Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Frau Bundesministerin, meine Frage lautet:

333/M

„Welche konkreten Maßnahmen haben Sie auf europäischer Ebene und im direkten Dialog mit dem deutschen Bundesminister für Wirtschaft und Klima­schutz, Robert Habeck, ergriffen, um eine Änderung der EU-rechtswidrigen deutschen Gasumlage zu erreichen?“

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Ministerin.

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Ich stimme mit Ihnen überein, die Einhebung der deutschen Gasspeicherumlage an den Grenzübergangspunkten zu den Nachbarstaaten ist aus meiner Sicht nicht kompatibel mit EU-Recht, sie ist auch kein gutes Zeichen für den gemeinsamen europäischen Binnenmarkt und widerspricht zum Teil auch der Solidarität, denn auch Österreich trägt ja mit seinen Speichern zur Stabilisierung des Gasmarkts in Süddeutschland bei.

Diese Umlage erschwert uns auch den Ausstieg aus russischem Gas, weil sie die Importe verteuert. Deswegen haben wir, ich und auch die Experten, Expertinnen im Klimaschutzministerium, seit August 2022, also seit dieses Thema öffentlich geworden ist und angekündigt wurde, auf fachlicher Ebene in einer Vielzahl von Austauschformaten – schriftlich, mündlich, persön­lich – auf politischer Ebene einerseits dagegen protestiert und uns anderer­seits dafür eingesetzt, dass sie wieder abgeschafft wird.

Wir haben das in zahlreichen Energieminister-, ‑ministerinnenräten diskutiert. Robert Habeck war im Februar 2023 zu Besuch in Wien, auch da haben wir das Thema diskutiert, war die Umlage ein Thema.

Wir haben nicht alles immer öffentlich gemacht, wie es sich, glaube ich, unter Nachbarn im guten nachbarschaftlichen Zusammenarbeiten auch gehört. Wir haben aber dann den Schritt auch zur Europäischen Kommission – die ein Pilotverfahren gegen Deutschland eingeleitet hat – gemacht, und zwar in einem gemeinsamen Schreiben von Österreich, Tschechien, Ungarn und Polen mit einer Beschwerde gegen diese Umlage, um eben sicherzustellen, dass auch die Europäische Kommission eine klare Position, insbesondere im Hinblick auf die EU-Rechtswidrigkeit dieser Umlage, einnimmt. Wir haben dieses Thema Anfang März 2024 auch auf der Tagesordnung des Rates gehabt. Die Energiekommis­sarin hat dazu sehr deutliche, sehr kritische Worte gefunden.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Frau Abgeordnete? – Bitte.

Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Da geht es auch um Fragen, die die Kommission betreffen. Und zwar wollten wir wissen, wie Ihr konkreter Zeitplan von der Klärung offener rechtlicher Fragen mit der Kommission bezüglich der Ausstiegsmöglichkeiten aus russischem Gas auf Basis der Trilogeinigung der europäischen Gesamtmarktverordnung bis hin zur Durchsetzung in Richtung eines tatsächlichen Ausstiegs aus dem Vertrag ist?

Sie wissen es, wir haben rechtlich ein bisschen einen anderen Blick. Wir glauben, es wäre mit dieser Regelung möglich, auszusteigen. Sie haben gesagt, es sind noch Fragen zu klären. Da würde mich eben interessieren, wie der konkrete Zeitplan zur Klärung aussieht.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Worum geht es? – Der Hintergrund: Im letzten Gasmarktpaket gibt es eine Regelung, die vorsieht, dass man an der Grenze der Europäischen Union, also an den Außengrenzen zu Russland und Weißrussland, den Import von russischem Gas physisch beschränken kann. Unsere Interpretation war – und das ist die Antwort auf die Frage; mittlerweile auch von der Europäischen Kommission uns gegenüber so bestätigt –, dass das eben nur die Außengrenzen des Binnenmarktes betrifft und damit für uns als Binnenland im Herzen der Europäischen Union nicht schlagend ist.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Abgeordneter Matznetter. – Bitte sehr.

