Abgeordnete Petra Steger (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundes­ministerin, Sie haben 2021 dem sowohl EU-rechts- als auch verfas­sungswidrigen Coronawiederaufbaufonds in Milliardenhöhe und damit auch dem gewaltigen Tabubruch einer europäischen Schuldenaufnahme nur unter der Bedingung zugestimmt, dass es sich um eine einmalige Sache handelt. Dieses Versprechen haben Sie nicht nur einmal wiederholt. Mittlerweile hat die ÖVP bereits mehrfach einer weiteren Schuldenaufnahme für Milliardenzahlungen an die Ukraine zugestimmt und damit auch bewiesen, dass man Ihnen kein Wort glauben kann. Sie sind bei diesem Verrat an den österreichischen Steuerzahlern mit Ihrem Finanzkommissar Hahn sogar federführend mit dabei. Ihnen ist anscheinend egal, dass die Menschen in Österreich reihenweise verarmen und nicht mehr wissen, wie sie sich ihr Leben noch leisten können. Lieber überweisen Sie mehr und mehr und mehr Milliarden an die Ukraine, drehen an der Eskala­tions­spirale und treten unsere Neutralität mit Füßen.

Daher meine Frage:

214/M

„Wie rechtfertigen Sie die geplante Zustimmung zur 18 Milliarden Euro schweren Makrofinanzhilfe+ für die Ukraine, trotz der mehrmaligen Versprechen Ihrerseits und der ÖVP keiner weiteren Schuldenaufnahme auf EU-Ebene zuzustimmen?“

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Geschätzte Frau Abgeordnete, zum Ersten möchte ich Ihnen sagen, dass ich sehr froh bin, berichten zu können, dass es erst vor zwei Tagen im Coreper, im Ausschuss der Ständigen Vertreter in Brüssel, die Einigung gab, dass man der Ukraine seitens der Europäischen Union eine Makrofinanzhilfe in der Höhe von 18 Milliarden Euro im nächsten Jahr geben wird. Ich halte das für absolut notwendig, wichtig und zum richtigen Zeitpunkt kommend, denn ich war erst vor Kurzem mit einer insgesamt achtköpfigen Delegation aus europäischen Europaminister:innen und der Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments in Kiew und wir haben dort gesehen, dass jede Hilfe bitter notwendig ist.

Sie sprechen eine Hilfe an, die aus dem Mehrjährigen Finanzrahmen finanziert wird. Ich komme auf die Einigung zurück, die getroffen worden ist, Gott sei Dank jetzt auch mit der Stimme Ungarns, damit das möglich ist: Es ist nicht das erste Mal, dass wir eine Makrofinanzhilfe aus dem Mehrjährigen Finanzrahmen zur Verfügung stellen, aber ich halte sie für absolut notwendig, denn die Menschen dort vor Ort haben es bitter notwendig, dass Infrastruktur wieder aufgebaut wird, dass auch schon jetzt, während dieser unglaublich schrecklichen Phase des immer noch andauernden Angriffskriegs Russlands, eine Unterstützung seitens der Europäischen Union in Form von Geld für den Wiederaufbau, der jetzt vorangehen muss, geleistet wird, damit die Menschen dort nicht verhungern und vor allem nicht erfrieren, jetzt im Winter. Das Geld ist für den Wiederaufbau, insbesondere von Infrastruktur, vorgesehen, aber auch zum Investieren in den Aufbau von Justiz und rechtsstaatlichen Institutionen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Frau Abgeordnete? – Bitte.

Abgeordnete Petra Steger (FPÖ): Ich nehme zur Kenntnis, dass Ihnen Ihre gegenüber den Wählern gegebenen Versprechen anscheinend nicht viel wert sind.

Abgesehen davon gibt es mehrere Berichte, dass diese Gelder entgegen Ihren Behauptungen für die Zahlung amerikanischer Waffen eingesetzt werden sollen und daher eine österreichische Beteiligung auch nicht mit unserer Neutralität vereinbar ist. Es gibt auch einen Bericht der „Financial Times“, dass die Ukraine in der Vergangenheit EU-Hilfsgelder an der Kryptobörse FTX verspekuliert haben soll. Vor Ausbruch des Krieges wurde durch die berühmten Panama­papers auch bekannt, dass die Ukraine ein gewaltiges Korruptionsproblem hat – übertroffen nur noch durch die EU selbst, wie wir zurzeit in jeder Zeitung lesen können.

