16.15
Abgeordneter Hermann Weratschnig, MBA MSc (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Liebe Abgeordnete! Vielleicht ganz zu Beginn: Eine intakte Natur ist die Grundlage jeglichen Wirtschaftens. Wenn wir uns die Lebensgrundlagen kaputtmachen, wenn wir keine Lebensgrundlagen mehr haben, dann reden wir auch nicht mehr über Betriebsstandorte, wer wo hinzieht, wo welche Betriebserweiterungen sind. Es ist eigentlich eine gemeinsame Aufgabe der Gesamtgesellschaft, der Wirtschaft, Naturräume zu sichern, Lebensgrundlagen zu sichern. (Beifall bei den Grünen.)
Insbesondere ist auch die Luftqualität ein Fundament für ein gutes, gesundes Leben. Wir sind dafür verantwortlich, die Luftqualität zu sichern. Die Luftqualitätsrichtlinie gibt die Grundlage für alle Nationalstaaten, die entsprechenden Maßnahmen umzusetzen, ob jetzt das Emissionsschutzgesetz oder auch Immissionsschutzgesetze.
In diesem Sinne ist es, glaube ich, ganz wichtig, dieses Thema aktuell zu behandeln – Herr Kollege Hechenberger hat es bereits erwähnt –: die Luftqualität und insbesondere die Luftqualität in Tirol entlang der Transitstrecken. Dazu gab es gestern eine Stellungnahme der Europäischen Kommission, die sehr durchwachsen ist.
Trotzdem bin ich davon überzeugt, dass wir auf der Grundlage von europäischen Gesetzen auch unter Beweis stellen können, dass jegliche Einzelmaßnahme verhältnismäßig, angemessen ist und den Zielen, den europäischen Zielen wie auch den nationalen Zielen, entsprechen wird.
Dementsprechend möchte ich hier einen Entschließungsantrag einbringen:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Andreas Ottenschläger, Hermann Weratschnig, MBA MSc, Mag. Selma Yildirim, Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Tiroler Bevölkerung schützen und die Tiroler Landesregierung unterstützen: Gesundheits- und Umweltschutz sowie Versorgungssicherheit in Tirol haben einen höheren Wert als die freie Fahrt für Millionen von Transit-LKW“
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Herr Präsident! Der Antrag wurde ordnungsgemäß, so hoffe ich, eingebracht und wurde auch verteilt und steht somit zur Debatte. (Heiterkeit bei den Grünen.)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Danke.
Abgeordneter Hermann Weratschnig, MBA MSc (fortsetzend): Das ist die Tiroler Selbstbestimmung, ja.
Trotzdem möchte ich ihn in den Grundzügen erläutern: Die wesentlichen Punkte des Antrages sind natürlich die Transitmaßnahmen, die in Tirol gesetzt wurden, nämlich das Nachtfahrverbot, das sektorale Fahrverbot, das Wochenendfahrverbot, das Thema Euroklassen. All diese Verbote, diese Beschränkungen, auf der Grundlage von europäischen Gesetzen und nationalen Gesetzen, sind unerlässlich für die Region und sind beispielhaft, glaube ich, auch für alle anderen Bundesländer, für alle Strecken, wo es diese Transitproblematik gibt.
Der zweite Punkt ist die Notwendigkeit, Dosierungen im Schwerverkehr durchzuführen, Blockabfertigung. Wir wissen, dass gerade Tirol ein Beispiel dafür ist: An 43 Tagen, 276 Stunden wurde da dosiert, um die Versorgungssicherheit im Inntal zu gewährleisten, die Daseinsvorsorge, dass die Rettung von A nach B kommt, dass die heimische Wirtschaft auch wirtschaften kann, dass all diese wichtigen Aufgaben im Leben erfüllt werden können; deshalb braucht es auch diese Dosierung und diese Blockabfertigung.
Weiter ist der Verweis ganz klar: der Verweis auf die europäischen Richtlinien und auch auf die Instrumente, die es gibt – ob es die Alpenkonvention ist, das Verkehrsprotokoll, das Weißbuch Verkehr und natürlich auch der Green Deal als Grundlage und Maßnahme, das Ziel, nämlich die Verlagerung von der Straße auf die Schiene, auch operativ umzusetzen, auch diverse Fördermittel und andere Gelder zu lukrieren und gemeinsam in Europa diese Maßnahmen zu setzen.
