat außerdem verdächtigt, seine Be­fugnisse wissentlich missbraucht zu haben, um den Nationalrat in seinem konkreten Recht auf richtige und vollständige Information sowie Nachvollziehbarkeit und Überprüf­barkeit gesetzter Behördenakte zu schädigen. Auf Grund der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ist die Verletzung dieses Rechts des Nationalrates geeignet, bei Vorliegen auch der sonstigen Voraussetzungen den Straftatbestand des Amtsmiss­brauchs zu erfüllen. Eine entsprechende Sachverhaltsdarstellung wurde am 26. März 2021 an die Staatsanwaltschaft Wien übermittelt.

Auf Grund der vorliegenden Rechtsverletzungen stellen die unterfertigten Abgeordneten den folgenden

Antrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Nationalrat erhebt gegen Bundesminister Mag. Gernot Blümel Anklage gemäß Art. 142 und 143 B-VG und legt ihm folgendes zur Last:

Bundesminister Mag. Gernot Blümel hat

1)         durch fortgesetzte Verweigerung der Vorlage von Akten und Unterlagen an den Ibiza-Untersuchungsausschuss vorsätzlich gegen seine Verpflichtung gemäß Art. 53 Abs. 3 B-VG iVm § 27 Abs. 1 VO UA zur unverzüglichen Vorlage von    Akten und Unterlagen im Umfang des Untersuchungsgegenstandes an den Ibiza- Untersuchungsausschuss verstoßen;

2)         als Bundesminister mit dem Vorsatz, den Nationalrat der Republik Österreich in seinem konkreten Recht auf richtige und vollständige Information sowie Nachvoll­     ziehbarkeit und Überprüfbarkeit gesetzter Behördenakte zu schädigen, seine Be­         fugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze    Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbraucht, indem er entweder ande­ re dazu bestimmte, dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 3.3.2021            zu UA1/2021 nicht oder erst zu späterem Zeitpunkt nachzukommen, oder es trotz         seiner Pflichten als oberstes Organ, dem auch die Aufsicht über die Bediensteten         des Bundesministeriums für Finanzen übertragen ist, unterließ, das unverzüg­         liche Zustandekommen der Aktenlieferung an den Ibiza-Untersuchungsausschuss,          zu der er auf Grund des genannten Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes          verpflichtet war, zu bewirken (§ 302 Abs. 1 StGB).

Unter Anwendung des Art 142 Abs. 4 B-VG ist Bundesminister Mag. Gernot Blümel sei­nes Amtes als Bundesminister für Finanzen mit sofortiger Wirkung zu entheben.

Gemäß Art. 143 B-VG wird außerdem beantragt, dass die strafrechtlichen Ermittlungen wegen Verstoßes gegen § 302 Abs. 1 StGB (Amtsmissbrauch) gegen Mag. Gernot Blü­mel auf den Verfassungsgerichtshof übergehen und dieser die Bestimmungen des Ers­ten, Dritten, Vierten und Achten Abschnitts des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbu­ches anwendet.

Folgender Schriftsatz wird beantragt:

„An den

VERFASSUNGSGERICHTSHOF

Freyung 8

1010 Wien

Ankläger:        Nationalrat

                        Dr.-Karl-Renner-Ring 3

                        1017 Wien

vertreten durch: Abg.z.NR Jan Krainer

                        gemäß § 72 Abs. 2 VfGG

Angeklagter:   Mag. Gernot Blümel

                        Bundesminister für Finanzen

                        Johannesgasse 5

                        1010 Wien

wegen:            Verstoß gegen Art. 53 Abs. 3 B-VG iVm § 27 Abs. 1 VO-UA sowie § 302 Abs. 1 StGB

ANKLAGE

gemäß Artikel 142 und 143 B-VG

Schriftsatz und 1 Beilage 2-fach

Der Nationalrat erhebt gegen Bundesminister Mag. Gernot Blümel

ANKLAGE

gemäß Art. 142 und 143 B-VG und legt ihm folgendes zur Last:

Der Angeklagte hat gegen die Bestimmungen des Art. 53 Abs. 3 B VG iVm § 27 Abs. 1 VO-UA sowie § 302 Abs. 1 StGB rechtswidrig und schuldhaft verstoßen.

Bundesminister Mag. Gernot Blümel hat dadurch schuldhafte Rechtsverletzungen ge­mäß Art. 142 Abs. 1 und Art. 143 B-VG begangen.

Unter Anwendung des Art. 142 Abs. 4 B-VG ist Bundesminister Mag. Gernot Blümel sei­nes Amtes als Bundesminister für Finanzen mit sofortiger Wirkung zu entheben.

