14.59
Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich hoffe, Herr Kollege Engelberg, ich erfülle jetzt Ihre Kriterien der Eleganz und des Respekts. Ich habe es fest vor.
Ich habe im U-Ausschuss die Vernehmung des Herrn Bundeskanzlers live mitverfolgt, ich bin 4 Stunden drinnen gesessen. (Abg. Steinacker: Vernehmung! Vernehmung! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Der strahlende Prinz kam herein, freundlich, bereit aufzuklären, Auskunft zu geben. (Anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Sie müssen die Maske abnehmen, ich kann nichts verstehen, Gott sei Dank! (Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.)
Der vielbeschäftigte Bundeskanzler nahm sich Zeit, er wollte sich erinnern, er konnte sich erinnern; in der Befragung dazwischen gespielte Empörung – gut gemacht –, allerdings dann ein Stolperer: Es kam der Punkt Bestellung von Thomas Schmid zum Öbag-Vorstand. Jeder weiß, wie es war: Ihr zwei (mit den Zeigefingern nach rechts und links in Richtung Bundeskanzler Kurz und Bundesminister Blümel weisend) habt es euch ausgemacht.
Es geht um die drei mächtigsten Positionen im Land – Bundeskanzler, Finanzminister, Öbag-Chef, der die staatlichen Beteiligungen, sozusagen den Goldschatz ganz Österreichs, innehat –, alle in ÖVP-Hand: Klar, Wahlsieger, bei den Koalitionsverhandlungen gut verhandelt. (Heiterkeit bei der FPÖ.)
Statt dazu zu stehen und zu sagen: Ja, ich kenne Thomas Schmid gut, ich weiß um seine Qualitäten und um seine Qualifikation, daher habe ich es unterstützt!, ein Gerede von: Ich wurde am Rande informiert – ich war eingebunden, heißt das jetzt –, ich habe, irgendwo in cc, als Bundeskanzler nichts entschieden. Es wird von einer Ausschreibung erzählt, dem Verfahren, das da eingehalten wurde; der Finanzminister, der Aufsichtsrat haben das bestimmt.
Jedem, bis zu den Journalisten, war klar, dass das so nicht war. Der Finanzminister hat da gar nichts mitzureden gehabt, der Aufsichtsrat auch nicht. Das alles war auch vor diesen Chats – aus denen ich nicht zitiere, weil ich es tatsächlich auch nicht in Ordnung finde, dass die alle in der Öffentlichkeit sind – schon klar.
Das Hearing und die Entscheidung, dass Thomas Schmid Öbag-Chef wird, ist bei Ihnen gefallen. Sie haben es abgenommen und Sie haben sich dafür entschieden. Anstatt dazu zu stehen, ein Herumgerede, und das ist, was Sie übertreiben, was Sie bei all Ihrer glanzvollen Performance etwas übersehen: dieses Zu-dick-Auftragen, dieser weiße Ritter, dieser neue Stil ohne alte Seilschaften – dafür mit ganz neuen –, der Turbokanzler, der Weltmeister, der Herr der sieben Meere, es gibt überhaupt keine Steigerung mehr.
Da ist die Fallhöhe dann natürlich groß, das kann man nicht durchhalten, wir sind da ein bisschen bei der Hybris. Und wenn Sie sagen: kein Anpatzen. Sie lassen es halt elegant durch die zweite und dritte Reihe machen. Das finde ich jetzt auch nicht sehr viel besser.
Nach Bekanntwerden der laufenden Ermittlungen in der vergangenen Woche: Offensive, Medien müssen her, das Kleinformat muss her! Wir stehen alle noch im Banne des dreiseitigen Interviews von gestern im Kleinformat. Ich habe mich gefragt: Warum nicht fünf, warum nicht sieben Seiten? Ich meine, bei der Förderung wäre das schon drinnen gewesen.
Sie spielen die emotionale Seite: Ich arbeite fast rund um die Uhr als Hauptverantwortlicher für die Bewältigung der Krise! – Ich habe schon geglaubt, als Hauptverantwortlicher für die Krise, das würde es eher treffen. Und weiter: Während mein Team und ich die Pandemie besiegen! – Eine bescheidene Aussage. Ich würde sagen, es ist eher der Mai, der da jetzt alles neu macht, der hat es nämlich so an sich, dass da die Infektionskrankheiten verschwinden. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.)
