15.00

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Herr Präsident! Werte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werter Herr Staatssekretär! Wer­te Kolleginnen und Kollegen! Liebe alle, die Sie uns heute zuschauen! Wenn Sie sich erinnern, am 15. März, es war Sonntag, sind wir hier in einer doch sehr historischen Sitzung des Nationalrates beisammen gesessen und es gab einen Schulterschluss, nämlich – und ich sage das auch heute wieder – einen überzeugten Schulterschluss, um vor allem Ihnen, Herr Gesundheitsminister, Maßnahmen zu ermöglichen, die notwendig sind, um zumindest die Dynamik - - (kurz innehaltend), die Dynamik der Ausbreitung des Virus, im Wege eines Shutdowns oder wie auch immer, zu verlangsamen. (Unruhe im Saal.) – Entschuldigung, ich habe jetzt nur kurz unterbrochen, weil es hier doch recht laut ist, Herr Präsident!

Präsident Ing. Norbert Hofer: Liebe Kolleginnen und Kollegen! Darf ich bitten, den Ge­räuschpegel ein bisschen zu senken? – Besten Dank. (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. Maurer.)

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (fortsetzend): Danke, meine Herr­schaften. Es ist wichtig, es geht um die Wirtschaft.

Wir haben uns diesem Schulterschluss selbstverständlich angeschlossen. Wir haben sogar darauf gedrängt, um eben die Dynamik der Ausbreitung des Virus zu verlang­samen. Wenn Sie sich aber erinnern: Am 15. März bin ich hier gestanden und habe gesagt: Es geht jetzt um die Gesundheit, und gleich danach geht es um alles. Wir haben von Anfang an – Kollege Schellhorn und ich, ich weiß es ganz genau – gesagt: In dieser Gesundheitskrise, die sich, und das war uns völlig klar, zu einer massiven Wirtschafts- und sozialen Krise auswachsen wird, braucht es eine Balance der Maßnahmen, die ei­nerseits sicherstellt, dass das Gesundheitssystem nicht kippt, andererseits aber auch garantiert, dass weder die Gesellschaft noch die Wirtschaft, noch die Betriebe ins Kippen geraten.

Diese Ermächtigung, die wir gegeben haben, hat dann dazu geführt, dass von einem Tag auf den anderen Unternehmen, Unternehmerinnen und Unternehmer, Betriebe teil­weise direkt, teilweise indirekt – direkt, weil sie ihre Unternehmen mehr oder weniger zusperren mussten, oder indirekt, weil Sie drangehangen sind –, keine Einnahmen, kei­ne Umsätze mehr hatten. Es war ihnen verboten, zu wirtschaften. Mit der Sitzung an diesem Sonntag haben Sie von einem Tag auf den anderen – und das hätten wir anders gemacht, es gab auch entsprechende gemeinsame Anträge vonseiten der gesamten Opposition, dass man das anders macht – den Entschädigungsanspruch, den es für die­se Betriebe, die von den Maßnahmen direkt, unmittelbar betroffen sind, nach dem Epide­miegesetz gegeben hat, ausgehebelt, abgeschafft.

Da sind also Betriebe, die, wenn Sie so wollen, sich über Jahre, Jahrzehnte darauf ver­lassen haben, dass es eine Art Versicherung gibt, wenn so ein Fall eintritt, auf einmal vor der Situation gestanden, dass sie gewusst haben, jetzt sind sie Bittsteller. Diese Menschen – hinter jedem Betrieb stehen Menschen – haben jahrelang durch ihre Tat­kraft, durch ihren Mut, durch ihre Risikobereitschaft, durch ihre Innovationskraft und, ja, auch durch ihren wirtschaftlichen Erfolg letztlich die Millionen an Steuereinnahmen gene­riert, die unter anderem auch dafür gesorgt haben, dass wir so ein gutes Gesundheits­system haben, auf das wir uns auch in dieser Krise so gut verlassen konnten. Diese Menschen haben Sie von einem Tag auf den anderen – und wir haben das heute auch schon gehört – zu Bittstellern degradiert. Menschen, die sich selber als Leistungsträger des gesamten Systems in Österreich verstanden haben, wurden Bittsteller, abhängig von der Gunst der Regierenden. Bei verschiedenen Stellen konnten sie sich für Hilfsleis­tungen anstellen.

