10.39

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Herr Präsident! Frau Minister! Hohes Haus! Werte Zuseher zu Hause! Ja, wir sind mitten in einer Wirtschaftskrise und damit auch mitten in einer Sozialkrise. Man braucht sich die Zahlen nur anzuschauen oder mit offenen Augen durch die Städte zu gehen, dann weiß man, was sich derzeit abspielt. Wir haben natürlich – Kollege Wöginger hat es zwar positiv dargestellt – nach wie vor ein massives Problem: in Summe knapp 850 000 Österreicherinnen und Österreicher, die nicht oder nur in Kurzarbeit arbeiten, das heißt, die entweder arbeitslos oder in Kurzarbeit sind.

Das ist nach wie vor erschreckend, und wenn man sich die aktuelle Entwicklung an­schaut, auch die Nachrichten von der Industrie – der Kollege aus Oberösterreich (in Richtung Abg. Wöginger) sollte es wissen –, dann ist klar: Diese Zeichen sind natürlich Alarmsignale, das heißt, da ist nicht zu erwarten, dass eine Entspannung kommen wird.

Wir haben ganz klar gesagt: Es sind sehr, sehr viele Menschen derzeit arbeitslos, und zwar unverschuldet arbeitslos, weil eben die Betriebe teilweise geschlossen sind oder schließen mussten, weil einfach der Markt weggebrochen ist, und diesen Leuten muss man auch in der Arbeitslosigkeit, jetzt in dieser Phase, in dieser Krise helfen. Deshalb unterstützen wir das auch und bringen einen eigenen Antrag ein, um die Erhöhung des Arbeitslosengeldes um 30 Prozent durchzubringen. Das ist notwendig, damit die Menschen auch ihre Miete zahlen können, ihre Lebensmittel bezahlen können und ihre Kinder versorgen können. Das wäre das Mindeste in diesem Bereich, in dem ich von den Grünen sowieso, aber auch von der ÖVP doch mehr soziales Gewissen einfordern würde.

Ein kurzer Hinweis noch zu den berühmten 450 Euro, die dann im September ausge­schüttet werden: Sie vergessen – und das sind diese kleinen Fehler, die sich in den letzten Monaten summiert haben –: Wenn jemand im April und im Mai arbeitslos war und im Juni wieder in Arbeit ist, dann fällt er um diesen Betrag um, und das ist eine Ge­schichte, die Sie in Wahrheit auch niemandem erklären können.

Was auch fehlt – und das ist ein Thema, das Sie früher immer vollmundig verkündet haben –: Sie haben gesagt, die Systemerhalter, die Helden der Krise werden alle eine entsprechende Belohnung, einen Bonus oder Geld bekommen. – Fragen Sie einmal die MitarbeiterInnen in den Supermärkten oder im Krankenhaus: Da ist nichts angekommen! Das heißt, die warten heute noch auf nicht nur schöne Worte, sondern auf handfeste Geldzahlungen für die Leistung, die sie in den Anfangswochen der Krise erbracht haben.

Wir haben eine ganz andere Philosophie zu diesem Thema und das haben wir jetzt schon mehrmals gesagt: Ich glaube, es ist notwendig, die Konjunktur anzukurbeln, da wäre der Österreichtausender ideal, mit dem die Menschen wirklich – mit diesen Gutscheinen – in der lokalen Wirtschaft einkaufen könnten. Das würde die Konjunktur beleben.

Ich sage es schon noch einmal: Wenn man jetzt nach Oberösterreich schaut, dann geht halt diese Panikmache wieder weiter. (Abg. Haubner: Na ja, so ist das ja nicht! Das ist ja keine Panikmache! Schauen Sie nach Südamerika!) Das ist genau die Sache, die einfach kontraproduktiv ist. Wenn Sie nicht Optimismus und Stabilität vermitteln können, dann werden Sie auch die Wirtschaft nicht in Gang bringen und Sie werden die soziale Krise leider Gottes verlängern. Das ist der falsche Ansatz – und da kommt eben nichts. Ich habe gedacht, die letzten Wochen hat die ÖVP dazugelernt, aber ich merke schon wieder, Sie fallen in Ihr altes Muster zurück: Todesangst, Panik, weil in Oberösterreich zwei Cluster aufgepoppt sind, die man ganz schön lokalisieren kann. Plötzlich sollen in Oberösterreich wieder alle Masken tragen. Das ist der absolut falsche Weg!

Ein kleiner Hinweis auch an die Sozialdemokratie, und das muss ich schon einmal ganz klar sagen, weil Sie jetzt die Idee in Ihrem Programm für Österreich haben, die Arbeitszeit auf 30 Stunden zu reduzieren: Streuen Sie den Leuten nicht Sand in die Augen! Wir werden mehr arbeiten müssen, um diese Kosten, die aufgelaufen sind, zu bezahlen. Wir müssen Leistung belohnen, Arbeit belohnen, die Fleißigen belohnen und nicht die Arbeitszeit reduzieren. Das wird nicht funktionieren.

