13.30

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Frau Präsidentin! Herr Bundesmi­nister! Kollege Schallmeiner hat vorhin gemeint, dass die Argumente des Kollegen Loacker jeglicher Grundlage entbehren. Die Frage, was denn hier jeglicher Grundlage entbehrt, trifft es ganz gut, das sind nämlich leider in vielen Bereichen die Verordnungen und gesetzlichen Bestimmungen des Herrn Bundesministers Anschober.

Wir erinnern uns: Wir dürfen niemanden zu Hause besuchen! – Diese Aussage hat jeg­licher Grundlage entbehrt, denn diese gesetzliche Regelung gab es einfach nie. Wir er­innern uns: Man muss, wenn man sich im öffentlichen Raum bewegt, 1 Meter Abstand halten! – Laut dem Landesverwaltungsgericht Wien entbehrt auch diese Aussage jegli­cher Grundlage. Wir erinnern uns auch noch daran, dass der Herr Bundesminister ur­sprünglich wollte, dass die Polizei bei jemandem zu Hause einfach so anläuten und Nachschau halten kann – auch das hätte jeglicher Grundlage entbehrt. Das ist auch der Grund, wieso wir bei den Maßnahmen, die der Herr Bundesminister hier vorschlägt und die jetzt auch noch abgeändert werden, so kritisch sind: weil das Vertrauen schlichtweg nicht mehr da ist, dass das, was aus dem Ministerium kommt, richtig funktioniert. (Beifall bei den NEOS.)

Die Skurrilität ist insbesondere, dass das jetzt von den Grünen kommt, dass die Polizei da mit zusätzlichen Möglichkeiten ausgestattet werden soll – und wir erinnern uns: Sie soll Nachschau halten, vorbeugende Rechtsbelehrungen im öffentlichen Raum machen. Also wenn ich 1,19 Meter von Frau Kollegin Belakowitsch entfernt gehe, kommt die Poli­zei vorbei und sagt: Passen Sie auf, denn es könnte sein, dass Sie jetzt bald diesen 1 Meter Abstand, der jetzt laut Landesverwaltungsgericht eigentlich eh nicht mehr vorge­schrieben ist, Sie wissen, unterschreiten! – Das ist schon irritierend.

Jetzt kommt etwas dazu, nämlich dass die Polizei offensichtlich Arbeit machen soll – so wirkt es zumindest, dann gibt es ein paar Klarstellungen, aber in erster Linie wirkt es so ‑, die eigentlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten ist. Es ist gerade nicht so, dass sie diagnostizieren sollen, sie sollen nur nachfragen, steht jetzt drinnen. Ich stelle mir das dann sehr spannend vor, abgesehen davon, dass sie Daten sammeln und vielleicht – das hat Kollege Schallmeiner gesagt – die Kopie hoffentlich nachher wegschmeißen. Ich frage mich: Was ist, wenn sie die Kopie nicht wegschmeißen? – Das wäre irritierend.

Wir haben ja so etwas Ähnliches schon gehabt, nämlich dass Gesundheitsdaten an Bür­germeisterinnen und Bürgermeister weitergegeben werden sollen. Ich habe das hier scharf kritisiert. Es gab dann einen Bürgermeister, der auch hier bei uns im Hohen Haus ist, Kollegen Christoph Stark, der selbst gesagt hat – obwohl er da mitgestimmt hat –, er will das nicht, weil er diese Gesundheitsdaten als sehr sensibel ansieht und das dem­entsprechend auch nicht haben will.

Herr Bundesminister, ich bin der Meinung, dass es nicht die Aufgabe der Polizei ist, Gesundheitsdaten zu sammeln, und auch nicht, Bürgerinnen und Bürger zu fragen, was sie denn eventuell für Krankheitssymptome haben. (Abg. Belakowitsch: Eine Anamne­se zu erheben!) Ich stelle mir das sehr spannend vor, Kollege Kucher hat es schön ausgeführt: Haben Sie einen trockenen Husten? Haben Sie einen feuchten Husten?