Ich glaube auch – und das habe ich am 15. März schon gesagt, als Sie damals ein erstes Rettungspaket in Höhe von 4 Milliarden Euro präsentiert haben –, dass Sie die wirt­schaftlichen und damit auch die sozialen und gesellschaftlichen Auswirkungen komplett unterschätzt haben. Wenn Sie sich erinnern: Sie haben mich damals verhöhnt. Ich habe gesagt – und alle, die sich auskennen, wissen das –: 4 Milliarden Euro für alle, die ihren Betrieb schließen müssen, das ist ein Hohn; die wissen jetzt schon, dass sich das nicht ausgehen wird. – So war es ja dann auch, Sie mussten nachlegen. Gut – oder besser gesagt: nicht gut –, das war das Wirtschaftsdrama im ersten Akt.

Kommen wir jetzt zum zweiten Akt dieses Wirtschaftsdramas, dem Anlaufen der Wirt­schaftshilfen: Am 16. März habe ich einen Gastkommentar geschrieben – und am 17. oder am 18. März, glaube ich, hat sich Sepp Schellhorn sehr lautstark zu Wort gemel­det – und habe gesagt: Liquidität ist das Beatmungsgerät der Unternehmen. Was die Unternehmen jetzt brauchen, ist Liquidität, und zwar nicht in vier Wochen, nicht in acht Wochen, nicht in zwölf Wochen, sondern jetzt; denn ganz viele Unternehmen, selbst die, die gut dagestanden sind, mittelgroße Handelsunternehmen, haben gesagt, sie stem­men das zwei Wochen, wenn es keine Liquiditätsunterstützung gibt.

Während die Schweiz oder auch Deutschland – wenn Sie auch ein Beispiel für ein Land wollen, das Mitglied der Europäischen Union ist – bewiesen haben, dass sie es auf die Reihe bekommen, den Betrieben rasch, unbürokratisch eine Unterstützung zukommen zu lassen, ersticken die Menschen in Österreich im Bürokratismus und vergiften sich am Misstrauen, das ihnen von den Regierenden entgegengebracht wird. Ja, es ist Miss­trauen, das Sie den Menschen entgegengebracht haben; nicht nur bei der Frage, ob sie die Maßnahmen einhalten, sondern auch den Unternehmerinnen und Unternehmern, den EPUs, die sich nun als Bittsteller für diese Wirtschaftshilfen anstellen mussten, ha­ben Sie gesagt: Da müssen wir aber schon genau prüfen, ob ihr eigentlich wirklich be­dürftig seid! – Misstrauen.

Das ging so weit, dass der Herr Bundeskanzler in der Sendung „Frühstück bei mir“ sinn­gemäß gesagt hat: Die werden halt zu deppert gewesen sein, den Antrag richtig aus­zufüllen (Abg. Belakowitsch: Nein, er hat gesagt ...!), oder, wer weiß, vielleicht haben sie das ja an der Steuer vorbei gemacht! – Ein Generalverdacht, ausgesprochen gegen­über den Unternehmerinnen und Unternehmern, dass sie alle potenzielle Steuerhinter­zieher sind! Mit diesem Misstrauen werden wir nicht aus der Krise kommen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den NEOS.)