Ich bringe zum Schluss noch einen Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Er­höhung der Nettoersatzrate beim Bezug des Arbeitslosengeldes (COVID-19-Maß­nahme)“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die zum Inhalt hat, dass allen beim Arbeitsmarktservice als arbeitslos registrierten Personen, der Bezug der aktuellen Leistung um die Dauer der Krise, mindestens jedoch bis zum 31.Mai 2021 verlängert wird und zusätzlich ein ,COVID-19-Ausgleich‘ für Arbeitslose in Form eines 30-%igen Zuschlages zu allen Arbeitslosenversicherungsleistungen rück­wirkend mit 15. März 2020 gewährt wird. Dieser Zuschlag soll über die Finanzämter, bei denen alle Daten aller Erwerbstätigen vorhanden sind, automatisch, also ohne formale AntragsteIlung, ausgezahlt werden.“

*****

Danke. (Beifall bei Abgeordneten der FPÖ.)

10.44

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Peter Wurm, Edith Mühlberghuber, Peter Schmiedlechner

und weiterer Abgeordneter

betreffend Erhöhung der Nettoersatzrate beim Bezug des Arbeitslosengeldes (COVID-19-Maßnahme)

eingebracht im Zuge der Debatte zu Top 1) Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (285 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Arbeits­losenversicherungsgesetz 1977, das Arbeitsmarktservicegesetz, das Familienlasten­ausgleichsgesetz 1967 und das Arbeitsmarktförderungsgesetz geändert werden (319 d.B.) in der 45. Sitzung des Nationalrats (XXVII GP.) am 8. Juli 2020.

Die von der schwarz-grünen Bundesregierung unter Bundeskanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Werner Kogler gesetzten COVID-19-Maßnahmen seit März 2020 haben massive negative Auswirkungen auf den österreichischen Arbeitsmarkt, die Österreich die höchste Zahl an Arbeitslosen und die meisten Arbeitnehmer in Kurzarbeit seit 1945 beschert haben. Mit Stichtag 13. April 2020 wurden vom Arbeitsmarktservice (AMS) in Österreich insgesamt 588.234 Arbeitslose inklusive Schulungsteilnehmer registriert. Mit Stichtag 1. Juni 2020 wurde vom AMS COVID-19-Arbeitsmarktzahlen von 1.881.735 Arbeitnehmern in Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit dokumentiert.

Gegenüber dem Vergleichszeitraum Mai 2019 hat die Arbeitslosigkeit (ohne Schulungs­teilnehmer) im Mai 2020 über alle Branche hinweg ein Plus von 194.352 auf nicht weniger als 473.300 Personen oder +69,7 Prozent zu verzeichnen. Inklusive AMS-Schulungsteilnehmern lag man Ende Mai bei einer Gesamtarbeitslosenzahl von 517.221 Personen.

Bei den männlichen Arbeitskräften stieg die Arbeitslosigkeit um 100.194 oder +67,9 Prozent auf 247.764 Personen ohne Beschäftigung. Bei weiblichen Arbeitskräften stieg die Arbeitslosigkeit um 94.158 oder sogar um +71,7 Prozent auf 225.536 Personen. Die Arbeitslosenquote bei Frauen liegt aktuell bei 11,9 Prozent, die bei Männern per Ende Mai bei 11,3 Prozent. Auch die Ausländerarbeitslosigkeit ist bedingt durch die Aus­wirkungen der COVID-19-Maßnahmen um 80.542 Personen auf 169.821 oder +90,2 Prozent gestiegen. Demgegenüber stieg die Inländerarbeitslosigkeit um 113.810 oder +60 Prozent auf 303.479 Personen.

Die österreichischen Bundesländer sind ebenfalls in unterschiedlichem Ausmaß von den Folgen der Coronavirus-Pandemie am Arbeitsmarkt betroffen. Negative Spitzenreiter in Sachen Arbeitslosigkeit sind die Tourismusbundesländer Tirol mit einer Steigerung der Arbeitslosigkeit von +111,1 Prozent und Salzburg mit +100,1 Prozent. Es folgen die Steiermark (+84,6 Prozent), Vorarlberg (+77,9 Prozent), Oberösterreich (+77,0 Prozent), Kärnten (+70,6 Prozent), Burgenland (+63,5 Prozent), Niederösterreich (+58,7 Prozent) und Wien (+57,2 Prozent).

Bei den Altersgruppen, die von der COVID-19-Arbeitslosigkeit betroffen sind, sticht die Gruppe der Jugendlichen (bis zum 25. Lebensjahr) heraus, wo es zu einem Anstieg von +103,8 Prozent zum Vergleichszeitraum Mai 2019 gekommen ist. Es folgt die Be­schäftigtengruppe im Haupterwerbsalter (25. bis 49. Lebensjahr) mit einem Anstieg von +75,5 Prozent und jene der Altersgruppe der über 50 Jährigen Arbeitnehmer mit +49,8 Prozent.

