10.58

Abgeordneter Rudolf Silvan (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Schülerinnen und Schüler! Werte Lehrkräfte! Diese sollen auch einmal begrüßt werden. Zu Kollegen Hammer und zu Kollegen Litschauer: Ihr sagt sinngemäß, dass sich die Sozialdemokratie gegen den Ausstieg aus Gas wehrt, weil wir uns nicht vorstellen können, dass es Alternativen dazu gibt. – Da möchte ich euch erinnern: Schaut einmal ins Burgenland! Dort wird mehr alternative Energie erzeugt, als die Burgenländer verbrauchen können! (Beifall bei der SPÖ.) Dort hingegen, wo ihr in der Landesregierung seid, nämlich in Tirol, gibt es sicherlich mehr Gipfelkreuze als Windräder! Da gehe ich jede Wette ein. (Beifall und Zwischenrufe bei der SPÖ.) Dort seid ihr in der Landesregierung!

Sehr geehrte Frau Ministerin! Zum Gasdiversifizierungsgesetz – das ist ein kompliziertes Wort –: Sie haben diesen Entwurf am Abend vor dem letzten Energie- und Wirt­schaftsausschuss an die Energiesprecher geschickt. Genauer gesagt hat ihn unser Energiesprecher Alois Schroll am 6.6. um 22 Uhr bekommen. Dieser Entwurf umfasst genau eineinhalb Seiten. Kollege Hammer und Sie haben sich im Ausschuss ent­schuldigt und haben gesagt, dass das Gesetz so komplex ist und so weiter, weswegen es so lange gedauert hat. – Aus meiner Sicht sind die eineinhalb Seiten nicht sehr komplex.

Ich bin völlig Ihrer Meinung, dass wir die Unabhängigkeit vom russischen Gas brauchen. Ich bin der Meinung, dass man sich Alternativen überlegen muss, suchen muss, dass wir für die Übergangszeit andere Gaslieferanten brauchen – alles klar –, dass man Unternehmen fördern soll, dass sie vom Gas auf alternative Energie umsteigen können, wie zum Beispiel die Stahlindustrie oder die Baustoffindustrie, vielleicht die eine oder andere Bäckerei, die noch mit Gas betrieben wird. Das ist im Grunde ein richtiger Ansatz. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Was wir aber überhaupt nicht einsehen, ist, dass die Energieversorger jetzt mit Steuer­geld versorgt werden sollen, gefördert werden sollen – jene Energieversorger, die Milliar­dengewinne, Übergewinne, Zufallsgewinne machen, die Rekorddividenden ausschüt­ten. Jetzt sollen diese Energieversorger mit Steuergeld gefördert werden? – Nicht mit der Sozialdemokratie, liebe Genossinnen und Genossen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Lukas Hammer: Ah, nicht! – Abg. Leichtfried: ... haben keine Milliardengewinne!)

Es fehlt in diesem Gesetz auch – was wir gefordert haben – eine Verpflichtung, dass durch dieses Gesetz die Endverbraucher nicht noch weiter belastet werden. Das steht auch nicht drinnen. (Ruf bei der ÖVP: ... § 8!) Was uns sehr aufstößt, Kollegin Graf – weil Sie das jetzt sagen –, ist, dass man wieder einmal die Richtlinien nicht im Gesetz hat. Man hat in den § 5 hineingeschrieben, dass die Frau Minister für Umwelt und Energie und der Finanzminister dann im Einvernehmen die Richtlinien erarbeiten wer­den, wer diese 400 Millionen Euro an Steuergeld bekommen soll, wie und wann das ausgeschüttet werden soll. Das gehört aber ins Gesetz, und deswegen werden wir – wir kennen diese Vorgangsweise von der Cofag und von anderen Gesetzen – nicht zustim­men. (Beifall bei der SPÖ.)