In diesem zweiten Akt des Wirtschaftsdramas treten auf einmal auch neue Persönlichkei­ten auf, Mitglieder des türkisen Machtnetzwerkes. Ein Beispiel: Harald Mahrer. Er sagt dann: Auch wir, die Wirtschaftskammer, müssen da eine Rolle spielen, also bitte, lasst doch uns diese Wirtschaftshilfen abwickeln! Dabei wissen Sie – wir haben es im Aus­schuss und ein paar Tage später auch im Plenum diskutiert –: Da es doch die es Finanz­ämter gibt, die, wie wir heute im Übrigen gehört haben, binnen Tagen hervorragende Arbeit geleistet haben, ist es nachgerade absurd, auf die Idee zu kommen, da eine völlig neue Institution einzurichten. Die Wirtschaftskammer ist für einen Teil der Menschen, die dort Hilfe gesucht haben, gar nicht zuständig, weil sie keine Mitglieder der Wirtschafts­kammer sind. – Es ging dabei vielleicht doch ein wenig darum, türkise Hegemonialpolitik zu betreiben und sozusagen das Machtnetzwerk auszubauen.

Das Drama wird dann weitergeführt mit dem Fixkostenzuschuss: Auch den haben wir sehr früh gefordert, da gab es ja auch schon früh ein Papier in der Schweiz, das besagt hat, dass es auch da nicht rückzahlbare Zuschüsse geben muss. Auch dazu muss man sagen: Ja, das gibt es, aber man kann nicht gerade sagen, dass das schnell gekommen ist; man kann nicht gerade sagen, dass es unbürokratisch ist. Es ist langsam, es ist schleppend, und auch das ist bürokratisch.

Ich weiß, Ihre Erzählung ist natürlich: Brüssel ist schuld, die böse, böse EU ist schuld! Das hat sogar Sebastian Kurz in einem Interview gesagt; unwidersprochen, wohlge­merkt, durfte er dort sagen: „Die Schweiz ist unter den Top-Staaten [...] weil sie nicht an EU-Regeln gebunden [...] ist.“ – Sehr geehrte Damen und Herren, insbesondere die Ju­risten unter Ihnen, wer sagt es ihm? (Abg. Loacker: Die Ministerin nicht, weil die glaubt den Schas auch!) – Die Ministerin glaubt es leider auch. (Beifall bei den NEOS.) Selbst­verständlich wissen wir, dass die Schweiz, weil sie natürlich am Binnenmarkt in Europa teilnimmt, schon lange einen Großteil der Regeln und Regularien übernommen hat, und es ist einfach falsch, was er da von sich gegeben hat.

Kommen wir also zu dem EU-Bashing, das die Frau Minister sehr gerne betreibt, zum Thema Beihilfenrecht: Da gibt es das Ach-und-Weh-Klagen: Die EU ist schuld, wir wür­den ja gerne unsere Betriebe unterstützen, aber nein, das Beihilfenrecht steht dem ent­gegen! – Bereits am 19. März, meine Damen und Herren, hat die Europäische Kommis­sion das Beihilfenrecht so gelockert, dass klar war, dass Wirtschaftshilfen gemacht wer­den können. Bereits am 3. April wurde die Möglichkeit geschaffen, den Betrieben Kredite bis zu 800 000 Euro zu 100 Prozent garantiert zu geben. Da waren wir weit davon ent­fernt, Frau Minister, dass auch nur ein einziger Cent von einer Bank an einen Betrieb geflossen ist. Also Ihre ewigen Ausreden, dass Brüssel schuld sei, das geht einfach an den Fakten vorbei, komplett ins Leere.

