17.58
Abgeordnete Petra Wimmer (SPÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Unter dem jetzigen Tagesordnungspunkt diskutieren wir die Umsetzung der sogenannten Work-Life-Balance-Richtlinie in österreichisches Recht. Seit August 2022, also seit über einem Jahr, war die Umsetzung fällig, und obwohl es ein Jahr zu spät kommt, wurde darauf verzichtet, die zahlreichen und auch kritischen Stellungnahmen einzuarbeiten, mit dem Ergebnis, dass der vorliegende Antrag trotz positiver Ansätze an den tatsächlichen Lebensrealitäten der österreichischen Familien vorbeigeht.
Konkret meine ich damit die Umsetzung des sogenannten 22-plus-zwei-Modells. Mit der neuen Richtlinie haben Familien nur mehr Anspruch auf 24 Monate Karenzzeit, wenn auch der Vater davon mindestens zwei Monate in Anspruch nimmt. Ansonsten verkürzt sich die Karenzzeit auf 22 Monate – nur mehr 22 Monate! Es ist ja nicht so, dass die Väter nicht in Karenz gehen möchten, denn viele möchten das. Sie möchten die Karenzzeit partnerschaftlich aufteilen, aber einen großen Einfluss auf diese Entscheidung haben selbstverständlich die Finanzen. Von den Paaren wird ganz genau ausgerechnet, wie sich die Karenzzeit auf das Haushaltsbudget auswirkt, und diese Rechnung ergibt halt vielfach, dass es schlicht nicht leistbar ist, wenn auch der Vater länger in Karenz geht.
Solange es an der Leistbarkeit scheitert, wird ein signifikanter Anstieg der Väterbeteiligung, also eine partnerschaftliche Aufteilung der Karenzzeit, so nicht funktionieren. Ganz wesentlich ist auch, dass es ohne den massiven Ausbau der Kinderbetreuung und einen Rechtsanspruch ab dem ersten Lebensjahr nicht gehen wird.
Und wenn jetzt von den Regierungsparteien der Ausbau der Kinderbetreuung angekündigt wird, ist es ja trotzdem mehr als fraglich, ob es bereits im Jahr 2025 ausreichend Plätze für die unter zweijährigen Kinder geben wird, denn zu diesem Zeitpunkt, nach 22 Monaten, laufen die ersten Karenzen aus. Es braucht jetzt also wirklich einen unverzüglichen, sofortigen Ausbau; alles andere ginge wieder auf Kosten der Familien. (Beifall bei der SPÖ.)
Unsere Vorschläge für eine qualitätsvolle und flächendeckende Kinderbetreuung liegen seit Jahren auf dem Tisch. Ich möchte das heute nochmals mit einem Entschließungsantrag, den ich hiermit einbringe, untermauern.
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Petra Wimmer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schluss mit den Mogelpackungen in der elementaren Kinderbildung“
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die zuständigen Bundesminister:innen für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt, für Bildung, Wissenschaft und Forschung sowie für Finanzen werden aufgefordert, einen Rechtsanspruch auf einen ganztägigen, kostenfreien, Kinderbildungs- und –betreuungsplatz ab dem ersten Lebensjahr für jedes Kind sowie eine massive und dauerhafte Erhöhung der Budgetmittel des Bundes auf 1 Milliarde Euro jährlich mehr (bzw. 1 Prozent des BIP) für die Elementare Bildung unserer Kinder umzusetzen und dafür auch im Zuge der laufenden Finanzausgleichsverhandlungen zu sorgen. Diese Mittel sollen eingesetzt werden um folgendes zu erreichen:
- Inklusive Strukturen;
- Beste Betreuung durch multiprofessionelle Teams;
- Ein gesundes, warmes kostenfreies Mittagessen;
- Alle Kindergärten sollen ganzjährig und ganztägig geöffnet sein;
- Österreichweiter Bildungsrahmenplan;
- Optimale Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten und höhere Entlohnung;
- Österreichweite Ausbildungsoffensive;
- Öffnung für differenzierte Berufsbilder in der Elementarpädagogik.“
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Sehr geehrte Regierungsfraktionen! Mit unserem Antrag würden Sie beste Voraussetzungen für Eltern und Kinder schaffen, damit ihnen eine gleichwertige Aufteilung der Kinderbetreuung leichter möglich wird. In diesem Sinne ersuche ich um breite Zustimmung. (Beifall bei der SPÖ.)