Dem beigelegten beglaubigten Protokoll zu entnehmenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art 76 Abs. 2 B-VG wurde die Erhebung der gegenständlichen Anklage gemäß Art. 142 und 143 B-VG beschlossen und der umseits ausgewiesene Vertreter gemäß § 72 Abs. 2 VfGG bestellt.

Es werden sohin folgende

ANTRÄGE

gestellt:

Der Verfassungsgerichtshof möge

1.         gemäß §§ 19 und 75ff VfGG nach Abschluss der Voruntersuchung gemäß § 74 VfGG eine mündliche Verhandlung anordnen;

2.         gemäß Art. 143 B-VG die Bestimmungen des Ersten, Dritten, Vierten und Achten           Abschnitts des Allgemeinen Teils des StGB sowie § 302 StGB für anwendbar           erklären;

3.         gemäß Art. 142 Abs. 1 iVm 4 B-VG und Art. 143 feststellen, dass Mag. Gernot   Blümel gegen die Bestimmungen des Art. 53 Abs. 3 B VG iVm § 27 Abs. 1 VO-       UA sowie § 302 Abs. 1 StGB rechtswidrig und schuldhaft verstoßen hat;

4.         gemäß Art. 142 Abs. 4 B-VG Mag. Gernot Blümel seines Amtes als Bundesminis­           ter für Finanzen mit sofortiger Wirkung entheben;

5.         Mag. Gernot BLÜMEL auf Grund des Verstoßes gegen § 302 Abs. 1 StGB zu     einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis fünf Jahren verurteilen.

Begründung:

I.          Sachverhalt

Auf Grund eines zu UA1/2021 protokollierten Antrags gemäß Art. 138b Abs. 1 Z 4 B VG eines Viertels der Mitglieder des Untersuchungsausschusses betreffend die mutmaß­liche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung (Ibiza-Untersuchungsausschuss) hat der Verfassungsgerichtshof am 3. März 2021 entschieden:

„Der Bundesminister für Finanzen ist verpflichtet, dem Ibiza-Untersuchungsausschuss die E-Mail-Postfächer sowie lokal oder serverseitig gespeicherten Dateien der Bediens­teten der Abteilung I/5 E.G., A.M. und G.B. sowie von Bediensteten des Bundesministe­riums für Finanzen empfangene E-Mails von T.S., E.H.-S., M.K., B.P. und M.L. aus dem Untersuchungszeitraum vorzulegen.“

Das Erkenntnis wurde am 4. März 2021 zugestellt. Der Bundesminister für Finanzen Mag. Gernot Blümel (in weiterer Folge: „Angeklagter“) ist somit verpflichtet, dem Unter­suchungsausschuss über die bereits erfolgten Lieferungen hinaus weitere 2.018 elektro­nische E-Mails und Dateien sowie 5.785 weitere E-Mails vorzulegen. Dabei handelt es sich um jene E-Mails und Dateien, die der Angeklagte bereits dem Verfassungsgerichts­hof im Verfahren UA1/2021 zur Überprüfung vorgelegt hat.

Der Angeklagte ist seiner Verpflichtung auf Grund des genannten Erkenntnisses zur Vor­lage der derart genau bezeichneten Akten und Unterlagen bis zum heutigen Tag nicht nachgekommen. Auf mündliche Nachfrage der Parlamentsdirektion eine Woche nach Zustellung des Erkenntnisses wurde durch die zuständige Verbindungsbeamtin im Bun­desministerium für Finanzen angegeben, dass kein Termin für eine Vorlage in Aussicht genommen sei. Gründe für die Verweigerung der Aktenvorlage wurden nicht genannt.

Mit E-Mail vom 19. März 2021 des Präsidenten der Finanzprokuratur, den der Angeklag­te bevollmächtigt hat, an den Verfahrensrichter des Ibiza-Untersuchungsausschusses wurde um einen Gesprächstermin ersucht und mehrere Fragen aufgeworfen bzw. der Untersuchungsausschuss zur Mitwirkung aufgefordert.

