18.12
Abgeordneter Peter Schmiedlechner (FPÖ): Frau Präsident! Frau Rechnungshofpräsidentin! Sehr geehrte Zuseher und Zuseherinnen! Der Rechnungshofbericht betreffend die Lebensmittelverschwendung wurde natürlich von allen Parteien im Ausschuss einstimmig zur Kenntnis genommen.
Die Verschwendung von Lebensmitteln ist natürlich zu vermeiden. Man muss sowohl zur Verschwendung auf Ebene der Landwirtschaft als auch zur Verschwendung in der Produktion, zur Verschwendung im Handel und gleichzeitig auch zur Verschwendung, die bei den Verbrauchern passiert, schon sagen: Lebensmittel sind kostbar! Unsere Bauern arbeiten 365 Tage im Jahr und produzieren höchste Qualität. Die Früchte dieser Arbeit zu verschwenden kann keiner gutheißen.
Wir verschwenden aber auch wertvolle Ressourcen. Während wir hier über die Lebensmittelverschwendung diskutieren – da ist die Diskussion, die wir hier führen, doch ein bisschen scheinheilig –, importieren wir aus der Ukraine und aus aller Herren Länder tonnenweise Lebensmittel nach Österreich, in die EU. Da denkt man sich dann schon: Na ja, und gleichzeitig diskutieren wir über die Lebensmittelverschwendung. (Abg. Brandstätter: Aber wir exportieren auch, oder?)
Dazu muss man aber auch sagen: Wir importieren Lebensmittel – gut, über die Qualität lässt sich streiten – und gleichzeitig diskutieren wir hier darüber, dass wir unseren Bauern neue Rahmenbedingungen, neue Richtlinien auferlegen, die weitaus strenger sind als jene beim Importierten.
Wenn man sich dann die Lüge, den Schmäh oder das Märchen anhört, das die ÖVP uns stets von der Überproduktion erzählt, dann muss ich sagen: Gerade bei der Butter wird nur eine Eigenversorgung von 80 Prozent erreicht, und gleichzeitig wird Palmöl importiert. – Das ist sicher gescheit. Der Regenwald brennt.
Wir haben heute schon über das Volksbegehren zu den Lebendtiertransporten gesprochen. Da hat Kollege Hechenberger – ich weiß nicht, ich glaube, er ist momentan nicht da – das Mercosur-Abkommen angesprochen. Dort hat er eine Lanze gebrochen und die SPÖ aufgefordert, sich dagegen auszusprechen.
Ich darf Herrn Hechenberger und der ÖVP ausrichten: Von der Leyen, die Kommissionspräsidentin der EU, ist EVP-Abgeordnete, gehört also eurer Fraktion an. Der Landwirtschaftsminister ist ein ÖVPler, der Außenminister ist ein ÖVPler, der Kanzler ist ein ÖVPler. Ihr könnt das machen, ihr könnt dort ein Veto einlegen und das Mercosur-Abkommen verhindern!
Wir Freiheitliche haben da eine klare Linie: Wir sagen Nein zum Mercosur-Abkommen. Deswegen möchte ich folgenden Entschließungsantrag einbringen, auch um die Lebensmittelverschwendung in Österreich einzudämmen und natürlich auch um zu verhindern, dass Billigwaren nach Österreich kommen:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Verhandlungsstopp für das Mercosur-Abkommen“
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich klar für einen Verhandlungsstopp im Zusammenhang mit dem Mercosur-Abkommen auszusprechen und, statt weiter zu verhandeln, einen Abschluss des Mercosur-Abkommens zu verhindern.“
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Ich bitte um breite Zustimmung. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)
18.16
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Peter Schmiedlechner
und weiterer Abgeordneter
betreffend Verhandlungsstopp für das Mercosur-Abkommen
eingebracht im Zuge der Debatte in der 197. Sitzung des Nationalrats am 1. Februar 2023 über den Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Verringerung der Lebensmittelverschwendung – Umsetzung des Unterziels 12.3 der Agenda 2030 – Reihe BUND 2021/19 (III-319/1801 d.B.) - TOP 23
Nach Ansicht des Rechnungshofes wird im Jahr 2030 mangels valider Ausgangsdaten eine Evaluierung der angestrebten Halbierung der Lebensmittelverschwendung nicht möglich sein. Er empfiehlt daher „Daten zu den vermeidbaren Lebensmittelabfällen entlang der gesamten Lebensmittelkette zu erheben“, da bereits heute „die Beurteilung der Zielerreichung Österreichs hinsichtlich der verringerten Lebensmittelverschwendung“ nicht sichergestellt ist.1 Obwohl dadurch eine zusätzliche Verlagerung von Lebensmittelabfällen entlang der Lieferkette droht, treibt die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, ihres Zeichens Teil der Europäischen Volkspartei (EVP), in welcher auch die ÖVP Vollmitglied ist, die Verhandlungen über den Abschluss des Mercosur-Abkommens aktuell stark voran.2 Während von den österreichischen Bauern strengste Standards einzuhalten sind, verhandelt die EU seit 1999 erfolglos mit dem Mercosur (Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay) über ein umfangreiches Assoziierungsabkommen, welches die heimischen Standards zu unterlaufen droht. Am 28. Juni 2019 wurde verkündet, eine politische Einigung über den Abkommenstext erzielt zu haben.