Deswegen bringen wir auch folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Rudolf Silvan, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Übergewinne in Anti-Teuerungsmaßnahmen und Ausbau von erneuerbaren Energien umleiten“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend ein Maßnahmen­paket zuzuleiten, welches die Übergewinne von Energiekonzernen in Österreich ab­schöpft. Die Steuereinnahmen sind hierbei für die Finanzierung von Anti-Teuerungs­maß­nahmen sowie zum Ausbau von erneuerbaren Energien zweckzuwidmen.“

*****

Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

11.02

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Rudolf Silvan, Dr. Christoph Matznetter

Genossinnen und Genossen

betreffend: Übergewinne in Anti-Teuerungsmaßnahmen und Ausbau von erneuerbaren Energien umleiten.

eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über den Antrag 2600/A der Abgeordneten Tanja Graf, Lukas Hammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gaswirtschafts­gesetz 2011 (GWG 2011) geändert wird (1501 d.B.)

Durch das Marktdesign des Strommarktes führen die extrem hohen Großhandelspreise bei einer Reihe von Energieerzeugern zu starken Übergewinnen. So geht beispielsweise die Verbund AG davon aus, dass sich der Gewinn im heurigen Jahr auf bis zu 2 Mrd. Euro verdoppeln wird. Im Wesentlichen passiert das deshalb, weil an den Strombörsen das jeweils teuerste noch für die Versorgung benötigte Kraftwerk den Preis auch für alle anderen Kraftwerke setzt, egal was deren Erzeugungskosten sind. Derzeit setzen Gaskraftwerke, die auf Grund des hohen Gaspreises sehr teuer produzieren, den Preis. Bei z.B. Windkraftanlagen oder Wasserkraftwerken haben sich aber die Erzeugungs­kosten de facto nicht verändert, dennoch bekommen sie den sehr hohen Börsepreis für den produzierten Strom.

Wer sind die Kriegsgewinnler?

In Österreich ist die Verbund AG einer der Hauptprofiteure, aber auch die Ener­gie­versorger mit hohem Wasserkraftanteil wie z.B. in Vorarlberg sind auf Grund ihrer Erzeugungsstruktur wohl Nutznießer dieser Entwicklung. Neben den Energieversorgern in öffentlicher Hand profitieren auch die privaten und bisher mit öffentlichen Mitteln geförderten (Ökostrom-)Erzeuger wie z.B. die Ökostrom AG, die WEB Windenergie AG, etc. So hat z.B. die Windkraft Simonsfeld AG ihren Gewinn nach Steuern im vergan­genen Jahr verdoppelt1.

Der Verbund wird heuer durchschnittlich 120 Euro/Megawattstunde (MWh) erlösen, statt „nur“ 55 Euro/MWh wie im Jahr 2021. Der aktuelle Preis an den Börsen liegt bei 210 Euro/MWh. Marktdesign und Unternehmensrecht führen zu der kuriosen Situation, dass aber selbst der Verbund seine EndkundInnenpreise stark erhöht (bei stabilen Erzeu­gungskosten), weil er den Strom nicht unter Marktwert abgeben darf.

Aber nicht nur im Strombereich sprudeln die Gewinne, auch die OMV vermeldet für das 1. Quartal 2022 eine Vervierfachung des Gewinns (vor Sondereffekten) auf 2,6 Mrd. Euro. Gegenüber dem Jahr 2021 konnte der realisierte Gaspreis von 16,5 Euro/MWh auf 45 Euro/MWh gesteigert werden, während die Erzeugungskosten nur gering (8%) gestiegen sind. Die Gewinnmargen der großen Mineralölkonzerne wie Shell haben sich seit Beginn der Ukraine-Krise verdoppelt – den Preis dafür zahlen die KonsumentInnen an den Zapfsäulen.

Vorschlag der EU-Kommission

Die EU-Kommission geht – basierend auf Zahlen der Internationalen Energieagentur – davon aus, dass die Übergewinne in der EU im Energiesektor rund 200 Mrd. Euro (!) ausmachen. Die EU-Kommission schlägt daher in ihrer jüngsten Mitteilung „REPowerEU“2 vor, diese Übergewinne zu besteuern und die Einnahmen für die Bekämpfung der Teuerung und der Energiearmut zu verwenden. Ein konkretes System wird nicht vor­geschlagen, sondern lediglich Eckpunkte festgelegt (Befristung, Art des Nachweises der Übergewinne, kein negativer Einfluss auf den Emissionshandel, etc.). Auf Österreich umgelegt, würde eine solche Steuer rund 4 Mrd. Euro ins Budget spülen.