Natürlich auch das Thema im Bereich Weißbuch Verkehr: Es geht einfach darum, dass es zukünftig auch verbindliche Regeln braucht, wenn wir davon sprechen, Verkehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern. Daran arbeiten wir.
Es gibt da viele Beispiele: Frau Bundesministerin, gerade im Bereich der Abfalltransporte sind wir dieses Thema, glaube ich, angegangen – schwierig, aber umsetzbar, mit dementsprechend vielen Gesprächen und auch mit einem sehr starken Dialog mit der Wirtschaft. So sollte es auch europäisch laufen: Es braucht immer diesen starken Dialog.
Der letzte Punkt ist natürlich der Brennernordzulauf. Da ist die Aufgabe, den Brennerbasistunnel in Zukunft rasch zu versorgen, diese Hauptverkehrsachse, die bereitgestellt wird, dann auch als Alternative zu bespielen – das ist ein ganz wichtiger Bereich, der auch hier in diesen Antrag aufgenommen wurde.
An dieser Stelle darf ich den Parlamentsfraktionen für ihre Bemühungen danken, all jenen, die heute hier mitstimmen, auch im Namen der Bevölkerung, der – wie sie Herr Kollege Hechenberger auch schon genannt hat – transitgeplagten Bevölkerung entlang der Routen. Da gibt es zahlreiche Routen in Österreich, der Brenner ist beispielhaft, weil dort 2,5 Millionen LKWs im Jahr über die Brennerachse – über das Unterinntal an Innsbruck vorbei durch das Wipptal über den Brenner – fahren.
Das ist eine Belastung, das ist eine Aufgabe. Dieser Aufgabe werden wir uns stellen, und wir werden uns auch den Argumenten stellen, die hier geliefert wurden. Wir werden uns auch einem europäischen Dialog stellen, um diverse Alternativen auszuarbeiten, gerade was den Bahnverkehr betrifft. – In diesem Sinne: Danke für eine breite Zustimmung. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
16.22
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Andreas Ottenschläger, Hermann Weratschnig, MBA MSc, Ing. Josef Hechenberger, Mag. Selma Yildirim, Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen
betreffend Tiroler Bevölkerung schützen und die Tiroler Landesregierung unterstützen: Gesundheits- und Umweltschutz sowie Versorgungssicherheit in Tirol haben einen höheren Wert als die freie Fahrt für Millionen von Transit-LKW
eingebracht im Zuge der Debatte über TOP 4: Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 4001/A der Abgeordneten Johannes Schmuckenschlager, Dr. Astrid Rössler, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Emissionsgesetz-Luft 2018 geändert wird (2538 d.B.)
Der Brennerkorridor ist die mit Abstand meistbefahrene Nord-Süd-Verbindung in den Alpen. Mittlerweile rollen jährlich mehr als 2,5 Millionen LKW über den Brenner. Die Tiroler Routenwahlstudie 2019 hat aufgezeigt, dass am Brenner insgesamt 33 Prozent und somit jährlich über 880.000 Lkw eine um mehr als 60 Kilometer kürzere Alternativroute über einen anderen alpenquerenden Pass gehabt hätten, aber die Route über den Brenner gewählt haben und damit als Umwegverkehr einzustufen sind. Nur 40 Prozent der Transit-LKW über den Brenner sind, wenn man dieses Kriterium heranzieht, am Bestweg unterwegs. Rund ein Fünftel aller LKW am Brennerkorridor hätten sogar eine um mehr als 120 Kilometer kürzere Alternativroute nehmen können.
Die Zunahme des Transitverkehrs ist unter anderem auf die im Vergleich zu anderen alpenüberquerenden Routen in der Schweiz oder Frankreich niedrigere Maut auf großen Teilen des Brennerkorridors (München – Verona) zurückzuführen.