Lassen Sie mich noch einen Satz zum Beihilfenrecht sagen – ich höre nämlich, es wäre Ihnen am liebsten, wenn das ausgesetzt wird –; überlegen wir einmal: Jetzt geht es vor allem um die nächste Phase. In der ersten Phase wirft man Rettungsringe, ohne lange zu fragen, aber wenn es jetzt um wirklich konjunkturbelebende Maßnahmen oder viel­leicht auch um Stützung von Unternehmen geht, muss man anders handeln. Jetzt geht es darum, dass wir nicht die stützen, die vielleicht 2019 schon insolvent waren. Das werden Sie ja wohl auch nicht wollen – das hat auf jeden Fall Gernot Blümel, glaube ich, einmal in einem Interview gesagt –, das wäre jedenfalls überschießend. Genau das sagt ja auch das Beihilfenrecht. Sie wissen, dass es jederzeit möglich ist, insbesondere den kleinsten, kleinen und auch mittleren Betrieben Beihilfen bis zu 200 000 Euro zur Verfü­gung zu stellen – und zwar ohne Prüfung –, und Sie wissen auch, dass es die Bereit­schaft gibt, jede einzelne Beihilfe, die Sie vorhaben, sofort – binnen Tagen – von der Kom­mission prüfen zu lassen.

Machen wir einmal eine kurze Denkübung, was passieren würde, wenn wirklich das Bei­hilfenrecht ausgesetzt würde, wie Sie sich das vorstellen: Da ist das etatistische Frank­reich sofort dabei und subventioniert die Industrie, Deutschland, weil es sich das leisten kann, macht das auch massiv, in Ländern, die sich bis jetzt schon nicht an Spielregeln gehalten haben – wie Sie das ja auch richtigerweise sagen –, wie Italien kommt es zu einem flotten Subventionieren der eigenen Betriebe. – Der freie und vor allem faire Wett­bewerb in Europa wäre Geschichte, und gerade eine kleine, offene Volkswirtschaft, die so auf kleinen, mittelständischen Betrieben aufgebaut ist, hätte da das Nachsehen. Frau Minister, sind Sie Wirtschaftsministerin Österreichs oder Venezuelas?, frage ich Sie heu­te hier. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Matznetter.)

Übrigens, welche Auswirkungen exzessive staatliche Beihilfen haben können, das hat uns, glaube ich, die Hypo Alpe-Adria eindrucksvoll vor Augen geführt. Ich würde also sagen: Lassen wir lieber die Finger von solchen Marktverzerrungen und dann letztlich Megapleiten!.

Aber gut – oder besser: nein, nicht gut –, es ist ja auch eine Weltwirtschaftskrise, wie Sie betonen – wohl auch, um zu verschleiern, welchen Anteil Sie dereinst an den Pleiten, die passieren werden, an den Betriebsschließungen, die es geben wird, und damit auch den arbeitslos gewordenen Menschen zu verantworten haben werden. Glauben Sie mir, die wird es massiv geben, und das ist durchaus auch auf Ihre Politik zurückzuführen!

Kommen wir zum dritten Akt des Wirtschaftsdramas: Also trat die Bundesregierung vor Entschlossenheit strotzend, mit seriöser Miene, gut ausgeleuchtet einmal mehr vor die Kameras – vor die Medien – und verkündete weißen Rauch aus der Krisenklausur. – Ich finde es eigentlich sehr schade, dass Sie das nicht Zuversichtsklausur genannt haben, weil ich tatsächlich glaube, dass es das ist, was die Menschen, was die Betriebe, was die Unternehmerinnen und Unternehmer jetzt am meisten brauchen: einen optimisti­schen, zuversichtlichen Blick in die Zukunft – der übrigens auch eines bedeutet: nicht weiter drohen mit Shutdowns im Herbst (Zwischenruf des Abg. Haubner), das ist ganz, ganz wichtig. Also eine Aussage wie: Wir werden das klüger, wir werden das smarter machen als das letzte Mal!, das wäre eine wirklich zuversichtliche Rhetorik, die notwen­dig wäre, um das Vertrauen der Menschen, insbesondere der Unternehmerinnen und Unternehmer wiederherzustellen, dass es besser wird.