Was machen andere Länder?

•           Italien setzt eine Übergewinnsteuer in der Höhe von 25 % um und besteuert dabei nicht nur die Energieversorger, die Strom und Gas liefern, sondern eben auch die Mineralölkonzerne.

•           Großbritannien besteuert Übergewinne ebenfalls mit 25 %, allerdings nur für Öl- und Gasunternehmen und nicht für Strom. Ein Teil der abgeführten Übergewinne ist wiederum steuerlich absetzbar, um Investitionen in die Energiewende zu stützen.

•           In Griechenland wird eine Übergewinnsteuer in der Höhe von 90 % eingeführt.

•           In Deutschland fordern sowohl die Grünen als auch die CDU/CSU eine Übergewinnsteuer für jene Unternehmen, die von der aktuellen Krise profitieren.

•           Andere Länder (u.a. Frankreich, Spanien, Portugal) greifen bereits in die Preis­bildung oder EndkundInnenpreise ein, damit Übergewinne erst gar nicht entstehen.

•           Das Burgenland erhöht künftig die Abgaben ab Wind- und Photovoltaikanlagen (auch im Bestand) und speist damit einen Sozial- und Klimafonds.3

Zumindest bis die strukturellen bzw. krisenbedingten Probleme des Energiemarktes gelöst werden, sollen die Übergewinne abgeschöpft werden. Der „normale“ Gewinn wird dabei weiterhin mit 25% besteuert. Zum Vergleich: In den USA wurden während des Zweiten Weltkriegs ebenso Übergewinnsteuern eingeführt. Der Steuersatz dafür betrug bis zu 90%.

Dabei ist auch zu bedenken, dass teilweise die gleichen Unternehmen, die über Jahre und Jahrzehnte hinweg mit Steuermittel subventioniert wurden, nun diejenigen sind, die auf Kosten derselben SteuerzahlerInnen heute Rekordgewinne schreiben. Dieser Vorgang treibt die Privatisierung von Gewinnen und die Sozialisierung von Verlusten in – selbst für marktwirtschaftliche Verhältnisse – bisher komplett unbekannte Höhen.

Diese Übergewinne zu besteuern und den Menschen zurückzugeben, ist nicht nur eine Frage der ökonomischen Zweckmäßigkeit. Es ist vielmehr noch eine Frage der politi­schen Moral und des viel zitierten „Anstands“.

Das Volumen von rund 4 Mrd. Euro soll zur Hälfte in Anti-Teuerungsmaßnahmen im Energiebereich fließen – etwa in die befristete Aussetzung der Umsatzsteuer auf Energie. Die andere Hälfte sollen jene Unternehmen über eine Investitionsprämie in Höhe von 30 Prozent zurückerhalten, die in den Ausbau von erneuerbaren Energien investieren. Dadurch erfolgt auch eine Umverteilung von jenen Unternehmen, die wenig zur Energiewende beitragen (zum Beispiel Shell) hin zu Unternehmen, die in erneuerbare Energien investieren – wie etwa teilstaatliche Energieversorger.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend ein Maßnahmen­paket zuzuleiten, welches die Übergewinne von Energiekonzernen in Österreich ab­schöpft. Die Steuereinnahmen sind hierbei für die Finanzierung von Anti-Teuerungs­maßnahmen sowie zum Ausbau von erneuerbaren Energien zweckzuwidmen“.

1 https://www.wksimonsfeld.at/investieren/geschaeftsbericht-2021/kennzahlen-2021/

2 https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ip_22_1511

3 https://www.burgenland.at/service/medienservice/aktuelle-meldungen/detail/neuer-sozial-und-klimafonds-land-will-sozial-schwache-von-teuerung-entlasten/

*****

Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher auch mit in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Christoph Stark. – Bitte. (Abg. Leichtfried: Das ist aber nicht der Hörl! Wo ist der Hörl? Ich verstehe das nicht!)