Das enorme Verkehrsaufkommen bringt eine überaus große Belastung für die Bevölkerung, aber auch für die Umwelt in den Gemeinden entlang des Brennerkorridors mit sich. Zudem ist die Belastungsgrenze für die Infrastruktur am Korridor nicht nur erreicht, sondern wird sogar überschritten. Die dringend notwendigen Sanierungs- und Instandhaltungsmaßnahmen auf der A 13 Brennerautobahn in den kommenden Jahren werden baustellenbedingt die Kapazitäten noch weiter reduzieren und damit die Belastung für die Bevölkerung erhöhen.
Die derzeit geltenden Maßnahmen in Umsetzung von Unionsrecht und innerstaatlichem Recht sind als „Notmaßnahmen“ daher unerlässlich, um die Gesundheit der Bevölkerung und die Umwelt zu schützen und die Verkehrs- und Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Ohne Aufrechterhaltung der bestehenden verkehrsbeschränkenden Maßnahmen ist auf dem gesamten Straßennetz im Tiroler Inntal und Wipptal – insbesondere im Großraum Innsbruck – ein Verkehrskollaps nicht mehr zu verhindern. Dies würde dazu führen, dass die Versorgungssicherheit der Tiroler Bevölkerung und auch der Gäste nicht mehr gewährleistet werden kann. Verstopfte Straßen würden das Durchkommen von Rettungs- und Einsatzfahrzeugen unmöglich machen, wodurch die Gesundheit der entlang der Verkehrsroute lebenden Bevölkerung, aber auch der dort urlaubenden Gäste massiv gefährdet würde. Zudem würde eine weitere Zunahme des Transitverkehrs und der damit verbundenen Stauerscheinungen zu enormen gesundheitlichen Belastungen durch die emittierten Abgase, Feinstaub und Lärm führen.
Da die Belastungsgrenze sowohl für die Bürgerinnen und Bürger als auch für die Infrastruktur erreicht ist, müssen sämtliche bestehende Maßnahmen weiterhin aufrechterhalten werden. Zudem würde ein Mehr an Verkehr alle umwelt- und klimapolitischen Maßnahmen sowie nationale und europäische Klimaschutzziele konterkarieren. Eine Aufweichung der Maßnahmen würde noch mehr Transitverkehr auf dem Brennerkorridor zur Folge haben, wodurch die Lebensqualität im Bundesland Tirol massiv eingeschränkt werden würde.
Neben der unbedingten Notwendigkeit für die Aufrechterhaltung aller Maßnahmen aus Gründen des Schutzes der Gesundheit und der Umwelt sowie der Aufrechterhaltung der Verkehrs- und Versorgungssicherheit stellen auch die Alpenkonvention samt Verkehrsprotokoll und das Weißbuch für Verkehr der Europäischen Union Vorgaben dar, welche ein Aufweichen oder gar Abrücken von den derzeitigen verkehrsbeschränkenden Maßnahmen unmöglich machen. Die bevorstehende Verschärfung der Grenzwerte der EU-Luftqualitätsrichtlinie auf Basis der WHO-Leitlinien legitimiert die Beibehaltung aller die Gesundheit und Umwelt schützenden Verkehrsmaßnahmen in Tirol zusätzlich.
Im Sinne der Tiroler Bevölkerung, der Gäste in unserem Land, der Wirtschaft und des Umwelt- und Klimaschutzes sollen deshalb alle Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit und der Umwelt sowie zur Sicherstellung der Verkehrs- und Versorgungssicherheit weiterhin aufrechterhalten werden. Aus dem laufenden, von Italien eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich nach Art. 259 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union und dem bevorstehenden Gang von Minister Salvini an den Europäischen Gerichtshof ergibt sich die dringliche Notwendigkeit einer entsprechenden Willensbekundung des Nationalrates. Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung wird ersucht, die in Umsetzung von Unionsrecht und innerstaatlichem Recht verhängten verkehrsbeschränkenden Notmaßnahmen auf der Inntal- und Brennerautobahn in Tirol, die für den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung und der Umwelt vor Schadstoffen und Lärm, für die Sicherstellung der Funktionsfähigkeit einer wichtigen europäischen Hauptverkehrsachse und für die Versorgungssicherheit im gesamten Land unerlässlich sind, gemeinsam mit dem Land Tirol weiterhin mit Nachdruck zu verteidigen, da ohne die Aufrechterhaltung der aus den vorgenannten Gründen gerechtfertigten Fahrverbote und Verkehrsbeschränkungen ein Verkehrskollaps auf einer zentralen Nord-Süd-Verbindung in der Europäischen Union unausweichlich ist.
