18.11
Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Frau Präsidentin! Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Damen und Herren zu Hause! Ja, wieder ein erfreulicher Anlass: Wir haben hier Konsens in einer Gesetzesmaterie, die sehr wichtig ist. Ich glaube, es wurde aber inhaltlich noch nicht ausgeführt, was heute eigentlich beschlossen wird.
Seit Oktober 2019 können Nachkommen von NS-Opfern die österreichische Staatsbürgerschaft erwerben. Davor waren nur NS-Opfer selbst anspruchsberechtigt. In der jüngeren Vergangenheit zeigte sich, dass es immer wieder Probleme im Vollzug dieser Bestimmungen gab, und es fehlten auch Bestimmungen, wodurch viele Sachverhalte und Schicksale völlig unsachlich unberücksichtigt blieben. Deswegen war es sehr, sehr wichtig, das zu reparieren, und es freut mich sehr, dass hier alle Parteien konstruktiv an einer Lösung mitgearbeitet haben, dass wir das hier gemeinsam so schnell geschafft haben.
Wir können deswegen heute ein gemeinsames Zeichen setzen, eine überfällige Geste, auch anderen Gruppen gegenüber, die in diesem Gesetz mitbedacht werden sollten, nämlich auch NS-Opfern und deren Nachkommen, wenn die Opfer nicht nur geflohen sind, sondern ermordet wurden, in ihr Heimatland Österreich nicht zurückkehren konnten oder ins Ausland deportiert wurden oder auch Selbstmord begangen haben. Diese werden mit der heutigen Novelle in dieses Gesetz inkludiert.
Getrübt wird diese Novelle für uns NEOS in zwei Punkten. Der erste ist, dass man, während man ursprünglich ausdrücklich die Möglichkeit der Doppelstaatsbürgerschaft geschaffen hat, dies jetzt zukünftig gleichzeitig wieder einschränken möchte, wenn der Antragsteller die österreichische Staatsbürgerschaft zuvor durch Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit verloren hat.
Das ergibt aber mit Blick auf die Lebensrealitäten überhaupt keinen Sinn. Es ignoriert, dass da genauso ein Unrechtsgehalt besteht, den es wiedergutzumachen gilt – soweit man das kann, zumindest ein Zeichen ist hier zu setzen –, und es widerspricht einer jüngst ergangenen Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes. Es ist demnach wirklich absurd, dass wir diesen Absatz nicht ändern. Das tun wir deswegen nicht, weil die ÖVP völlig ideologisch gegen Doppelstaatsbürgerschaften auf die Barrikaden steigt und nicht einmal in diesem Fall eine Ausnahme, die sachlich gerechtfertigt wäre, macht.
Weil uns das nicht akzeptabel erscheint, bringen wir ein Verlangen auf getrennte Abstimmung betreffend § 58c Abs. 5 ein. Wer es mit dieser Geste der Versöhnung für alle, die es verdienen, ernst meint, stimmt diesem Verlangen heute auch zu.
Der zweite Punkt ist, dass der Vollzug der Novelle gesichert werden muss, weil die für die Staatsbürgerschaft zuständigen Behörden bereits jetzt personell unterbesetzt sind und aufgrund dieser Novelle mit mehr – deutlich mehr – Staatsbürgerschaftsanträgen gerechnet wird.
Es gibt die Entschließung der anderen Parteien, die für uns viel zu vage war, weil wir da vonseiten des Finanzministeriums konkrete baldige Unterstützung versprochen bekommen wollen, und daher bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Finanzierung des Vollzugs der neuen Bestimmung im Staatsbürgerschaftsgesetz“
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Inneres wird aufgefordert, den Mehraufwand der vollziehenden Landesbehörden anhand konkreter Kriterien festzustellen sowie unmittelbar und zeitnah einen Ausgleich (durch bspw. einen Zweckzuschuss oder durch eine Novellierung d. Bundesvoranschlags) der finanziellen Mehrbelastungen für die Länder vorzunehmen.“
*****
Ein Versprechen mit Worten, das dann im Vollzug nicht zeitnah umgesetzt wird, wird nämlich bitter.
Bitter wird im Übrigen auch ein anderes Versprechen, Herr Innenminister, wenn man hier in diesem Hohen Haus jetzt Kontakt mit der Gegenwart da draußen aufnimmt, nämlich das Versprechen, Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine bestmöglich und schnellstmöglich zu helfen; dazu möchte ich meine Zeit noch nützen.