Daher meine Frage: Welche Kontrollen gibt es, um zu klären, was mit dem Geld passiert? Und: Wie können Sie es rechtfertigen, dass die EU weiterhin Milliarden überweist, bevor diese Anschuldigungen aufgeklärt sind?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Ich lasse mir hier nichts unterstellen und ich möchte auf das Entschiedenste zurückweisen, dass Versprechungen nicht gehalten werden. Sie haben mich mehrmals darauf angesprochen, unter anderem im EU-Hauptaus­schuss, aber, ich glaube, auch im Verfassungsausschuss, und da ist es immer um das einmalige Instrument des Next Generation EU, des Aufbaufonds von 750 Milliarden Euro nach der Coronapandemie – beziehungsweise beschlossen noch während der Coronapandemie – gegangen, um den Staaten unter die Arme zu greifen, die am härtesten davon getroffen werden. Dieses Versprechen ist auch gehalten worden. Wir als Österreich stehen unter anderem im Verbund der frugalen vier und dafür, dass Steuergeld effizient eingesetzt wird.

Ich möchte Sie noch einmal bitten, dass Sie Makrofinanzhilfen aus dem MFR von einem einmaligen Finanzinstrument wie dem Next Generation EU unter­scheiden. Ich darf noch einmal sagen, dass das Kredite sind, deren Einhaltung ihrer Zwecke natürlich kontrolliert wird, und zwar von der Europäischen Kommission selbst, und die Mittel werden auch in kleineren Tranchen ausge­zahlt, etwa 1,5 Milliarden Euro über ein ganzes Jahr hinweg, damit man eben kontrollieren kann, wohin sie fließen. Jeder Cent wird dort ankommen, wo er gebraucht wird. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP. – Heiterkeit des Abg. Wurm.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage stellt Abgeordneter Reimon. – Bitte.

Abgeordneter Michel Reimon, MBA (Grüne): Herr Präsident! Guten Morgen, Frau Bundesministerin! Die ungarische Regierung hat die Makrofinanzhilfe für die Ukraine blockiert, um Zugeständnisse bei der Bewilligung des ungarischen Konjunkturprogramms und der drohenden Nichtauszahlung von EU-Mitteln aufgrund von Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit zu erzwingen. Wie beurteilen Sie den Kompromiss, gemäß dem rund 6,3 Milliarden Euro an EU-Fördergeld für Ungarn endlich eingefroren werden?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Herr Abgeordneter, es ist natürlich auf europäischer Ebene auch immer so, dass man Kompromisse finden muss, und ich bin froh, dass sie in diesem Fall auch gefunden worden sind. Ungarn hat das Veto gegen die Makro­finanzhilfe aufgegeben, das halte ich für gut und richtig, und wir haben auf der anderen Seite, glaube ich, auch eine gute Lösung gefunden, was den Konditiona­litätsmechanismus betrifft.

Dieser Mechanismus ist gegen Ungarn ja das erste Mal zur Anwendung gebracht worden. Das Einfrieren von ursprünglich 65 Prozent der Gelder war vorgesehen. Ungarn hat Schritte gesetzt, es sind insgesamt 17 Punkte, von denen zwölf teilweise umgesetzt worden sind – daher dann auch die Lösung, der im Übrigen von allen außer von Ungarn zugestimmt worden ist, dass 55 Pro­zent der Gelder eingefroren bleiben. Ich halte es für richtig und wichtig, dass es über 50 Prozent sind, um auch die Motivation aufrechtzuerhalten, dass Ungarn da weitertut, denn darauf werden wir ganz genau schauen.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage stellt Abgeordneter Gerstl. – Bitte.

Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Sehr geehrte Frau Bundesminis­terin, ich möchte Ihnen zuerst sagen, dass Frau Kollegin Steger mit dem, was sie vorhin gesagt hat, vollkommen isoliert in Europa ist, auch innerhalb des öster­reichischen Parlaments. Vier Parteien haben hier eine ganz klare Meinung. Russland führt einen menschenverachtenden Terrorangriff gegen die dortige Zivilbevölkerung. Das, was sie behauptet, ist wahrscheinlich nur dem geschuldet, dass sie einer Partei angehört, die vielleicht früher auch einmal von Kräften aus Russland finanziert und unterstützt wurde. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Steger: Sie betreiben Realitätsverweigerung!)

Kollege Reimon hat zuvor schon zum Veto Ungarns gegenüber der Finanzhilfe für die Ukraine gesprochen. Wie ist da jetzt der ganz konkrete Letztstand und was können wir vonseiten Ungarns an Finanzhilfe gegenüber der Ukraine erwarten?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Wie gesagt, ich bin froh, Ihnen berichten zu können, dass Ungarn das Veto aufgegeben hat, was die Finanzhilfe für die Ukraine betrifft. Ganz konkret geht es um insgesamt vier Punkte, die jetzt auch im schriftlichen Verfahren ab heute angenommen werden, hoffentlich von allen Hauptstädten, so jedenfalls die Einigung der Ständigen Vertreter vor zwei Tagen im Coreper. Dann ist es morgen, wenn sich die Staats- und Regierungschefs zum Europäischen Rat treffen, auch durch.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Frage stellt Frau Abgeordnete Blimlinger. – Bitte.