Abgeordnete Mag. Meri Disoski (Grüne): Guten Morgen, Frau Bundesministerin! Ein Thema, das wir heute in der Fragestunde noch nicht hatten, möchte ich gerne aufs Tapet bringen, nämlich den Kampf gegen Gewalt an Frauen, der uns hier im Parlament regel­mäßig beschäftigt, der mich als Frauensprecherin in meiner tagtäglichen politischen Ar­beit genauso beschäftigt wie auch Sie als Justizministerin.

Wir wissen, dass wir diesbezüglich in Österreich ein großes Problem haben: In keinem anderen Land europaweit werden so viele Frauen getötet wie in Österreich. Wir wissen auch, dass vergangene Regierungen dieses Problem nicht ernst genommen haben, da weggeschaut haben. Das hat sich unter anderem artikuliert in Budgets für Gewaltschutz und für Gewaltprävention, die zehn Jahre hindurch stagnierend waren, zuletzt sogar gekürzt worden sind. Diese Bundesregierung geht da einen anderen Weg, sowohl was die budgetäre Ausstattung von Gewaltschutz und Gewaltprävention als auch andere konkrete Maßnahmen angeht, die gesetzt worden sind, die von dieser Bundesregierung ressortübergreifend gesetzt worden sind, insbesondere auch von Ihnen und Ihrem Haus.

Können Sie uns sagen, welche Maßnahmen das Justizministerium im Vorjahr getroffen hat, um tatsächlich diesen Schutz vor Gewalt gegen Frauen und Mädchen und auch die Gewaltprävention zu stärken?

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Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 143/M, hat folgenden Wortlaut:

„Welche Maßnahmen hat das Justizministerium 2021 getroffen, um die Gewalt gegen Frauen und Mädchen zu bekämpfen?“

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: In allererster Linie ist es wichtig, dass wir diese Gewaltspirale durchbrechen. Da sind wir als Bundesregierung gefordert, weil das Gewaltthema ein ressortübergreifendes Thema ist. Wir müssen an unterschied­lichen Schrauben drehen, um endlich diese Gewaltspirale zu durchbrechen.

Wir haben letztes Jahr eines der größten Antigewaltbudgets für Gewaltschutzprojekte zur Verfügung gestellt – und auch heuer wieder. Wenn man sich den Justizbereich im Konkreten anschaut, so war es mir besonders wichtig, an zwei Schrauben zu drehen: zum einen beim Informationsfluss. Das, was ich in der Vergangenheit immer wieder gehört habe, ist, dass gerade die Informationen zwischen den Opferschutzeinrichtungen, den Staatsanwaltschaften und der Polizei nicht immer super fließen. Daher ist es wichtig, diesen Informationsfluss zu stärken, und wir haben die Staatsanwaltschaften in einem Erlass angehalten, die Fallkonferenzen stärker in Anspruch zu nehmen, weil man sehr wohl davon profitieren kann, wenn die Informationen zusammenlaufen.

Wir haben auch an einer zweiten Schraube zu drehen versucht, nämlich die Verurtei­lungsrate zu erhöhen. Gerade im Bereich der häuslichen Gewalt, wenn es um Körper­verletzungen geht, müssen wir sicherstellen, dass die Verurteilungsrate nicht so niedrig ist, denn wir wurden ja zu Recht dafür kritisiert. Daher habe ich in einem Erlass an die Staatsanwaltschaft festgelegt, dass die Qualität der Beweissicherung gesteigert wird, sprich: Gerade wenn häusliche Gewalt passiert, wenn so eine Gewaltauseinanderset­zung stattfindet, sollten sich die Staatsanwaltschaften überlegen, persönliche Einvernah­men zu machen, denn es ist ein anderer Eindruck, wenn man die Person selber ver­nimmt, als wenn man nur Protokolle liest.

In diesem Zusammenhang gibt es viele, viele kleine Maßnahmen, die man setzen muss. Ich habe auch einen strukturierten Dialog mit den Opferschutzeinrichtungen, den Staats­anwaltschaften und natürlich meinem Ressort ins Leben gerufen, damit wir immer wieder schauen, wie wir da Verbesserungen machen können.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Nachfrage? – Keine.

Dann stellt die nächste Zusatzfrage Frau Abgeordnete Schatz. – Bitte.

Abgeordnete Sabine Schatz (SPÖ): Guten Morgen, Frau Bundesministerin! Ich möchte zum Thema sexuelle Gewalt eine Frage stellen. Wir wissen, dass es in diesem Bereich eine sehr hohe Dunkelziffer gibt, das heißt, dass viele Frauen, die von sexuellen Ge­waltdelikten betroffen sind, diese gar nicht anzeigen, gleichzeitig gibt es da auch eine sehr niedrige Verurteilungsrate.

Meine Frage ist jetzt: Welche Maßnahmen werden Sie als Justizministerin setzen, um dem entgegenzuwirken und von sexueller Gewalt betroffene Frauen zu schützen?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: In erster Linie ist es wichtig, auf Schulungen zu setzen, sowohl im Rahmen der Ausbildung als auch dann später bei der Weiterbildung, dass die Richterinnen und Richter, aber auch die Staatsanwälte und Staatsanwältinnen in diesem Bereich sensibilisiert werden.