Es stehen jetzt Frauen und Kinder auf der Straße und warten vergebens darauf, schnell registriert zu werden und Zugang zu Krankenversorgung und Grundversorgung zu bekommen. Das Chaos der letzten Wochen konnte nur durch die Hilfsbereitschaft der Zivilbevölkerung abgefangen werden, die Sie immer so dankend annehmen. Sie muss aber koordiniert werden, und das ist schon längst Ihre Verantwortung. Die Zivilgesellschaft und deren Hilfsbereitschaft werden schlecht abgeholt, und wir kommen daher viel früher als nötig an den Rand unserer Kapazitäten.
Daher richte ich einen Appell an die Bundesregierung und an Sie, sich dafür einzusetzen, dass Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine, die in Polen, in Ungarn, in Moldau und bald auch in Österreich nicht mehr adäquat Schutz erfahren können, insbesondere Frauen und Kinder, über solidarische Luftbrücken in Sicherheit gebracht werden, in andere europäische Länder, die noch Ressourcen haben, um adäquat zu helfen, und darüber hinaus. Ein Antrag dazu wird heute eingebracht, und ich bitte Sie, sich dafür einzusetzen, im Interesse Österreichs und der Betroffenen – es eilt. (Beifall bei den NEOS.)
18.16
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen
betreffend Finanzierung des Vollzugs der neuen Bestimmung im Staatsbürgerschaftsgesetz
eingebracht im Zuge der Debatte in der 147. Sitzung des Nationalrats über Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Antrag 2146/A der Abgeordneten Mag. Martin Engelberg, Sabine Schatz, Mag. Hannes Amesbauer, BA, Mag. Eva Blimlinger, Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 geändert wird (1421 d.B.) - TOP 23
Um zu ermöglichen, dass unter erleichterten Bedingungen Personen, die im NS-Regime verfolgt wurden und ihre österreichische Staatsbürgerschaft verloren haben, sowie deren Nachfahren die österreichische Staatsbürgerschaft (wieder-)erlangen können, wurde mit dem im Oktober 2019 in Kraft getretenen Staatsbürgerschaftsrechtsänderungsgesetz 2018, BGBl. I Nr. 96/2019, Sondererwerbstatbestände eingeführt. Im Vollzug der neuen Bestimmungen zeigte sich jedoch, dass eine relevante Anzahl von Fallkonstellationen, die nach dem Telos der Novellierung, gegenüber Personen, die aufgrund des NS-Regimes keine österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, durch Feststellung ebendieser ein wichtiges Zeichen der historischen Verantwortung Österreichs, erfasst sein sollten, nicht unter das neue Regelungsregime fielen.
Am 15. Dezember 2021 brachten daher Abgeordnete aller Fraktionen des Nationalrates einen Initiativantrag ein, um § 58c Staatsbürgerschaftsgesetz, der die erleichterte Erlangung der Staatsbürgerschaft für Opfer des Nationalsozialismus und deren Angehörige regelt, zu novellieren (2146/A XXVII. GP).
Im Beschluss der Landeshauptleutekonferenz vom 19. November 2021 wurde darauf hingewiesen, dass den Ländern in Vollziehung der bundesgesetzlichen Bestimmungen über den Staatsbürgerschaftserwerb für geflohene Opfer des Nationalsozialismus und deren Nachkommen Mehrkosten entstandenen sind, und erklärt, dass sich die Landeshauptleutekonferenz für eine zeitnahe finanzielle Abgeltung der bereits entstandenen und noch zu erwartenden künftigen Aufwendungen einsetzt.
Im Zuge des Begutachtungsverfahrens machten wiederum sowohl das Amt der Wiener Landesregierung (207187/SN) als auch das Bundesministerium für Finanzen (168656/SN) darauf aufmerksam, dass die erneute Novelle die Möglichkeit des Staatsbürgerschaftserwerbs auf einen wesentlich größeren Personenkreis ausdehnt, wodurch es zu einer erheblichen Steigerung der Anzahl der zu führenden Verfahren kommen werde und folglich mit erheblichen und sofortigen Mehrkosten auf Vollzugsebene zu rechnen sei, wenn man zum Ziel hat, die Anträge in einem für die AntragstellerInnen akzeptablen Zeitraum abzuarbeiten.
Um eine zeitnahe Abgeltung garantieren zu können, wird ein entsprechendes Zweckzuschussgesetz des Bundes oder die Berücksichtigung im Bundesvoranschlag vorgeschlagen.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Inneres wird aufgefordert, den Mehraufwand der vollziehenden Landesbehörden anhand konkreter Kriterien festzustellen sowie unmittelbar und zeitnah einen Ausgleich (durch bspw. einen Zweckzuschuss oder durch eine Novellierung d. Bundesvoranschlags) der finanziellen Mehrbelastungen für die Länder vorzunehmen."
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Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher auch mit in Verhandlung.
Frau Abgeordnete Eva-Maria Himmelbauer, Sie sind zu Wort gemeldet. – Bitte.