Insbesondere mögen in diesem Sinn folgende Punkte mit Nachdruck gegenüber der Europäischen Kommission und den Nachbarstaaten vertreten werden:
1. Die geltenden verkehrsbeschränkenden Maßnahmen in Umsetzung von Unionsrecht und innerstaatlichem Recht im Land Tirol sind Notmaßnahmen zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung und der Umwelt und sind für den Erhalt der Infrastruktur, zur Sicherstellung der Funktionsfähigkeit der Nord-Süd-Verkehrsachse und zur Aufrechterhaltung der Versorgung der Gemeinden entlang dieser Verkehrsachse unerlässlich. Daher wird die Bundesregierung ersucht, an sämtlichen Maßnahmen festzuhalten und die Tiroler Landesregierung hierbei weiter zu unterstützen, jedenfalls sofern und soweit diese Maßnahmen nicht durch andere mindestens ebenso wirksame Maßnahmen ersetzt werden.
2. Die geltenden verkehrsbeschränkenden Maßnahmen in Tirol zur Regulierung des Schwerverkehrs auf der Inntal- und Brennerautobahn, welche im Einklang mit der Tiroler Landesregierung und dem Tiroler Landtag getroffen wurden, müssen daher aufrechterhalten werden. Dieser Standpunkt ist auch im von Italien eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich nach Art. 259 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union aufrecht zu erhalten.
3. Weiters wird die Bundesregierung ersucht, im Rahmen des Vertragsverletzungsverfahrens sämtliche rechtlichen Möglichkeiten zu nutzen, um die Tiroler Maßnahmen zu verteidigen. Dabei sollen insbesondere auch die Alpenkonvention samt Verkehrsprotokoll, das Weißbuch „Verkehr“ und der „Green Deal“ der Europäischen Kommission samt Klimaschutzzielen entsprechende Berücksichtigung finden.
4. Weiters wird die Bundesregierung ersucht, die Europäische Kommission aufzufordern, zeitnah wirkungsvolle Maßnahmen zur Umsetzung des Weißbuchs „Verkehr“ und insbesondere Maßnahmen ohne Schlupflöcher für die Verlagerung auf die Schiene umzusetzen.
5. Zudem wird die Bundesregierung ersucht, auf die Europäische Kommission sowie die Regierungen in Deutschland und Italien einzuwirken, um zeitnah die Einführung eines intelligenten Verkehrsmanagementsystems im Sinne der von Tirol, Bayern und Südtirol unterzeichneten „Kufsteiner Erklärung“ zu erreichen.
6. Schließlich wird die Bundesregierung ersucht, auf die Regierung in Deutschland einzuwirken, den Bau der erforderlichen Zulaufstrecken für den Brenner Basistunnel schnellstmöglich zu beschließen und mit der Umsetzung zu starten. Die Zulaufstrecken sind erforderlich, um die volle Kapazität des Brenner Basistunnels auszunutzen zu können und einen wichtigen Beitrag für die Verlagerung auf die Schiene zu leisten.“
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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf Abgeordnetem Weratschnig recht herzlich für die Arbeitskooperation danken. Ich darf trotzdem nochmals feststellen, dass der Entschließungsantrag ausreichend unterstützt ist, in den Grundzügen erläutert wurde, verteilt wurde und damit in Verhandlung steht.
Ich darf im Namen von Herrn Abgeordneten Sieber recht herzlich die Gruppe, die zum 50-jährigen Maturajubiläum aus dem Franziskanergymnasium in Bozen zu uns gekommen ist, begrüßen. Es ist ein schönes Zeichen, zum Maturajubiläum nach Wien ins Parlament zu kommen – herzlichen Dank. (Allgemeiner Beifall.)
Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesminister Gewessler. – Bitte sehr.