Zwar gilt es im Allgemeinen festzuhalten, dass Freihandel an sich für Österreich und seine Unternehmen als Exportnation sehr wichtig ist. Freihandelsabkommen dürfen allerdings nicht zu einer Absenkung von nationalen Lebensmittel- und Sozialstandards führen oder gar auf Kosten von Umweltschutz und nachhaltiger Entwicklung gehen. Insbesondere gilt es transparente Verhandlungen sicherzustellen, damit eine breite öffentliche Diskussion über Freihandelsabkommen wie jenem zwischen der EU und Mercosur stattfinden kann. Weiters muss für jeden Abbau von Handelshemmnissen ein Gebot der Fairness gelten, d.h. die hohen europäischen und vor allem österreichischen Qualitätsstandards bei Lebensmitteln müssen unbedingt erhalten bleiben, da in vielen Bereichen, etwa bei Bio-Eigenmarken, die Standards der heimischen Lebensmittelhändler bereits heute höher sind als vom österreichischen Gesetz gefordert. Dieses hohe Niveau und die Top-Qualität unserer heimischen – österreichischen und oftmals regionalen – Produkte dürfen unter keinen Umständen konterkariert werden.
Ein unregulierter Freihandel mit Südamerika droht den europäischen Markt mit 100.000 Tonnen an Rindfleisch und weiteren Agrarrohstoffen überschwemmen. Das wäre zweifelsohne eine Gefahr für unsere kleinstrukturierte österreichische Rinder-Landwirtschaft. Die Standards im Tier- und Pflanzenschutz, unter denen Südamerika aktuell produziert, sind hierfür noch nicht ausreichend. Allein in Brasilien sind mehr als 500 Pestizide genehmigt – darunter sind 150, die in der EU verboten sind. Hinzu kommt: Wenn ein Pestizid in Brasilien einmal registriert ist, verfällt die Lizenz nie und ist auch keinen periodischen Neubewertungen – wie in der EU verpflichtend – unterworfen. Angesichts der Waldbrände in Brasilien wäre es auch fragwürdig, ein Abkommen abzuschließen, das etwa die Abholzung von Regenwald zur Produktion von Wirtschaftsgütern aktiv fördert.
Ein diesbezüglicher Antrag der FPÖ mit der unzweideutigen Formulierung „Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung werden aufgefordert, sich klar gegen das Mercosur-Abkommen auszusprechen und auf Europäischer Ebene alle Maßnahmen zu ergreifen, um einen Abschluss des Mercosur-Abkommens zu verhindern“3 wurde dennoch von der türkis-grünen Regierungsmehrheit im Nationalrat am 24.02.2021 abgelehnt.