Aus dem Schreiben des Präsidenten der Finanzprokuratur ergibt sich, dass der Ange­klagte dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshof nicht unverzüglich und vollständig entsprechen wird. Ansonsten müssten die entsprechenden Akten und Unterlagen nicht erst „aufgefunden“ und die entsprechenden Speichermedien „durchsucht“ werden, ob­wohl der Umfang der erforderlichen Aktenvorlage auf Grund der vom Angeklagten an den Verfassungsgerichtshof überlieferten Akten und Unterlagen bereits feststeht. Die in der E-Mail des Präsidenten der Finanzprokuratur aufgeworfenen Fragen waren zudem bereits im Verfahren UA1/2021 streitgegenständlich; die Frage der (potentiellen) ab­strakten Relevanz der von der Meinungsverschiedenheit erfassten Akten und Unterla­gen ist durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes abschließend geklärt. Die fortgesetzte Verweigerung der Aktenvorlage durch den Angeklagten wird durch das E-Mail somit offenkundig.

Gemäß § 27 Abs. 1 VO-UA haben u.a. Organe des Bundes Beweisbeschlüssen gemäß § 24 leg.cit. und ergänzenden Beweisanforderungen gemäß § 25 leg.cit. unverzüglich zu entsprechen. Der Verfassungsgerichtshof hat gemäß § 56f Abs. 3 VfGG ohne unnöti­gen Aufschub zu entscheiden. Auf Grund der befristeten Tätigkeit eines Untersuchungs­ausschusses (vgl. § 53 VO-UA) haben Aktenvorlagen an den Untersuchungsausschuss in Fällen, in denen eine Nachprüfung der Verweigerung der Aktenvorlage durch ein Or­gan des Bundes bereits durch den Verfassungsgerichtshof erfolgte, gleichermaßen un­verzüglich zu erfolgen. Außerdem trifft alle Organe des Bundes die Pflicht zur unverzüg­lichen Herstellung eines rechtskonformen Zustandes.

Der Angeklagte ist seit 7. Jänner 2020 Bundesminister für Finanzen. Er ist gleichzeitig Beschuldigter im Verfahren der WKStA zu 17 St 5/19d, wo ihm u.a. Handlungen vorge­worfen werden, die in Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand des Ibiza-Untersuchungsausschusses stehen. Bereits bei seiner Vernehmung als Auskunftsper­son im Ibiza-Untersuchungsausschuss zeigte sich der Angeklagte unkooperativ. Er wur­de außerdem wegen möglicher falscher Beweisaussage vor dem Untersuchungsaus­schuss gemäß § 288 StGB angezeigt. Diese Umstände deuten bereits auf den erforder­lichen Vorsatz für den Befugnismissbrauch hin. Schließlich würden zusätzliche Belege über Interventionen Blümels zu Gunsten von ÖVP-SpenderInnen den politischen Druck auf ihn wesentlich erhöhen.

Der OGH hat bereits in 14 Os 125/92 entschieden, dass zu den durch § 302 StGB ge­schützten konkreten öffentlichen Rechten jedenfalls auch das gesamte, dem Nationalrat zur rechtlichen Kontrolle der Vollziehung verfassungsgesetzlich garantierte Maßnah­menspektrum nach Art. 74, 76, 142, 143 B-VG zählt. Dies umfasst laut OGH auch die Kontrollmittel gemäß Art. 52 und 53 B VG, die dem genannten Maßnahmenspektrum vorgelagert sind. Die Unterdrückung von Akten und Unterlagen, die vom Umfang des Untersuchungsgegenstandes erfasst sind, schädigt das konkrete, aus Art. 53 B-VG ab­leitbare Interesse des Nationalrates an wahrheitsgetreuer und vollständiger Information im Umfang des Untersuchungsgegenstands.

Der Angeklagte wusste auf Grund der vorangegangenen Auseinandersetzungen rund um die Aktenvorlage an den Untersuchungsausschuss, dass ihn als Organ des Bundes eine Pflicht zur Vorlage aller Akten und Unterlagen trifft, die von (potentiell) abstrakter Relevanz für den Untersuchungsgegenstand sein könnten. Ab der Zustellung des Er­kenntnisses des VfGH konnte er sich nicht mehr auf eine vertretbare, anderslautende Rechtsposition in Hinblick auf die verfahrensrelevanten Akten berufen. Spätestens seit dem Einsetzen der medialen Diskussion über eine mögliche Exekution des VfGH-Er­kenntnisses durch den Bundespräsidenten musste er um seine Verpflichtung zur Her­stellung eines rechtskonformen Zustandes wissen. Anderenfalls hätte der Angeklagte in seiner Funktion als Bundesminister für Finanzen nicht den Präsidenten der Finanzproku­ratur beauftragen können, mit dem Untersuchungsausschuss Kontakt aufzunehmen.

