Abgeordneter Norbert Sieber (ÖVP): Guten Morgen, Herr Bundeskanzler! Familien sind oft in der Diskussion: Ihre Situation wird diskutiert und manchmal wird auch ihre Standfestigkeit, ihr Zustand etwas bejammert.
Ich sage, Familien sind nach wie vor das Rückgrat dieser Gesellschaft. Sie sind der Stütz- und der Bewegungsapparat dieser Gesellschaft und sollten nicht nur in Krisensituationen als wichtig erachtet und gelobt werden, sondern wir sollten Familien unbedingt umfassend in den Mittelpunkt unserer Überlegungen stellen.
Meine Frage an Sie: Es sind viele Familien trotzdem herausgefordert, finanziell über die Runden zu kommen. Was tut die Regierung, um echte Wahlfreiheit sicherzustellen, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf auch in Zukunft sicherzustellen?
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Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 381/M, hat folgenden Wortlaut:
„Für viele Menschen stellt die Vereinbarkeit von Beruf und Familie eine große Herausforderung dar, was unternimmt die Bundesregierung, um die Kinderbetreuung auszubauen und echte Wahlfreiheit sicherzustellen?“
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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundeskanzler.
Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Vielen Dank. Einen schönen guten Morgen, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Wir haben mit dem neuen Finanzausgleich 2024 bis 2028 die Finanzierungsströme zwischen Bund, Ländern und Gemeinden auf neue Beine gestellt, damit die Finanzierung von großen Zukunftsthemen auch tatsächlich gesichert ist.
Einen zentralen Stellenwert stellt dabei eben auch der Ausbau der Kinderbetreuung dar. Konkret heißt das, die Bundesregierung investiert bis zum Jahr 2030 4,5 Milliarden Euro in den weiteren Ausbau der Kinderbetreuung. Das war vor allem deshalb wichtig, damit die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, die ja die Hauptlast zu tragen haben, tatsächlich eine Finanzierungssicherheit vorfinden.
Bei den Drei- bis Fünfjährigen liegt die Betreuungsquote derzeit schon bei 95 Prozent. Jetzt geht es darum, das Angebot auch für unter dreijährige Kinder deutlich zu verbessern, die Öffnungszeiten auszuweiten und die Schließtage zu reduzieren.
Völlig neu ist, dass der Bund die Länder und Gemeinden erstmalig auch bei den Personalkosten der Pädagoginnen und Pädagogen finanziell unterstützt. So sollen nicht nur neue Räumlichkeiten gebaut werden, sondern eben auch bestehende Angebote quantitativ und qualitativ verbessert werden.
Ich habe mich auch schon selbst von der Umsetzung überzeugen können – ich war bei einer Kindergartengruppe, die neu dazugekommen ist, in Stetteldorf dabei. Es kommen drei weitere Betreuungspersonen dazu, die dann für die kleinen Kinder da sein werden.
Es ist mir als Bundeskanzler wichtig, dass die Familien echte Wahlfreiheit haben – das war eigentlich das Ziel des Ganzen –, dass die Eltern darüber frei entscheiden können, wie die Kinder betreut werden. Das ist aber nur möglich, wenn Kinderbetreuung auch in ausreichendem Ausmaß angeboten wird.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Herr Abgeordneter? – Bitte.
Abgeordneter Norbert Sieber (ÖVP): Herr Bundeskanzler, es sind gute Nachrichten, dass der qualitative und quantitative Ausbau der Kinderbetreuung vorangetrieben wird, um eben die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sicherzustellen.
Trotzdem sind einige Familien in der Situation, dass sie finanziell immer vor große Herausforderungen gestellt werden: Was macht die Bundesregierung, um Familien umfassend auch finanziell zu unterstützen?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundeskanzler.
Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Es ist tatsächlich so, dass Österreich führend in der Europäischen Union ist, wenn es darum geht, Familien direkt finanziell zu unterstützen. Das ist jetzt keine politische Behauptung, sondern das ist auch ein Ergebnis des Research Centre der Europäischen Kommission, das genau das festgestellt hat.
Essenziell – gerade wegen der hohen Belastungen der letzten Jahre, wegen der Teuerung – ist auch, dass die Valorisierung der Familienleistungen erfolgt ist; wir passen damit alle Familienleistungen inklusive beispielsweise Familienbeihilfe, Mehrkindzuschlag oder Schulstartgeld jährlich an die Inflation an. Das bedeutet allein für 2024 eine Erhöhung von 9,7 Prozent. Zusätzlich haben wir schon circa in der Mitte dieser Gesetzgebungsperiode das erfolgreiche Modell des Familienbonus Plus von 1 500 auf 2 000 Euro pro Jahr und Kind ausgeweitet. Ziel des Ganzen ist – es ist tatsächlich so, wie Sie gesagt haben, Herr Abgeordneter –, den Familien in einer besonders herausfordernden Situation auch zur Seite zu stehen.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Abgeordneter Linder. – Bitte.
Abgeordneter Maximilian Linder (FPÖ): Herr Bundeskanzler, die Realität ist wirklich so, dass sich heutzutage die Familien mit einem Einzelverdiener das Leben nicht mehr leisten können. Es müssen beide arbeiten gehen, und daher stehen sie vor der Herausforderung, genügend Kinderbetreuungsplätze zu bekommen. Es ist nicht nur für uns Gemeinden die große Herausforderung, das finanzieren zu können, eine der größten Herausforderungen ist auch, dementsprechend Personal zu finden, pädagogisches Personal zu finden. Es ist heute fast nicht mehr möglich, die Gruppen voll zu betreiben, weil einfach keine Leute für die Kinderbetreuung zu bekommen sind.