Also gut: Sie traten vor die Kameras, und die Minister – oder Ministerdarsteller, wie ich sie manchmal nenne – verkündeten die Vorhaben, mehrere weitere Pakete. So, und das will ich jetzt sehr ernst machen und ganz ohne Ironie: Da ist viel Gutes drin – da ist auch viel drin, was wir gefordert haben. Da möchte ich jetzt wirklich nicht hintanstehen, zu sagen, dass da auch wichtige Maßnahmen enthalten sind, wie zum Beispiel die Möglich­keit eines Verlustrücktrags – das haben wir gefordert – oder auch steuerbegünstigte In­vestitionen.

Das sind richtige Maßnahmen, das Problem ist aber, dass da auch einige Maßnahmen enthalten sind, die Klientelismus pur sind, die nichts damit zu tun haben, dass Menschen besonders hart von der Krise getroffen wurden, oder auch nichts damit zu tun haben, dass es konjunkturbelebende Auswirkungen hat; zum Beispiel die Erhöhung der Bauern­pensionen. Ich habe ja nichts dagegen, aber sagen Sie mir bitte: Wo ist da jetzt der wirkliche Härtefall durch Covid und wo ist da die konjunkturbelebende Maßnahme? Die Gefahr droht, dass Sie sich hier in einem Klein-Klein und in einem Klientelismus par excellence ergehen. Je nachdem welche Lobby mehr Druck macht, gibt es da und dort weiter Geldgeschenke. Man könnte ja auch sagen, das ist ein Spendieraktionismus, den Sie hier an den Tag legen.

Es gibt tatsächlich drei große Probleme. Das erste ist: Aufgrund dieser verkorksten Wirt­schaftshilfe am Beginn – und die haben Sie wirklich schlecht gemacht – haben die Men­schen das Vertrauen in die Regierenden verloren, dass diese es zustande bringen, dass es jetzt besser wird. Absichtserklärungen oder auch schöne Pressekonferenzen reichen nämlich nicht, wenn zwischen der Absicht und der tatsächlichen Realisierung eine breite, in zeitlicher Hinsicht, und tiefe, in bürokratischer Hinsicht, Kluft liegt – und diese Kluft ist gewaltig!

Die Menschen spüren das ja: Sie können noch so oft erzählen, dass das alles so rasch und unbürokratisch passiert, der Friseur, den es betrifft, die Betriebe, die es betrifft, die teilweise noch immer auf die Gelder für die Kurzarbeit warten, die wissen ja, dass das nicht stimmt. Und glauben Sie mir, sie erzählen das auch ihren Kunden, weil sie so ange­fressen sind (Abg. Schmidhofer: Wir glauben es nicht!), dass das alles einfach irgend­wie so eine schöne – wie soll man sagen? – Fototapete ist, die sie da sehen. Die Men­schen haben mittlerweile gemerkt, dass diese inszenierten Pressekonferenzen, dass ei­ne Schlagzeile noch keine gute Wirtschaftspolitik macht. Es fehlt tatsächlich, und das meine ich ernst, an Substanz – an wirklicher Substanz dahinter – und offensichtlich, und auch das meine ich ernst, an Fachkompetenz – aus der Praxis kommend –, was das für Betriebe heißt.

Zweitens: Während man am Beginn – das habe ich schon gesagt, und auch darüber haben wir diskutiert; es gab ja auch genügend Papiere von Ökonomen, die gesagt ha­ben, gerade bei den raschen Hilfen zu Beginn darf Moral Hazard keine Rolle spielen – ohne Prüfung rasch Rettungsringe hätte werfen sollen, wurde geprüft. Jetzt aber, da man sehr zielgerichtet helfen sollte, greift man zur Gießkanne. Das Resultat ist ein umfas­sendes Stückwerk, bei dem eigentlich der gesamthafte Plan dahinter, der Vertrauen und Zuversicht schafft, fehlt.

