Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Frau Minister! Im Zuge der Coronakrise kam es zu großflächigen Zensurmaßnahmen sowohl seitens heimischer Medien als auch seitens globaler Konzerne. Insbesondere Inhalte, welche die vom Coronavirus aus­gehende Gefahr anders einschätzten als viele Regierungen, wurden gnadenlos gelöscht und als Verbreitung von Desinformation gebrandmarkt.

Twitter, Facebook, Youtube löschten angeblich sensible Inhalte, entfernten Videos we­gen Verstoßes gegen Communityrichtlinien, aber auch der ORF fühlte sich hier mehr der Bundesregierung verpflichtet als seinen Sehern und der objektiven und unabhängigen Berichterstattung, ignorierte abweichende Meinungen weitgehend und löschte in den Onlinekommentaren angebliche Fakenews. Wohlgemerkt handelte es sich da zu einem guten Teil sehr oft auch um Meinungen sehr renommierter Mediziner, die ja im Sinne von Transparenz, die Sie ja auch sehr schätzen, zumindest aufgezeigt werden sollten.

Daher meine Frage an Sie:

19/M

„Planen Sie Zensurmaßnahmen, insbesondere im Internet?“

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Ich möchte zunächst einmal festhalten, was Zensur ist. Zensur ist die be­hördliche Löschung, Nichtveröffentlichung von Inhalten. – Das ist etwas, was in Öster­reich absolut verboten ist. Zensur ist in Österreich verboten, und zwar schon durch einen Beschluss der Provisorischen Nationalversammlung aus dem Jahr 1918. Daher gebe ich ganz klar die Antwort: Nein, wir planen nichts, was in irgendeiner Form einer Zensur auch nur ähnlich ist.

Ich sage Ihnen aber auch ganz deutlich: Das, was ich nicht zulassen werde, ist, dass über Plattformen, über soziale Medien extremistische, antisemitische Inhalte verbreitet werden. Und da bedarf es ganz klar einer Inpflichtnahme der Plattformen, die da ja Träger sind, die manchmal Brandbeschleuniger auch für solches Gedankengut sind. Da bedarf es auch ganz klar einer Verfolgung derer, die diese Nachrichten beleidigend, als Hass im Netz, antisemitisch, extremistisch auf diese Art und Weise verbreiten wollen.

Kampf gegen Desinformation ist auch etwas, was auf der Agenda der Europäischen Union steht. Ich bin diesbezüglich auch in Abstimmung und in engem Kontakt mit der zuständigen Vizepräsidentin Věra Jourová, die auch die Notwendigkeit sieht, ein ge­mein­sames Vorgehen der Mitgliedstaaten innerhalb der Europäischen Union vorzu­sehen, dass man einerseits natürlich Meinungsfreiheit ermöglicht, auf der anderen Seite aber extremistisches, antisemitisches Gedankengut nicht verbreitet werden kann und die Informationen zwischen den Mitgliedstaaten diesbezüglich auch rasch ausgetauscht werden können und – ich sage es noch einmal – Plattformen da auch in die Pflicht ge­nommen werden.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Fürst? – Bitte.

Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Was halten Sie persönlich davon, dass jetzt, das weiß man ja, viele Meinungen von renommierten Medizinern, viele Videos, Mei­nungs­äußerungen gelöscht worden sind, die keineswegs in irgendeiner Form extremis­tisch oder aufhetzend waren, sondern einfach sachlich und nachvollziehbar, aber eben eine andere Einschätzung im Zuge der Coronapandemie?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Ich habe es einmal in einem Interview so formuliert: Der Grat zwischen dumm und gefährlich ist manchmal ein schmaler. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Gerade was Desinformation betrifft, müssen wir genau hinschauen: Das eine ist die Freiheit der Meinungsäußerung, das andere ist das Nichtzulassen des Verbreitens von Desinformation, die letztlich auch die Gesundheit gefährden kann. Das war es ja, was in der Covid-19-Krise an vorderster Stelle stand: der Schutz der Gesundheit, der Schutz vor Informationen, die im Endeffekt Krankheit, Ausbreitung der Infektion, Anstieg von Infektionszahlen fördern.

Es ist natürlich notwendig, da die richtige Balance zu finden. In Deutschland gibt es ein Gesetz, das jetzt auch nachgebessert wird, damit es eben nicht zu einem überbor­denden Löschen von Informationen kommt. Die Balance ist schwierig zu finden, aber ich glaube, gerade in einem Rechtsstaat ist es notwendig, sich entsprechend dafür ein­zusetzen, dass beides möglich ist, nämlich einerseits eine Gesellschaft frei von Desinfor­mation, von Hass, von Hetze und andererseits eine Gesellschaft, die liberal ist und in der es die Freiheit der Meinungsäußerung gibt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der Grünen.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Frau Abgeordnete Kucharowits. – Bitte.

Abgeordnete Katharina Kucharowits (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Ich zitiere: „Der Digitaler Krisenstab im Bundeskanzleramt fördert die Zusammenarbeit von Medien, Zivilgesellschaft und Wissenschaft gegen Falschmeldungen rund um das Corona Virus durch die Einrichtung eines gesamtgesellschaftlichen ,Aufdecker Netzwerks‘.“ – So heißt es auf der Homepage österreich.gv.at.

Frau Ministerin! Man hört und sieht nichts. Im März gab es die Meldung, es seien 150 Fakenews identifiziert worden. Durch wen und was genau wurde eigentlich identi­fiziert und wie ist der aktuelle Stand?

Und gekoppelt daran: Frau Ministerin, Sie sind und waren ja auch auf europäischer Ebene aufgefordert vonseiten der Europäischen Kommission, einen Maßnahmenkatalog sozusagen aufzulegen, vorzulegen, zu übermitteln. Was haben Sie da im Konnex mit der Covid-19-Krise übermittelt und was ist die Erkenntnis der Bundesregierung – für den Fall, dass es eine gibt – im Zusammenhang mit dem Einsatz digitaler Contacttracing­tools? – Vielen Dank.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Während der Covid-19-Krise kam es zur Einrichtung einer Arbeitsgruppe im Bundeskanzleramt eben zu dem Zweck, den Sie angeführt haben, dass man Desinformation, Fakenews rasch identifiziert und löscht.

Es gibt nämlich ein Charakteristikum: Falsche Nachrichten, Fakenews verbreiten sich ungleich schneller als richtige Meldungen. Es erschließt sich mir noch immer nicht ganz, warum das der Fall ist, aber offensichtlich ist das Bedürfnis, irgendwelche Sensations­meldungen, die letzten Endes falsch sind, schneller zu verbreiten, größer.

Die Arbeitsgruppe hat sich aus Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Bundeskanzleramt, JournalistInnen, Experten, die dann mit den Plattformen Kontakt aufnahmen, um derartige Dinge zu löschen, zusammengesetzt. Es ist aber in Zukunft notwendig, das auch gesetzlich vorzusehen und hier eine Löschungsverpflichtung der Plattformen gesetzlich zu etablieren, was jetzt noch nicht der Fall ist, weil das eher freiwillig passiert, und es braucht ja auch entsprechende Ansprechpartner.

Um Ihre Frage zu beantworten, was auf europäischer Ebene eingemeldet ist: Ich bin da in einem engen und ständigen Austausch mit Vizepräsidentin Věra Jourová, und wir haben zum Beispiel auch besprochen, dass es diese Maßnahme gibt. Zukünftig wird darauf zu achten sein, dass das wirklich auch akkordiert im europäischen Raum von­stattengeht.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die 9. Anfrage stellt Abgeordnete Prammer. – Bitte.