Ich habe dann überlegt, Herr Bundesminister, und an meine Zeit als Rettungssanitäter zurückgedacht. Ich bin ausgebildeter Rettungssanitäter und war Zivildiener; ich darf jetzt nicht mehr als Rettungssanitäter tätig sein, weil ich die Prüfungen nicht gemacht habe, aber ich erinnere mich an die Ausbildung: Zwei Monate lang hat man uns ausgebildet, uns erklärt, wie Krankheitssymptome ausschauen, was das denn bedeutet, damit wir als wirklich einfache Rettungssanitäter ein bisschen einordnen können, was das denn be­deutet, wenn jemand sagt, er hat Schmerzen im Brustkorb oder Bauchweh oder einen Husten. Man hat uns immer – zu Recht – eingetrichtert, dass wir keinesfalls darüber hinausgehend – außer diese Fragen zu stellen – irgendetwas diagnostizieren dürfen; al­lerhöchstens eine Verdachtsdiagnose, denn die Diagnostik obliegt Ärztinnen und Ärzten.

Ich habe dann später auch unterrichtet, habe Zivildiener unterrichtet und ihnen erklärt, was sie rechtlich dürfen. Ich habe jetzt während der ganzen Debatte an einen Straftat­bestand zurückdenken müssen, bei dem ich immer gesagt habe: Da müsst ihr aufpas­sen! Das ist der § 184 des StGB, Kurpfuscherei. (Heiterkeit der Abg. Meinl-Reisinger.) Da steht drinnen: „Wer, ohne die zur Ausübung des ärztlichen Berufes erforderliche Ausbildung erhalten zu haben, eine Tätigkeit, die den Ärzten“ - - (Zwischenbemerkung von Bundesminister Anschober. – Abg. Meinl-Reisinger: Es ist ja so!) – Gibt es nicht mehr? Haben Sie gesagt, das gibt es nicht mehr? (Bundesminister Anschober: Nein, ich habe gesagt, das gibt es in der Politik ...!) – Ach so!

Jedenfalls ist es in Österreich strafbar: „Wer, ohne die zur Ausübung des ärztlichen Beru­fes erforderliche Ausbildung erhalten zu haben, eine Tätigkeit, die den Ärzten vorbehal­ten ist, in bezug auf eine größere Zahl von Menschen gewerbsmäßig“ – das ist in dem Fall nicht vorgesehen; wobei: die Polizistinnen und Polizisten kriegen ja Geld dafür, dass sie es machen, also vielleicht ist es sogar gewerbsmäßig – „ausübt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten [...] zu bestrafen.“ (Bundesminister Anschober: ... nicht lustig!) – Nein, das ist überhaupt nicht lustig, Herr Bundesminister. (Beifall bei NEOS und FPÖ sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Deswegen hat der Gesetzgeber ja auch festgeschrieben, dass gewisse Aufgaben Ärztin­nen und Ärzten und dem Gesundheitspersonal vorbehalten sind; deswegen gibt es das, weil es eben nicht lustig ist. (Beifall bei NEOS und FPÖ, bei Abgeordneten der SPÖ sowie Bravoruf der Abg. Meinl-Reisinger. – Zwischenbemerkung von Bundesminister Anschober. – Zwischenruf bei der ÖVP.)

Zu guter Letzt, Herr Bundesminister, aber noch etwas Versöhnliches, das auch dazu passt: Es gibt eine Verordnung aus Ihrem Haus, die für einzelne Personen offensichtlich nicht nachvollziehbar und verständlich ist. Es haben sich in den letzten Wochen mehrere binationale Paare an uns gewandt, haben auch über Twitter und Facebook unter den Hashtags Love is not Tourism und Love is essential auf ihre Situation aufmerksam ge­macht, nämlich dass es schwierig ist, sich als binationales Paar zu treffen, wenn man nicht schon verheiratet ist oder im gleichen Haushalt lebt und so weiter und so fort.