Und wie immer: Wenn man ein bisschen mit dem Rücken zur Wand steht – das empfehle ich Klienten dann auch gerne –, wird die Mutter ausgepackt, die extrem traurig und besorgt sei. Bei allem Respekt, wirklich, aber Sie schicken Hunderttausende Mütter in die extreme Traurigkeit und Besorgnis, mich inklusive, was jetzt Ihre Politik der letzten 15 Monate betrifft.
Im Interview weiter natürlich dann das Selbstbewusstsein, das Gottvertrauen des Unschuldigen: Ich kann mir nicht vorstellen, dass man in einem Land wie Österreich für etwas, was man nicht getan hat, verurteilt wird! – Sie haben überhaupt keine Ahnung Herr Bundeskanzler, für was alles man seit 15 Monaten in Österreich verurteilt wird: fürs Händegeben, für nicht 2 Meter Abstandhalten zum besten Freund, wenn man nicht nachweist, dass man mit ihm zusammenwohnt, fürs Müllhinaustragen, alles als Gesunder und völlig Unbescholtener, und nicht nur Geldstrafen unbedingt, sondern sogar Haftstrafen.
Das ist Ihre Schuld und die jedes Mitglieds der Bundesregierung, das hier sitzt oder abwesend ist und diese Politik mitträgt. Ich wäre mir nicht so sicher, ob Sie, wenn man neuerdings schon für solche Dinge verurteilt wird, nicht vielleicht doch auch Probleme mit der Justiz bekommen.
Das ist nicht meine Angelegenheit, vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand. Gottes Hand ist oft schon sehr launisch, aber wenn jetzt der grüne Koalitionspartner, von Vizekanzler Kogler abwärts, Ihnen versichert, dass die Grünen die Unabhängigkeit der Justiz garantieren und dass der Staatsanwalt gegen den Kanzler ja überhaupt nur ermitteln kann, weil die Grünen die Justizministerin stellen, dann würde ich fürchten, dass Sie sich nicht nur in Gottes Hand befinden, sondern dass das ein Himmelfahrtskommando ist. (Bundeskanzler Kurz nickt mehrmals. – Heiterkeit bei der FPÖ. – Zwischenruf bei der SPÖ.) Übrigens, Chorherr lässt grüßen, wann tut sich da etwas bei diesem Riesenkorruptionsfall in Wien?
Ich gratuliere Ihnen auch noch nachträglich zur Partnerwahl bei der Entscheidung Ende 2019 (Heiterkeit der Rednerin), dass Sie sich da die Grünen ins Boot geholt haben. (Heiterkeit auf der Regierungsbank.) Wissen Sie, Manches kommt wie ein Bumerang zurück. (Beifall bei der FPÖ.)
Ich möchte jetzt noch einen Antrag einbringen:
Misstrauensantrag
der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Versagen des Vertrauens gegenüber dem Bundeskanzler“
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Dem Bundeskanzler wird gemäß Art. 74 B‑VG durch ausdrückliche Entschließung des Nationalrats das Vertrauen versagt.“
*****
Der Misstrauensantrag ist wohlbegründet und nachvollziehbar, meine persönliche rote Linie ist aber eine ganz andere. Sie hat mit der Öbag, mit dem Finanzminister nichts zu tun: Alles würde ich Ihnen verzeihen, nur nicht die Coronapolitik. (Beifall bei der FPÖ.)