18.02
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Petra Wimmer, Christian Oxonitsch, Genossinnen und Genossen betreffend Schluss mit den Mogelpackungen in der elementaren Kinderbildung
Eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 3478/A der Abgeordneten Tanja Graf, Mag. Meri Disoski, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Mutterschutzgesetz 1979, das Väter-Karenzgesetz, das Urlaubsgesetz, das Angestelltengesetz, das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Gleichbehandlungsgesetz, das Landarbeitsgesetz 2021, das Kinderbetreuungsgeldgesetz sowie das Familienzeitbonusgesetz geändert werden (2181 d.B.).
Mit der Umsetzung der Work-Life-Balance-Richtlinie der EU verkürzt die Bundesregierung den Karenzzeitanspruch von Müttern von 24 auf 22 Monate. Gleichzeitig fehlen allerdings die erforderlichen Kinderbildungseinrichtungen, die es Frauen nach der Karenzzeit auch ermöglichen einer entsprechenden Berufstätigkeit nachzugehen.
Bildung ist ein Kinder- und Menschenrecht. Von Beginn des Lebens an bis ins hohe Alter. Die Elementarbildung für Kinder mit einem Rechtsanspruch ab dem 1. Lebensjahr, könnte diesen Anspruch wunderbar verwirklichen, doch fehlen in Österreich an allen Ecken und Enden Ausstattung und Ressourcen, um dieser Aufgabe optimal nachkommen zu können. Österreich gibt im Kindergartenbereich immer noch weniger aus als die anderen OECD-Staaten.
Politische Ankündigungen und Lippenbekenntnisse haben bislang dran nichts geändert. Wir könnten schon so viel weiter sein, würde die ÖVP Pläne zum Ausbau der Kinderbetreuung nicht seit vielen Jahren torpedieren. Schon im Jahr 2016 verhinderten Sebastian Kurz und seine Getreuen die bereits vereinbarten 1,2 Milliarden Euro für den Ausbau der Kinderbetreuung und Ganztagsschulen, inclusive Rechtsanspruch. Seither verkaufen ÖVP geführte Bundesregierungen eine Kinderbildungsmogelpackung nach der anderen. Auch von den zuletzt angekündigten 4,5 Milliarden Euro ist noch nicht bekannt, wann und in welcher Form sie bei den Betroffenen ankommen werden.
Was seit Jahren in diesem Bereich politisch verabsäumt wurde, muss endlich aufgeholt werden. Die bildungsbiografische Bedeutung der Elementarbildung, inklusive des volkswirtschaftlichen Effekts dieser frühen Investition in Bildungskarrieren ist durch viele internationale Studien wissenschaftlich belegt. Elementare Bildung braucht endlich die Aufmerksamkeit und Zuwendung, die sie verdient. Es geht um die beste Bildung für alle Kinder, überall, jederzeit und kostenlos.
Daher stellen die unterzeichnenden Abgeordneten folgenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die zuständigen Bundesminister:innen für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt, für Bildung, Wissenschaft und Forschung sowie für Finanzen werden aufgefordert, einen Rechtsanspruch auf einen ganztägigen, kostenfreien, Kinderbildungs- und –betreuungsplatz ab dem ersten Lebensjahr für jedes Kind sowie eine massive und dauerhafte Erhöhung der Budgetmittel des Bundes auf 1 Milliarde Euro jährlich mehr (bzw. 1 Prozent des BIP) für die Elementare Bildung unserer Kinder umzusetzen und dafür auch im Zuge der laufenden Finanzausgleichsverhandlungen zu sorgen. Diese Mittel sollen eingesetzt werden um folgendes zu erreichen:
- Inklusive Strukturen;
- Beste Betreuung durch multiprofessionelle Teams;
- Ein gesundes, warmes kostenfreies Mittagessen;
- Alle Kindergärten sollen ganzjährig und ganztägig geöffnet sein;
- Österreichweiter Bildungsrahmenplan;
- Optimale Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten und höhere Entlohnung;
- Österreichweite Ausbildungsoffensive;
- Öffnung für differenzierte Berufsbilder in der Elementarpädagogik.“
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Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher auch mit in Verhandlung.
Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Tanja Graf. – Bitte.