Das Problem ist ganz einfach, dass da eine Verordnung von Ihnen zumindest nicht so klar verstanden wird. (Bundesminister Anschober: Schon klargestellt! Wichtiger Punkt!) – Das ist mir klar, Sie haben es klargestellt, doch es ist von diesen Paaren bis heute nicht so verstanden worden, dass sie wissen, dass sie sich wieder treffen dürfen. Deswegen bin ich auch sehr froh, dass ich gemeinsam mit Frau Kollegin Neßler und Herrn Kollegen Sieber hier einen Antrag zustande gebracht habe, der das auch klarstellt, sodass auch für alle binationalen Paare wieder klar ist, dass sie – natürlich nach der Quarantäne oder den entsprechenden Testungen – wieder die Möglichkeit haben, sich zu treffen.

Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak‚ MA, Norbert Sieber, Barbara Neßler, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „Keine zwangsweise Trennung von internationalen, unver­heirateten Paaren mehr“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pfle­ge und Konsumentenschutz, wird aufgefordert, klarzustellen, dass unter ‚besonders be­rücksichtigungswürdigen Gründen im familiären Kreis im Einzelfall‘ nach § 3 Z 3 der Verordnung über die Einreise nach Österreich in Zusammenhang mit der Eindämmung von SARS-CoV-2 auch Besuche durch nicht-verpartnerte und unverheiratete Partner bzw. Partnerinnen von in Österreich ansässigen Personen unabhängig vom Herkunfts­land und unabhängig von einem gemeinsamen Haushalt zu verstehen sind.“

*****

Herr Bundesminister, stellen Sie das so laut klar, wie es irgendwie möglich ist (Bun­desminister Anschober: Schon passiert!), und schauen Sie auch gemeinsam mit den Beamtinnen und Beamten, die die Grenzkontrollen machen und an den Flughäfen Dienst tun, dass das klar ist, weil es sicher komplex ist, kundzutun und zu beweisen, dass ich hier einen Partner oder eine Partnerin habe, mit dem oder der ich in einer Beziehung lebe, nicht verheiratet bin, nicht im selben Haushalt lebe. Diese Menschen haben sich seit Wochen, seit Monaten nicht gesehen und haben ein dringendes Bedürfnis, das wie­der zu tun. Ich glaube, wir sollten alles daransetzen, dass das wieder möglich ist. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und FPÖ.)

13.37

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Nikolaus Scherak‚ Norbert Sieber, Barbara Neßler, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Keine zwangsweise Trennung von internationalen, unverheirateten Paaren mehr

eingebracht im Zuge der Debatte in der 47. Sitzung des Nationalrats über den Bericht und Antrag des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Kom­munalsteuergesetz 1993 und das Epidemiegesetz 1950 geändert werden (337 d.B.) – TOP 6

Durch den Antrag des Wirtschaftsausschusses (337 d.B.) wird anlässlich der Covid-19-Pandemie im Epidemiegesetz eine Bestimmung eingeführt, die es Polizist_innen ermög­licht, Krankheitssymptome bei Corona-Verdachtsfällen zu erheben. Eine weitere Aufga­be der Sicherheitsbehörden in Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie ist für die Vollziehung der Corona-Einreisebestimmungen zu sorgen. Dafür braucht es aber auch klare Vorgaben.