Das zweite Thema ist natürlich die Finanzierung. Wenn Sie auch sagen, die Gelder sind auch für den laufenden Betrieb, wissen wir aber, der Finanzausgleich ist nur für drei Jahre verhandelt, das gibt uns keine längerfristige Sicherheit, sodass es für uns eine ganz große Herausforderung ist, noch weitere Gruppen zu schaffen und das Personal zu bekommen.
Was gedenken Sie, in diesem Bereich zu tun?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.
Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Zum einen haben wir 4,5 Milliarden Euro bis 2030 sichergestellt, Herr Abgeordneter, das heißt, damit ist auch eine Planungssicherheit für die Gemeinden gegeben. Wie gesagt, ich weiß, die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister tragen da die Hauptlast. Und ja, Sie haben recht, es ist das eine, das Geld zur Verfügung zu stellen, aber das noch viel Wichtigere wird sein, die Pädagoginnen und Pädagogen und auch die Unterstützungskräfte zu finden.
Das heißt, wir haben mit der Initiative bis 2030 – abgebildet im Finanzausgleich –, mit der Vereinbarung Bund-Länder und dem Zukunftsfonds mit 500 Millionen Euro jährlich, die Möglichkeiten geschaffen, damit jetzt tatsächlich die Umsetzungsschritte eingeleitet werden können. (Abg. Linder: Danke!)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Frau Abgeordnete Künsberg Sarre. – Bitte sehr.
Abgeordnete Mag. Martina Künsberg Sarre (NEOS): Herr Bundeskanzler, guten Morgen! Die Unterschiede zwischen den Bundesländern in der Kinderbetreuung sind ja enorm.
Was tun Sie, dass die Nachzügler, wie beispielsweise Oberösterreich und Niederösterreich, diesen Aufholprozess starten? Laut Kinderbetreuungsmonitor von Frau Bundesministerin Raab ist in diesen Ländern der Anteil an VIF-konformen Plätzen sogar zurückgegangen.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundeskanzler.
Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Wir haben es ja tatsächlich bei den Verhandlungen zum Finanzausgleich – und Sie wissen, das ist sehr komplex, es braucht die Einstimmigkeit, damit der Finanzausgleich, also die Aufteilung der Steuereinnahmen Bund-Land, tatsächlich zustande kommt – auch erreicht, der Finanzminister im Besonderen, gemeinsam mit der Familienministerin, dass im Zukunftsfonds auch Ziele abgebildet sind, und damit ist sichergestellt, dass das Geld von den Ländern auch abgerufen werden kann, um da die Investitionen zu tätigen.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Abgeordneter Oxonitsch. – Bitte.
Abgeordneter Christian Oxonitsch (SPÖ): Guten Morgen, Herr Bundeskanzler! Sie haben angesprochen, dass Österreich laut einer Studie führend im Bereich der Familienförderung ist. Die Frage ist nur: Ist das System der Familienförderung auch gerecht? Sie verteidigen – und Sie haben es auch angesprochen – immer wieder ein Modell der Familienförderung, das Menschen mit besserem Einkommen, theoretisch Sie oder mich, eigentlich im Bereich des Familienbonus Plus mehr bevorzugt und diesen mehr Geld zur Verfügung stellt als einer Alleinerzieherin. Wir wissen natürlich auch aus diversen Untersuchungen, dass gerade Alleinerzieher:innen zum Beispiel von der Teuerung besonders stark betroffen sind.
Daher stellt sich für mich die Frage: Haben Sie vor, an diesem Modell, das Besserverdienende, einkommensstärkere Familien eindeutig bevorzugt, etwas zu ändern? (Beifall bei der SPÖ.)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.
Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Ich glaube, sehr geehrter Herr Abgeordneter, man muss auch differenzieren. Das eine ist so, dass der Familienbonus Plus mit jetzt 2 000 Euro pro Jahr und Kind auch für die Menschen da ist, die tatsächlich die Leistungsträgerinnen und Leistungsträger in der Finanzierung unseres solidarischen Wohlfahrtsstaates sind und eben auch da die Unterstützung im Familienbereich aus meiner Sicht im wahrsten Sinne des Wortes verdienen, weil sie auch einen großen Beitrag zur solidarischen Gesellschaft leisten, dass dann eben Menschen mit schlechteren finanziellen Voraussetzungen geholfen werden kann.
Wir haben auch bei der Abschaffung der kalten Progression, des schleichenden Lohnfraßes, hinsichtlich des letzten Drittels gerade auch auf Alleinerziehende besonders Rücksicht genommen, um sie finanziell besserzustellen. Diese erhalten nun 60 Euro pro Monat und Kind. Das heißt, dass wir einerseits durch Maßnahmen generell im Steuersystem und in der Familienförderung, und andererseits aber auch wieder bei der Abschaffung der kalten Progression mit dem letzten Drittel besonders genau auf diese Gruppe auch Bedacht genommen haben. (Beifall bei der ÖVP.)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordneter Kucher. – Bitte sehr.