15.06
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Misstrauensantrag
Gem. § 26 iVm § 55 GOG-NR
der Abgeordneten KO Herbert Kickl, Dr. Susanne Fürst und weiterer Abgeordneter
betreffend Versagen des Vertrauens gegenüber dem Bundeskanzler
eingebracht im Zuge der Debatte über die Dringliche Anfrage des Abgeordneten Kai Jan Krainer und weiterer Abgeordneter betreffend „Österreich verdient Ehrlichkeit, Anstand und vollen Einsatz statt Korruptionsverdacht, Verfassungsbruch und Unwahrheiten“ in der 103. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 17. Mai 2021
1. STAATSPOLITISCHE VERANTWORTUNGSLOSIGKEIT DURCH FESTHALTEN AM BUNDESMINISTER FÜR FINANZEN GERNOT BLÜMEL
In einer jüngst eingebrachten Ministeranklage der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ), Herbert Kickl (FPÖ), Dr. Nikolaus Scherak (NEOS) und weiterer Abgeordneter wider den Bundesminister für Finanzen, Gernot Blümel (ÖVP), wird ausführlich erklärt, aufgrund welcher Verfehlungen Blümel für sein Amt nicht mehr tragbar ist.
Vor dem Hintergrund der zahlreichen Verfehlungen – gipfelnd in der bis zum Exekutionsantrag getriebenen Weigerung, den Auftrag des Verfassungsgerichtshofs zur umfassenden Lieferung von Akten an den Ibiza-Untersuchungsausschuss umzusetzen – hätte der Bundeskanzler den Finanzminister dem Bundespräsidenten selbst zur Entlassung vorschlagen müssen um weiteren Schaden von der Republik abzuwenden.
Die Ungleichbehandlung im Vergleich zur unsachgemäßen Entlassung des damaligen Bundesministers für Inneres, Herbert Kickl, im Jahr 2019 ist augenscheinlich auf das besondere Naheverhältnis von Bundeskanzler Kurz und Finanzminister Blümel zurückzuführen. Hinzu kommt, dass Kurz sich seit einigen Tagen selbst mit Blümel in einer „Schicksalsgemeinschaft“ zahlreicher strafbarer Handlungen beschuldigter höchster ÖVP-Repräsentanten befindet und daher jede Objektivität bei der Beurteilung des schädlichen Wirkens des Finanzministers auch für die Zukunft ausgeschlossen werden muss.
Es zeigt sich dadurch in Summe ein politisches Sittenbild, in dem staatspolitische Verantwortung nichts zählt.
2. BESCHULDIGTER WEGEN FALSCHAUSSAGEN VOR DEM UNTERSU CHUNGSAUSSCHUSS
Die türkis-grüne Bundesregierung von Bundeskanzler Sebastian Kurz gerät zunehmend in juristische Verstrickungen aufgrund eines fragwürdigen Verhältnisses zu den Institutionen des Rechtsstaates und dem korrekten und verfassungsgemäßen Umgang mit diesen. Das Onlinemedium zackzack.at veröffentlichte zuletzt unter der Überschrift „Der Kurz-Akt“ die erdrückende Beweissammlung der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft zu den Falschaussagen des Bundeskanzlers: https://bit.ly/3ybUpfv
In ihrer Beweissammlung wirft die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) Kanzler Sebastian Kurz vor, vor dem Ibiza-U-Ausschuss die Unwahrheit gesagt zu haben. Gemäß 58-seitigem Verständigungsschreiben an den beschuldigten Kanzler habe er behauptet, in Sachen Bestellung von Thomas Schmid zum Alleinvorstand der ÖBAG „nur informiert, aber nicht darüberhinausgehend eingebunden gewesen“ zu sein.
Ebenso habe er „Wahrnehmungen zur Besetzung des ÖBAG-Aufsichtsrats bestritten", obwohl er die faktische Entscheidung, welche Mitglieder von der ÖVP nominiert werden, tatsächlich selbst getroffen habe. Zudem geht es laut WKStA um eine Vereinbarung zwischen Schmid und einem Dritten zu „ÖIAG neu“ (ÖBAG, Anm.) und Aufsichtsreform. Kurz bestreitet die Vorwürfe und kritisiert die Befragungsweise der Mandatare an diesem 24. Juni 2020.
Ergebnis der Auswertungen der WKStA
Die Ermittler der WKStA stellen Kur‘ Aussagen im Untersuchungsausschuss den Chats gegenüber, die vor allem aus Thomas Schmids Handy stammen, das bei einer Hausdurchsuchung bzw. freiwilligen Nachschau bei ihm am 12. November 2019 sichergestellt wurde. Viele Daten waren gelöscht, wurden aber von IT-Experten wiederhergestellt.