In den vergangenen Tagen und Wochen wurden Fälle von internationalen Paaren be­kannt, die verzweifelt sind, da sie sich auf Grund der Corona-Krise nicht sehen können und auch nicht absehbar ist, wann dies wieder der Fall sein wird. Unter dem Hashtag #LoveIsNotTourism und #LoveIsEssential machen hunderte internationale, unverheira­tete Paare online auf ihre schwierige Situation aufmerksam. Auch die EU-Kommissarin für Inneres, Ylva Johansson, unterstützt die Anliegen der Betroffenen und hat die Re­gierungen der Mitgliedsstaaten dazu aufgerufen den Begriff der "Partnerschaft" so weit wie möglich zu fassen und Lebenspartner_innen von EU-Bürger_innen oder EU-Einwohne­r_innen von den aktuellen Corona-Einreisebeschränkungen auszunehmen (https://twit­ter.com/YlvaJohansson/status/1278622428298649602).

Österreich hat die Einreisebeschränkungen innerhalb des Schengenraums sowie mit einigen anderen europäischen Ländern gelockert, aber für die meisten Staaten (wie bei­spielsweise die USA) gelten weiterhin strenge Einreiseverbote. Ausnahmen gibt es nur wenige, unter anderem für im gleichen Haushalt lebende Familienangehörige. Das sind aber im Fall von Liebesbeziehungen nur Ehegatt_innen oder eingetragene Partner_in­nen im gemeinsamen Haushalt. Weiters gibt es eine Einreisemöglichkeit "aus besonders berücksichigungswürdigen Gründen im familiären Kreis im Einzelfall". Dazu zählen laut der Webseite des BMSGPK "z.B. Besuche von Familienangehörigen bei Krankheit oder eigener Kinder im Rahmen von Obsorgepflichten, ein Besuch der Lebenspartnerin oder des Lebenspartners. Zudem besondere Anlässe wie z.B. Taufe, Geburtstag, Begräbnis oder Hochzeit. Der besonders berücksichtigungswürdige Grund im familiären Kreis muss bei der Kontrolle nachgewiesen werden, beispielsweise durch die Vorlage einer Geburtsurkunde, einer Meldebestätigung oder Passkopie des Familienmitgliedes." (https://www.sozialministerium.at/Informationen-zum-Coronavirus/Coronavirus---Haeu­fig-gestellte-Fragen/FAQ--Reisen-und-KonsumentInnenschutz.html - Stand: 06.07.2020, 14:30).

Klarheit über die geltenden Bedingungen ist sowohl für die betroffenen Paare dringend notwendig, also auch für die vollziehenden Beamt_innen.

In Dänemark gelten Ausnahmen auch für "sweethearts", es ist dabei kein gemeinsamer Haushalt erforderlich (https://politi.dk/en/coronavirus-in-denmark/travelling-in-or-out-of-denmark/persons-resident-in-banned-countries). Dazu stellen die dänischen Behörden sogar ein eigenes Formular zur Verfügung, welches als Beweis für das Bestehen der Beziehung bei der Einreise vorgelegt werden muss (https://politi.dk/en/-/media/medie­filer/corona/rejseerklaeringer/04-declaration-solemn-declaration-on-relationship-for-use-in-connection-with-entry.pdf). Darin muss bestätigt werden, dass die Beziehung seit min­destens drei Monaten besteht und bereits persönliche Treffen erfolgt sind.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pfle­ge und Konsumentenschutz, wird aufgefordert, klarzustellen, dass unter „besonders be­rücksichtigungswürdigen Gründen im familiären Kreis im Einzelfall“ nach § 3 Z 3 der Verordnung über die Einreise nach Österreich in Zusammenhang mit der Eindämmung von SARS-CoV-2 auch Besuche durch nicht-verpartnerte und unverheiratete Partner bzw. Partnerinnen von in Österreich ansässigen Personen unabhängig vom Herkunfts­land und unabhängig von einem gemeinsamen Haushalt zu verstehen sind.“

*****

Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht.

Zu Wort ist zu diesem Tagesordnungspunkt niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Auch diese Abstimmung werde ich an den Schluss der Verhandlungen über die Vorlagen des Ausschusses für innere Angelegenheiten – das ist TOP 10 – verlegen, und ich fahre in der Erledigung der Tagesordnung fort.