Wie bereits ausgeführt ist aus dem Schreiben des Präsidenten der Finanzprokuratur je­doch ersichtlich, dass der Angeklagte gerade nicht den Auftrag erteilt hat, dem Erkennt­nis des VfGH unverzüglich nachzukommen, obwohl der Umfang der Verpflichtung be­reits durch das vorangegangene Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof abschlie­ßend geklärt war. Im Gegenteil belegt die Beauftragung der Finanzprokuratur, dass dem Untersuchungsausschuss Akten und Unterlagen gänzlich vorenthalten oder zumindest deren Vorlage möglichst verzögert werden sollten.

Im Vorverfahren gemäß § 74 VfGG ist festzustellen, ob der Angeklagte andere dazu bestimmte, wissentlich ihre Pflichten zu verletzen; oder ob er es trotz seiner sich aus seiner Stellung im Bundesministerium für Finanzen ergebenden Garantenstellung für das Zustandekommen der Aktenvorlage unterlassen hat, Bedienstete des Bundesminis­teriums für Finanzen im Wissen um die ihn auf Grund des Erkenntnisses des Verfas­sungsgerichtshofes treffende Verpflichtung anzuweisen, die Aktenvorlage an den Unter­suchungsausschuss unverzüglich vorzunehmen (vgl. schon OGH 13.6.1990, 13 Os 5/90).

II.         Rechtliche Beurteilung

Art. 53 Abs. 3 B-VG verpflichtet u.a. Organe des Bundes, einem Untersuchungsaus­schuss alle ihre Akten und Unterlagen im Umfang des Untersuchungsgegenstandes vorzulegen. § 27 Abs. 1 der Anlage 1 zum Geschäftsordnungsgesetz „Verfahrensord­nung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse“ konkretisiert Art. 53 Abs. 3 B-VG dahingehend, dass diese Vorlage unverzüglich zu erfolgen hat.

Die einzigen Ausnahmen von der Vorlagepflicht enthält Art. 53 B-VG selbst. Keiner die­ser Ausnahmegründe ist im vorliegenden Fall einschlägig.

Der Verfassungsgerichtshof hat aus Art. 53 Abs. 3 B-VG iVm den Bestimmungen der VO-UA und des VfGG außerdem eine Behauptungs- und Begründungspflicht des vorla­gepflichtigen Organs bei Verweigerung der Aktenvorlage abgeleitet. Die Verletzung die­ser Begründungspflicht lag dem Erkenntnis des VfGH vom 3. März 2021 zu UA1/2021 zu Grunde, welches vom Angeklagten missachtet wurde.

Spätestens ab dem Zeitpunkt, an dem eine ansonsten strittige Vorlagepflicht durch den Verfassungsgerichtshof entschieden wurde, besteht kein rechtlich zulässiger Grund mehr, dem Untersuchungsausschuss die vom Erkenntnis umfassten Akten und Unterla­gen zu verweigern.

Die fortgesetzte Verweigerung der Aktenvorlage durch den Angeklagten ist somit offen­kundig rechtswidrig.

In Hinblick auf § 302 Abs. 1 StGB ist erforderlich, dass der Angeklagte als Beamter (§ 74 Abs. 1 Z 4 StGB) seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ Amtsgeschäf­te vorzunehmen, wissentlich missbraucht.

Im vorliegenden Fall wird der Angeklagte beschuldigt, im März und April 2021 in Wien als vorlagepflichtiges Organ im Sinne des Art. 53 Abs. 3 B VG, sohin als Beamter (§ 74 Abs. 1 Z 4 StGB), mit dem Vorsatz, den Nationalrat der Republik Österreich in seinem konkreten Recht auf richtige und vollständige Information sowie Nachvollziehbarkeit und Überprüfbarkeit gesetzter Behördenakte zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wis­sentlich missbrauchte, indem er entweder andere dazu bestimmte, dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 3.3.2021 zu UA1/2021 nicht oder erst zu späterem Zeit­punkt nachzukommen, oder es trotz seiner Pflichten als oberstes Organ, dem auch die Aufsicht über die Bediensteten des Bundesministeriums für Finanzen übertragen ist, un­terließ, das unverzügliche Zustandekommen der Aktenlieferung an den Ibiza-Untersu­chungsausschuss, zu der er auf Grund des genannten Erkenntnisses des Verfassungs­gerichtshofes verpflichtet war, zu bewirken;

III. Zur Zuständigkeit

Gemäß Art 142 Abs. 1 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Anklage, mit der die Verantwortlichkeit der obersten Bundes- und Landesorgane für die durch ihre Amtstätigkeit erfolgten schuldhaften Rechtsverletzungen geltend gemacht wird.