Laut WKStA-Schreiben hat Kurz Schmid "bereits im Juni 2017 – vor der Nationalratswahl am 15. Oktober 2017 – den Auftrag erteilt, die Themen Digitalisierung und Beteiligungen zu bearbeiten, (...) und ihn dann in den Koalitionsverhandlungen mit den Verhandlungen des Themas Beteiligungen beauftragt".
In einer Unterhaltung Schmids mit Kurz am 16. November 2017 schrieb Schmid laut Chatprotokoll, dass die FPÖ-Vertreter "ÖBIB neu so (wollen, Anm.) wie wir sie wollen (...). Bei AR (Aufsichtsrat, Anm.) und Vorständen haben sie kein Thema, ÖVP rein zu lassen (...). Cooler Deal für ÖVP."
Am 20. November 2017 sandte Schmid Kurz ein Organigramm der ÖBIB/ÖBAG und schrieb:
Lieber Sebastian, das wäre ein von der FPÖ mitgetragener weg wie wir mit Beteiligungen umgehen könnten. Sie hätten noch gerne AWS (Austria Wirtschaftsservice, Anm.) und BIG (Bundesimmobiliengesellschaft, Anm.).
Zwei Tage später schrieb Schmid an Gernot Blümel: ÖIAG Gesetz neu habe ich für Sebastian fertig. Er will das bis morgen haben. Soll ich das dir geben? Er will es so wie es wir im BMF entworfen haben. (...)
Blümels Antwort: Ja gerne.
Am 15. Dezember bat Schmid Blümel um Hilfe: Du musst mir echt helfen, das neue Beteiligungsgesetz rasch umzusetzen! Das bist du mir echt schuldig!
Ende Juli 2018 sagte Kurz dem damaligen Generalsekretär im Finanzministerium einen persönlichen Termin u. a. zum Thema ÖBIB zu.
Schmid: Lieber Sebastian, könnten wir uns vor dem Herbst 30 min zu zweit, privat unterhalten. Würde gerne mit dir u¨ber ÖBIB (...) mit dir reden. Und vor allem über den Zeitplan.
Kurz: Lieber Thomas! Natürlich sehr gerne. Ich lasse Termin ausmachen. AL Sebastian
Für 22. August trugen beide einen Termin ein.
Als der Aufsichtsrat bereits konstituiert war (das geschah am 15. Februar 2019), gab es Dank des Kanzlers für Schmid, wie die WKStA schreibt. Kurz am 13. März 2019 an Schmid: Super danke vielmals!!!! Du Aufsichtsratssammler :).
Die Unterhaltung, die sich daraus entsponnen habe und die die WKStA in ihrem Schreiben an Kurz – unter vielen anderen – erwähnt, ging dann nach dem Dank an den „Aufsichtsratssammler“ so weiter: Das ist dort mein Hauptberuf – bitte mach mich nicht zu einem Vorstand ohne Mandate (...)
Kurz mit drei Küsschen: kriegst eh alles was du willst
Schmid: Ich bin so glücklich :-))) Ich liebe meinen Kanzler
Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000126629123/vorwurf-der-falschaussage-was-kurz-aussagte-und-was-in-den?ref=rec
In Summe ergibt sich aus den von der WKStA gesammelten Beweisen ein Bild, das die Frage, ob Bundeskanzler Sebastian Kurz falsch ausgesagt hat, umfassend mit Ja beantwortet. Fraglich ist nur noch, ob die Falschaussagen vorsätzlich gemacht wurden. Wenn ja, wäre eine Verurteilung die logische Folge. Wenn nein, dann muss man dem Bundeskanzler attestieren, von einer Befragung durch Abgeordnete des Nationalrats intellektuell überfordert zu sein, was ihn für die Führung der Geschäfte der Republik in schwierigen Zeiten wie diesen offensichtlich disqualifiziert.
Vor diesem Hintergrund stellen die unterfertigten Abgeordneten den folgenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Dem Bundeskanzler wird gemäß Art. 74 B-VG durch ausdrückliche Entschließung des Nationalrats das Vertrauen versagt.“
*****
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.
Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Stögmüller. – Bitte.