So, und nun zum dritten Punkt, und der ist mir besonders wichtig: Ich weiß, Sie stehen auf das Wort Comeback, ich bin aber überzeugt davon, in vielen, vielen Teilen braucht es kein Comeback, sondern den Mut zu einer echten Erneuerung. Wir haben nämlich in dieser Krise ganz viel gesehen, das nicht gut funktioniert, wo Ungerechtigkeiten oder systemische Schwächen vorhanden sind oder schon längst Reformen hätten gemacht werden müssen, die in 30 Jahren, in denen die ÖVP in der Regierung ist, nicht ange­gangen wurden, beispielsweise die Digitalisierung in der Schule – ich weiß, da ist ges­tern etwas vorgestellt worden; huuu (Abg. Schmidhofer: Was denn, ja was denn?), Wahnsinnsgeschwindigkeit einer Schnecke, bis 2023 werden wir WLAN in den Schulen haben! – oder auch die Frage: Erreichen wir jedes Kind, lassen wir da nicht Kinder zu­rück?

Betreffend die mangelnde Absicherung von EPUs, von freischaffenden Künstlerinnen und Künstlern, von Selbstständigen gab es nichts. Betreffend die sehr dünne Eigenkapi­taldecke, Frau Minister, gibt es seit Jahren Vorschläge von uns. Da gibt es die Möglich­keit, Anreize zu setzen, dass Eigenkapital gestärkt wird, beispielsweise die steuerliche Gleichbehandlung oder durch ein Private-Equity-Gesetz. All das hätte die ÖVP in 30 Jahren machen können. Die hohe Belastung durch Bürokratie, durch Steuern, durch Lohnnebenkosten, ja, die würgt die Unternehmerinnen und Unternehmern jetzt auch noch ordentlich. Das alles hätten Sie angehen können.

Es braucht jetzt diesen Mut zu einer echten Erneuerung und zu großen Schritten – weil ich vorhin auch gehört habe: immerhin kleine Schritte; die Macht der kleinen Schritte – in Richtung von Reformen, weg von dem Klein-Klein zu einem gesamthaften Plan, wie wir aus dieser Krise wirklich wieder gut herauskommen – ja, vielleicht sogar stärker he­rauskommen, weil wir wesentliche Hausaufgaben gemacht haben, die vorher nicht ge­macht wurden.

Wenn es jetzt – das ist sozusagen nicht die Bundesebene, sondern die Landesebene; ich schaue nach Wien, wo Gutscheine ausgeteilt werden – auch noch so einen gewissen Spendieraktionismus föderalen Charakters nach dem Motto: Wer ist gütiger, wer bietet mehr?, gibt, dann ist das auch problematisch; auch das ist kein gesamthafter Konjunktur­plan. Es braucht die besten und die effektivsten Maßnahmen – die übrigens auch den Klimaschutz mitnehmen; das ist nämlich jetzt eine enorme Chance, wenn man so viel Geld in die Hand nimmt – und nicht jene Maßnahmen, bei denen man das meiste Geld für bestimmte Klientelen in die Hand nimmt.

Krisen wurden dann gut gemeistert, wenn es eine zentrale Koordinationsstelle gegeben hat. Sie als ÖVP wollten das nicht, aber der Flüchtlingskoordinator hat gute Arbeit ge­macht. Direkt in der Gesundheitskrise hätten wir es durchaus gut gefunden, wenn es einen Krisenkoordinator gegeben hätte; da gab es ja auch verschiedene Zuständig­keiten, und vielleicht wäre das manchmal sinnhafter gewesen, als dass in 90 Presse­konferenzen die ewig gleichen vier Minister Unterschiedliches sagen. (Zwischenruf der Abg. Niss.)

Wir als NEOS sind davon überzeugt, dass Sie in dieser Regierung dringend einen Wirt­schaftskoordinator bräuchten, der dann übrigens auch die Bundesländer mitnimmt und einen gesamthaften Plan vorlegt, wie wir wirklich gut und richtig und gestärkt aus dieser Krise kommen. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und FPÖ.)

15.19

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer Stellungnahme hat sich Frau Bundesministerin Dr. Margarete Schramböck zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Bundesministerin.