Bei den Ausbildungskategorien finden sich im Folge der COVID-19-Maßnahmen keine signifikanten Unterschiede zwischen Personen mit Pflichtschulabschluss und Akade­mikern. Die am stärksten betroffene Gruppe ist jene mit höherer Ausbildung (+74,2 Prozent), gefolgt von Personen mit Lehrausbildung (+70,0 Prozent), Personen mit max. Pflichtschulausbildung (+68,8 Prozent), Personen mit mittlerer Ausbildung (+67,2 Prozent) und Personen mit akademischer Ausbildung (+54,1 Prozent).

Die Wirtschaftssektoren sind ebenfalls in unterschiedlicher Art und Weise vom Wirtschaftseinbruch im Zuge der COVID-19-Krise betroffen. Der Sektor Beherbergung und Gastronomie hatte einen Anstieg von +143,3 Prozent im Vergleich Juni 2020 zu Juni 2019 zu verzeichnen. Es folgt die Bauwirtschaft mit +84,8 Prozent, gefolgt von Verkehr und Lagerei mit +83,6 Prozent, der Herstellung von Waren mit +62,9 Prozent, der Handel mit +59,9 Prozent, die Arbeitskräfteüberlassung mit +59,3 Prozent und das Gesundheits- und Sozialwesen mit +55,6 Prozent.

Dazu kommt, dass die Langzeitarbeitslosigkeit, (Personenkreis, der länger als 12 Monate arbeitslos ist), durch die einschneidenden Wirtschaftsmaßnahmen ebenfalls um 20,4 Prozent angestiegen ist und derzeit nicht weniger als 57.517 Personen beträgt.

Das bedeutet, dass weit mehr als eine halbe Millionen Menschen seit März 2020 mit lediglich 55 Prozent ihres letzten Nettogehalts ihre Lebenshaltung (Nahrungsmittel, Wohn- und Betriebskosten usw.) bestreiten müssen. Die weit überwiegende Anzahl dieser betroffenen Arbeitslosen hat durch die COVID-19-Maßnahmen der Bundes­regierung den Arbeitsplatz verloren bzw. wurde der Chance beraubt, nach einer Phase der Arbeitslosigkeit oder einer AMS-Aus-, Fort- und Weiterbildung wieder in den Arbeits­markt integriert zu werden.

Um dieser Gruppe von rund 500.000 Personen einen finanziellen Ausgleich für die Arbeitsplatzvernichtung durch die COVID-19-Maßnahmen der Bundesregierung zu gewährleisten und damit ihr ökonomisches Überleben abzusichern, ist aber eine Erhöhung der Nettoersatzrate des Arbeitslosengeldes (inklusive Notstandshilfe) von 55 Prozent auf 70 Prozent dringend notwendig und auch volkswirtschaftspolitisch ver­nünftig. Dies ist durch eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes und der Notstandshilfe inklusive der Familienzuschläge um 30 Prozent (entspricht einer Nettoersatzrate von 70 Prozent) umzusetzen.

Durch diese 15 prozentige Nettorersatzratenerhöhung wird die Kaufkraft und damit auch die innerösterreichische Konjunktur durch vermehrte Konsumausgaben gestärkt. Dies führt wiederum zu vermehrten Einnahmen der Unternehmer, aber auch Steuerein­nah­men und schafft dadurch neue Arbeitsplätze bzw. sichert bestehende Arbeitsplätze ab.

Demgegenüber sind die arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen der schwarz-grünen Bun­desregierung, die von Arbeitsministerin Christine Aschbacher (ÖVP) und Sozialminister Rudolf Anschober (Die Grünen) vorgestellt worden sind, absolut untauglich. Ein „Arbeits­marktbonus“ von lediglich 450 Euro für die Monate Juli bis September, wobei man zwei von diesen drei Monaten durchgehend arbeitslos sein muss, ist weder treffsicher noch sozial. Ganz im Gegenteil, die seit Mitte März durch Regierungsmaßnahmen bewusst pro­duzierte Arbeitslosigkeit wird ignoriert, und man enthält den betroffenen Arbeit­neh­mern einen gerechten Ausgleich vor.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend eine Regierungsvorlage zuzu­leiten, die zum Inhalt hat, dass allen beim Arbeitsmarktservice als arbeitslos registrierten Personen, der Bezug der aktuellen Leistung um die Dauer der Krise, mindestens jedoch bis zum 31.Mai 2021 verlängert wird und zusätzlich ein "COVID-19-Ausgleich" für Ar­beitslose in Form eines 30-%igen Zuschlages zu allen Arbeitslosenversiche­rungsleistun­gen rückwirkend mit 15. März 2020 gewährt wird. Dieser Zuschlag soll über die Finanz­ämter, bei denen alle Daten aller Erwerbstätigen vorhanden sind, automatisch, also ohne formale AntragsteIlung, ausgezahlt werden.“

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Koza. – Bitte.