Wir haben in der Ausbildung derzeit ein Konzept, wonach angehende RichterInnen, StaatsanwältInnen eine Art Praktikum bei einer Opferschutzeinrichtung machen können. Das hat sich als sehr gut erwiesen, weil man dadurch auf die speziellen und spezifischen Bedürfnisse eingehen kann und sich mit gewissen Traumen und Ähnlichem auseinan­dersetzen kann. Ich werde in diesem Bereich natürlich weiterhin auf Schulungen setzen, gerade wenn es um sexualisierte Gewalt geht, denn das darf nicht verharmlost werden, daher müssen wir auch stärker im Sensibilisierungsbereich arbeiten.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Abgeordnete Ecker. – Bitte.

Abgeordnete Rosa Ecker, MBA (FPÖ): Frau Bundesminister! Ich schließe an die Frage meiner Vorrednerin an. Es gibt einen parteiübergreifenden Antrag vom März 2021, ge­gen weibliche Genitalverstümmelung vorzugehen und eine Statistik darüber zu erstellen. In Österreich betrifft das geschätzt 8 000 Frauen, Tendenz eher steigend. Im Strafrecht ist weibliche Genitalverstümmelung eindeutig geregelt, dennoch werden offenbar keine derartigen Fälle vor Gericht verhandelt.

Welche Maßnahmen setzen Sie als Bundesministerin, damit die Gewalttäter, die diese schreckliche Form von Gewalt gegen Mädchen und junge Frauen ausüben, auch gericht­lich zur Verantwortung gezogen werden?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Vielen Dank für diese wichtige Frage. Die Frauenministerin hat eine ganz große Initiative gestartet, um auf dieses Phä­nomen aufmerksam zu machen und es zu verhindern, aber, wie Sie richtig gesagt haben, bei der Prävention endet es ja nicht. Wenn es tatsächlich passiert, muss man dem auch nachgehen.

Ich habe bei meiner letzten Pressekonferenz zum Thema Gewalt gegen Frauen ange­kündigt, dass ich Gewaltambulanzen in jedem Bundesland ins Leben rufen möchte, weil gerade die Gewaltambulanzen diese Verletzungen beweissicher und gerichtssicher fest­stellen können, und das ist entscheidend. Diese Beweise sind entscheidend, wenn wir die Verurteilungsrate in diesem Zusammenhang erhöhen wollen.

Sie haben zu Recht angesprochen, es gibt die entsprechenden Gesetze dazu, aber die Einrichtung von Gewaltambulanzen möchte ich in diesem Zusammenhang forcieren. Bis Ende des Jahres wird eine Studie veröffentlicht werden, die uns ein Konzept vorlegt, wie wir so etwas aufbauen können. Es gibt großartige Beispiele aus anderen Ländern, und das möchte ich für Österreich auch.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Abgeordnete Brandstötter. – Bitte sehr.

Abgeordnete Henrike Brandstötter (NEOS): Guten Morgen, Frau Bundesministerin! Sie haben vor Kurzem, am 8. Februar, bei einer Pressekonferenz gemeinsam mit Frauenministerin Raab und Innenminister Karner von 26 Femiziden in Österreich im Jahr 2021 gesprochen. Medien, Vereine und NGOs listen aber bis zu 31 Femizide im letzten Jahr auf. Das heißt, wir sprechen von einer Zahl zwischen 26 und 31 Frauenmor­den, und fünf Frauenmorde mehr machen sehr wohl einen Unterschied.

Der Grund, warum diese Zahlen so unterschiedlich sind, ist, weil wir keine konkreten Daten haben, weil es von staatlicher Seite nicht systematisch erfasst wird. So eine Da­tengrundlage bildet aber natürlich dann auch die Basis für Handlungsableitungen. Daher lautet meine Frage: Was werden Sie tun und unternehmen, um hier in Zukunft auch Evidenz zu schaffen?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Sie sprechen eine Forderung der Istanbulkonvention an, dass man tatsächlich auch die Daten in diesem Zusammenhang besser umfasst und erfasst. Deswegen haben wir jetzt erstmals einheitlich eine Definition von Gewalt im sozialen Nahraum, weil wir so die Fälle, die im sozialen Nahraum auf­kommen, speziell kennzeichnen und dann später analysieren können.

Warum gerade Gewalt im sozialen Nahraum? – Weil wir wissen, dass, gerade wenn es um Femizide geht, Frauen sehr häufig von ihren Partnern ermordet wurden und von Personen, die ihnen nahegestanden sind; daher möchte ich da einen verbesserten Da­tensatz schaffen. Wir haben auch bereits 140 Fälle im staatsanwaltschaftlichen Bereich analysiert, um Erkenntnisse daraus zu ziehen, um für die Zukunft vorbereitet zu sein und einzelne Checklisten und einzelne Maßstäbe zu erarbeiten, die die Staatsanwaltschaft jetzt heranziehen kann. Wichtig ist aber, dass wir diese Forderung der Istanbulkon­vention umsetzen können und umsetzen konnten, nämlich diese Gewalt im sozialen Nahraum auch zu definieren.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordneter Shetty. – Bitte sehr.