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Danke, Frau Bundesministerin, dass Sie dargestellt haben, dass Sie sich gegen Ihren grünen Amtskollegen Robert Habeck seit Mitte 2022 nicht durchsetzen können und dass Sie versuchen, auf europäischer Ebene die Kommission zu bewegen.

Meine konkrete Frage ist: Warum bringen Sie angesichts des enormen Schadens, den die österreichische Volkswirtschaft durch die Gasumlage erleidet, nicht eine entsprechende eigene Beschwerde Österreichs beim EuGH ein, so wie damals in der Frage Maut?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Zuerst darf ich Ihnen versichern, dass ich mit Robert Habeck oft gesprochen habe, aber Robert Habeck ist – das ist wie in Österreich, wo manche Vorschläge, die ich mache, auch anders ausfallen würden, wenn ich die Entscheidung allein treffen könnte – in einer Koalition. Insofern würde ich Sie gerne ersuchen, bei Ihrer Schwesterpartei, die dort den Bundeskanzler stellt (Abg. Hörl: Aha! So geht das!), unsere Forderung zu unterstützen. Das würde helfen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Hörl: Das könnte ich auch oft sagen, Frau Gewessler! – Abg. Matznetter: Das war nicht meine Frage!) – Ich weiß. Ich beantworte natürlich auch die Frage, aber ich verbinde sie mit einer Bitte. (Abg. Leichtfried: Jetzt ist der Kollege Hörl ...!)

Wir haben alles gemacht, was notwendig war, um die europarechtliche Anfech­tung zu ermöglichen: die Europäische Kommission auf diesen Sachverhalt hingewiesen, bilateral informiert und eben jetzt auch ein Pilotverfahren eingeleitet. Dieses Verfahren gibt es ja jetzt schon.

Mein Ressort hat aber darüber hinaus auch der AGGM ein Gutachten finanziert, um die prozessualen Handlungsmöglichkeiten zu prüfen, die die Unternehmen haben, die von dieser Umlage betroffen sind. Eine zivilrechtliche Feststellungs­klage – das hat dieses Gutachten ergeben – gegen die THE, die die Umlage einhebt, ist derzeit die beste prozessuale Handlungsmöglichkeit. Die steht den Unternehmen offen.

Auch der für Energie zuständige Sektionschef bei mir im Ressort hat wiederholt die Unternehmen dazu aufgerufen, Rechtsmittel dagegen einzulegen. Wenn Sie hier unterstützen können, begrüße ich das auch sehr. Ich bin zuversichtlich, dass nach dem sogenannten Pilotverfahren der nächste Schritt im Vertrags­verlet­zungs­verfahren bald eingeleitet wird.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage stellt Abgeordneter Höfinger. – Bitte.

Abgeordneter Johann Höfinger (ÖVP): Frau Bundesminister! Gab es im Zusam­menhang mit dieser Gasumlage – Sie haben es jetzt teilweise schon skizziert, aber nochmals eine genaue Nachfrage – direkte Gespräche mit betroffenen weiteren Mitgliedstaaten beziehungsweise wie ist deren Position dazu? Oder gibt es sogar Überlegungen, rechtliche Schritte dagegen einzuleiten?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Wir haben uns im Hinblick auf die Gasumlage bei zahlreichen Gelegenheiten auch mit anderen Mitgliedsländern ausgetauscht und abgestimmt. Es ist ein Thema, das insbesondere die Nachbarländer Tschechien, Ungarn und Polen sehr intensiv bewegt, aber nicht nur diese, denn es verteuert – so die Logik – natürlich zuerst die Importe nach Österreich, aber insgesamt halt Gas, das aus Deutschland importiert wird.

Wir haben uns in dem Fall gemeinsam mit Tschechien, Ungarn und Polen mit der Beschwerde gegen die Umlage zuerst an die Kommission gewandt und Anfang März 2024 gemeinsam mit Tschechien das Thema auf die Tagesordnung des Rates gebracht. Wir sind da wirklich mit den Ländern aus der Region sehr gut abgestimmt und auch einer Meinung, und ich erwarte wie gesagt, dass der nächste Schritt im Vertragsverletzungsverfahren auch bald eingeleitet wird. Die zuständige Kommissarin hat sich beim Rat wirklich deutlich geäußert.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Frau Abgeordnete Graf. – Bitte.