15.16

Abgeordnete Nurten Yılmaz (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolle­ginnen und Kollegen! Wir debattieren über einen Initiativantrag der Regierungsparteien, mit dem das Innovationsstiftung-Bildung-Gesetz geändert werden soll. Das ist an und für sich eine gute Sache, aber liest man die Änderungen in dem Initiativantrag, dann wird klar, dass es dazu kommen wird, dass Förderungen nicht mehr ausgeschrieben werden; wenn Studien vergeben werden, werden sie nicht mehr ausgeschrieben.

Als gelernter Sozialdemokratin fällt mir dazu ein, dass wir in einem Untersuchungs­aus­schuss einige Erfahrungen mit ÖVP-geführten Ministerien gemacht haben, bei denen sich gezeigt hat, welche Studien da in Auftrag gegeben werden, wenn etwas nicht aus­geschrieben wird. Da schrillen die Glocken. Da haben wir Nein gesagt, denn bei einer Änderung, die zu mehr Intransparenz führt, können wir mit Sicherheit nicht mitgehen. (Beifall bei der SPÖ.) Wir werden diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen, denn das verbieten eigentlich unsere Erfahrungen. Eine neue Blackbox brauchen wir nicht, wirklich nicht – darum unsere Entscheidung, das nicht zu befürworten.

Herr Minister, meine Kollegin Vorderwinkler, unsere Bildungssprecherin, hat einige Bau­stellen in unserem Bildungswesen angerissen, die wirklich immer größer werden und durch die Pandemie auch noch größer geworden sind. Eine davon, die sie nicht genannt hat, sind die Deutschförderklassen. Wir haben diese Förderklassen seit 2018, und dazu gibt es seit 2019 die Mika-D-Prüfungen – das ist ein sperriges Wort, das heißt Mess­instrument zur Kompetenzanalyse – Deutsch. Wir wissen, wie die Kinder und Jugend­lichen in der Pandemie darunter gelitten haben: Bildung, Förderung und gerade Deutsch­förderkurse. Diese Kinder wurden nicht gefördert, es kam zu vielen Ausfällen durch die Eltern, durch die Kinder, durch die LehrerInnen. Schulleitungen schreiben uns immer wieder an und sagen: Bitte tut etwas, ich habe keine Leute, die diese Tests ausführen können! – Quarantäne, die Kinder sind nicht gefördert, manche sind krank.

Ich bitte Sie, diese Deutschförderklassen standen sowieso von Anfang an unter Kritik von allen Wissenschafterinnen und Wissenschaftern. Sie kommen aus der Wissen­schaft, aber weil Sie auf einem ÖVP-Ticket sitzen, werden Sie sich dessen auch nicht annehmen. (Zwischenruf des Abg. Gerstl.)

Darum ist es unser Wunsch, dass Sie diese Mika-Tests diesmal aussetzen und den Kindern einmal etwas ersparen. Die Vorschulkinder werden getestet, dann kriegen sie keine Förderung, und dann sollen sie noch einmal getestet werden. Diese Kinder wiederholen, wenn sie den Test nicht schaffen, die Klasse, sie verlieren zwei Lebens­jahre! Ja, zwei Jahre, Herr Minister, bis zu zwei Jahre; und wenn sie ihn dann noch immer nicht bestehen, kommen sie in den Regelbetrieb, sie haben aber schon zwei Jahre verloren. Da kommen dann Sechsjährige, sie sind aber schon acht Jahre alt.

Gut, ich bringe folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Nurten Yılmaz, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Aussetzen der MIKA-D-Tests“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung wird aufgefordert, in die­sem Jahr die MIKA-D-Testungen auszusetzen und in der Folge die prinzipielle Sinn­haftigkeit dieser Tests zu hinterfragen.“

*****

Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

15.21

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Nurten Yilmaz, Petra Vorderwinkler

Genossinnen und Genossen

betreffend Aussetzen der MIKA-D-Tests

eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 2330/A der Abgeordneten Mag. Dr. Maria Theresia Niss, MBA, Mag. Eva Blimlinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Inno­vationsstiftung-Bildung-Gesetz geändert wird (1371 d.B.) (TOP 16)

Seit 1. September 2018 werden außerordentliche Schüler*innen in so genannten Deutsch­förder-klassen separiert. Für die Feststellung des (außer-)ordentlichen Status und die Zuteilung in Deutschförderklassen oder Deutschförderkursen steht seit April 2019 mit MIKA-D (Messinstrument zur Kompetenzanalyse-Deutsch) ein Instrument für den flächen­deckenden Einsatz zur Verfügung, das verpflichtend in Verbindung mit der Schüler*in­neneinschreibung oder Testung von außerordentlichen Schüler/innen anzu­wenden ist.

Die angehenden Schüler*innen müssen diese Kompetenzüberprüfung für Deutsch po­sitiv absolvieren. Durch diesen punktuellen Test werden Kinder oft bereits im Vorschul­alter bewertet, für "unzureichend" befunden und aussortiert. Die Testungen werden von Expert*innen als methodisch nicht valide beurteilt, ein punktuelles Testverfahren ist für die tatsächliche Kompetenzerfassung nicht adäquat und die Testung für die Eltern der Kinder völlig intransparent. Die Deutschförderklassen und der dazugehörige Kompe­tenz­test sind daher Instrumente der Bildungsungerechtigkeit, die die Bildungsschere weiter auseinandertreiben.

Von Beginn an gab es daher vehemente Kritik aus Expert*innenkreisen sowohl an den Deutschförderklassen als auch an den Testungen. Die Wissenschaft sowie inter­nationale Studien sprechen sich deutlich für den integrativen Unterricht in der Bildungs­sprache aus. Entscheidend für das Erlernen von Deutsch als Zweitsprache ist neben dem Kontakt zu Kindern, die Deutsch als Erstsprache sprechen, ein guter Betreu­ungsschlüssel - beides ist in den Deutschförderklassen nicht gewährleistet. Die Aneig­nung der deutschen Sprache ist für den Bildungserfolg maßgeblich, aber der Schlüssel dafür ist nicht die Schaffung von Parallelstrukturen an Schulen mittels Deutschförder­klassen und die Ausgrenzung mehrsprachiger Kinder aus der Regelklasse.

Aufgrund zahlreicher pandemiebedingter Krankenstände und daraus resultierend feh­lendem bereits eingearbeiteten Testpersonal stellen die aktuell anstehenden Testungen eine Überforderung des Schulpersonals dar. Auch den Kindern gegenüber wäre es nach zwei durch die Pandemie geprägten Schuljahren oder sporadischem Kindergarten­besuch nicht fair, sie in eine Testung mit so weitreichenden Folgen zu schicken. Dass Kinder, die gerade dem Krieg in der Ukraine entronnen sind, ebenfalls dem Prüfungs­stress ausgesetzt werden sollen, ist abzulehnen. Hier braucht es flexible und individuelle Lösungen zum Wohle der Kinder an den einzelnen Schulstandorten. Aufgrund dieser Umstände gilt es, die MIKA-D Tests in diesem Jahr auszusetzen und die gewonnene Zeit zu nutzen, prinzipiell die Sinnhaftigkeit dieser zu hinterfragen.

Daher stellen die unterfertigten Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung wird aufgefordert, in die­sem Jahr die MIKA-D-Testungen auszusetzen und in der Folge die prinzipielle Sinn­haftigkeit dieser Tests zu hinterfragen.“

*****

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ist auch ausreichend unterstützt und steht somit mit in Verhandlung.

Wir kommen zur nächsten Wortmeldung: Frau Abgeordnete Niss. Sie ist schon da. – Bitte sehr.