Statt einen Abschluss des Mercosur-Abkommens zu verhindern, einigten sich ÖVP und Grüne auf einen eigenen Antrag, mit dem klaren Bekenntnis weiterverhandeln zu wollen: „Die Bundesregierung wird ersucht, sich gegen das Mercosur-Abkommen in der derzeitigen Form auszusprechen“.4
Ein Antrag im EU-Parlament, die Referenz zu Mercosur im Jahresbericht zur Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik zu löschen sowie sich gegen die Ratifizierung von Mercosur auszusprechen, wurde zuletzt ebenso ganz knapp – mit 297 Pro-Stimmen und 303 Gegenstimmen – abgelehnt. Ausschlaggebend war das Abstimmungsverhalten der ÖVP-Fraktion. Während die ÖVP-Abgeordneten des Bauernbundes für den Abänderungsantrag stimmten, lehnten diesen jene ÖVP-Abgeordneten, die dem Wirtschaftsflügel zuzuordnen sind, ab. Dem Bauernbund gelang es einmal mehr nicht, sich gegen Wirtschaftsbund und ÖAAB in dieser wichtigen Frage durchzusetzen. Vier Stimmen hätten den Unterschied gemacht und die Löschung des Mercosur-Satzes wäre mehrheitlich angenommen worden. Die ÖVP-Stimmen von Mag. Lukas Mandl (ÖAAB NÖ), Mag. Christian Sagartz BA (ÖAAB Burgenland), MMag. Barbara Thaler (Wirtschaftsbund Tirol) und Dr. Angelika Winzig (Wirtschaftsbund OÖ) gaben den Ausschlag für die Ablehnung.5
Während der Bauernbund sich in Brüssel inzwischen bereits ob seiner fehlenden Durchsetzungsfähigkeit verzweifelt, um „himmlische Hilfe“ bemüht,6 übt sich in Wien der ÖVP-Abgeordnete Josef Hechenberger in Realitätsverweigerung, wenn er in seiner Rede am 1. Februar 2023 sagt: „Unsere Position ist ganz klar, wir sind gegen den Abschluss des Mercosur-Abkommens.“ 7 Nicht nur das: Statt endlich bei seinen eigenen ÖVP-Parteifreunden – von Bundeskanzler Nehammer abwärts – für eine Ablehnung des Mercosur-Abkommens zu werben und klar Stellung zu beziehen, empfiehlt er der SPÖ, sich beim deutschen SPD-Bundeskanzler Scholz gegen Mercosur einzusetzen.
Im Sinne unserer heimischen Landwirtschaft ist es nunmehr das Gebot der Stunde, diesem neuen Verhandlungsauftrag der Regierungsparteien ÖVP und Grüne eine klare Absage zu erteilen. Für die Abgeordneten des ÖVP-Bauernbundes, wird die Abstimmung zur Gewissensfrage.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachfolgenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich klar für einen Verhandlungsstopp im Zusammenhang mit dem Mercosur-Abkommen auszusprechen und, statt weiter zu verhandeln, einen Abschluss des Mercosur-Abkommens zu verhindern.“
1 Bericht des Rechnungshofes betreffend Verringerung der Lebensmittelverschwendung, Reihe BUND 2021/19, https://www.parlament.gv.at/dokument/XXVII/III/319/imfname_978505.pdf, 18, 58.
2 https://www.topagrar.com/management-und-politik/news/eu-kommission-will-mercosur-verhandlungen-wieder-voran-treiben-13289811.html
3 https://www.parlament.gv.at/dokument/XXVII/A/214/fnameorig_778926.html.
4 https://www.parlament.gv.at/dokument/XXVII/I/638/fnameorig_884444.html.
5 https://www.topagrar.at/management-und-politik/news/oevpler-wieder-fuer-mercosur-12456460.html.
6 Kampf gegen Bauernsterben mit „himmlischer Hilfe“, https://www.krone.at/2890442.
7 197. Sitzung des Nationalrates, XXVII. Gesetzgebungsperiode, Aufzeichnung vom 01.02.2023, https://intranet.parlament.gv.at/aktuelles/mediathek/XXVII/NRSITZ/197?selectedtab=INFOS.
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Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.
Herr Abgeordneter, ich habe es nicht gehört, aber es hat offensichtlich den Eindruck gegeben, dass Sie den Ausdruck „Lüge“ verwendet haben. Ich schaue mir das im Protokoll noch einmal an. Ich habe es auch nicht gehört, schaue es mir aber noch an. Auch das Wort „scheinheilig“, das ich gehört habe, ist an sich keine Ausdrucksweise, die wir hier bei Reden verwenden. Ich habe aber jetzt ganz bewusst davon abgesehen, Ihnen einen Ordnungsruf zu erteilen. Ich wollte aber nichtsdestotrotz darauf hinweisen und Sie darauf aufmerksam machen, Herr Abgeordneter.
Nun gelangt Abgeordneter Clemens Stammler zu Wort. – Bitte.