Gemäß Art. 142 Abs. 2 lit b B-VG kann Anklage gegen die Mitglieder der Bundesregie­rung durch Beschluss des Nationalrates erhoben werden.

Gemäß Art. 142 Abs. 4 B-VG hat das verurteilende Erkenntnis des Verfassungsgerichts­hofes auch den Amtsverlust auszusprechen.

Gemäß Art. 143 kann eine Anklage gegen die in Art. 142 Genannten auch wegen straf­gerichtlich zu verfolgender Handlungen erhoben werden, die mit der Amtstätigkeit des Angeklagten in Verbindung stehen.

Die Zuständigkeitsbereiche der obersten Staatsorgane sind in der Bundesverfassung erschöpfend geregelt (VfSlg. 1454/1932). Bezüglich der Bundesregierung trifft Art. 69 Abs. 1 B-VG die Anordnung, dass mit den obersten Verwaltungsgeschäften des Bundes, soweit diese nicht dem Bundespräsidenten übertragen sind, der Bundeskanzler, der Vi­zekanzler und die übrigen Bundesminister betraut sind. Der den Mitgliedern der Bundes­regierung übertragene Wirkungsbereich umfasst somit ausschließlich Akte der staatli­chen Verwaltung. Unter dem Begriff "Amtstätigkeit" der Mitglieder der Bundesregierung kann daher nur die Besorgung der Geschäfte der obersten Bundesverwaltung verstan­den werden.

Zum Begriff der Geschäfte der obersten Bundesverwaltung, die durch die Mitglieder der Bundesregierung zu besorgen sind, ergibt sich aus § 2 Abs. 3 Bundesministerienge­setz 1986, dass darunter Regierungsakte, Angelegenheiten der behördlichen Verwal­tung oder der Verwaltung des Bundes als Träger von Privatrechten zu verstehen sind.

Demnach zählen zu den Geschäften der obersten Bundesverwaltung sämtliche nicht der Gerichtsbarkeit zuzuzählende Vollzugsakte, die durch die Bundesverfassung oder durch die einfache Gesetzgebung nicht anderen Organen, seien es oberste oder nachgeordne­te, zur Besorgung zugewiesen sind.

Voraussetzung einer Anklage vor dem Verfassungsgerichtshof ist ferner eine schuld­hafte Rechtsverletzung durch den betreffenden Organwalter. Damit wird jede Form der Schuld, also Vorsatz, grobe und auch leichte Fahrlässigkeit, erfasst. Bei Mitgliedern der Bundesregierung und diesen gleichgestellten Organwaltern muss es sich um Gesetzes­verletzungen handeln, die der betreffende Organwalter durch seine Amtstätigkeit began­gen hat.

Die Vorlage von Akten und Unterlagen an einen Untersuchungsausschuss des National­rats gemäß Art. 53 Abs. 3 B-VG stellt zweifellos eine Amtstätigkeit dar.

Dem beigelegten beglaubigten Protokoll zu entnehmenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 76 Abs. 2 B-VG wurde die Erhebung der gegenständlichen Anklage gemäß Art. 142 B-VG beschlossen und der umseits ausgewiesene Vertreter gemäß § 72 Abs. 2 VfGG bestellt.

IV. Zum Verschulden

Der Angeklagte handelte bei der durch seine Amtstätigkeit erfolgten Rechtsverletzungen ohne Zweifel schuldhaft iSd Art. 142 Abs. 1 B-VG. Aus dem Sachverhalt ergibt sich klar, dass der Beschuldigte mehrfach u.a. schriftlich als auch während seiner Befragungen im Ibiza-Untersuchungsausschuss auf seine Verpflichtung zur Vorlage von Akten und Unterlagen gemäß Art. 53 Abs. 3 B-VG hingewiesen wurde. Der Angeklagte musste aus diesem Grund den Eintritt einer Verletzung der Rechte des Nationalrates zumindest ernstlich für möglich halten und hat sich dennoch damit abgefunden („bedingter Vor­satz“).

V. Zur Strafe

Die Sanktion der Enthebung des Amtes ist in Art. 142 B-VG ausdrücklich als Folge eines Schuldspruches vorgesehen.

Der Strafrahmen des § 302 Abs. 1 StGB ist durch diese Bestimmung selbst vorgegeben.“

Daher stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Dem Bundesminister für Finanzen wird gemäß Art. 74 Abs. 1 B-VG durch ausdrückliche Entschließung des Nationalrates das Vertrauen versagt.“

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht und ausreichend unterstützt, er steht somit mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Prammer. – Bitte sehr.