14.11

Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank, ich darf Ihnen für Ihre verantwor­tungsvolle Tätigkeit in den nächsten Jahren alles Gute wünschen! Ich freue mich auf eine gedeihliche Zusammenarbeit im Sinne guter Lösungen für die Bevölkerung unse­res Landes.

Ich habe den Reden sehr erfreut entnommen, auch der Rede des Herrn Bundeskanz­lers – der kurzen Rede des Herrn Bundeskanzlers –, dass es wieder ein respektvolles Miteinander mit dem Parlament geben soll. Das wäre im Sinne unserer Demokratie sehr wichtig. Wir haben jetzt eine Abkühlphase durch die Übergangsregierung hinter uns, in der sachliche Diskussionen stattgefunden haben, aber wir haben davor eine Phase der Dialogverweigerung, des Getöses, der Polemik von der Regierungsbank aus gehabt. Ich denke, es wäre gut, wieder zu einem anderen Stil, zum alten, zum ge­wohnten Stil in diesem Hause zurückzufinden, nämlich zu einer sachlichen Auseinan­dersetzung, insbesondere von Regierungsseite, um entsprechend an gemeinsamen und guten Lösungen arbeiten zu können.

Wir diskutieren heute das Regierungsprogramm. In Kommentaren diverser Medien liest man von der Einschätzung, dass Dinge, die der ÖVP wichtig waren, im Regierungs­programm sehr konkret sind, dass die gut festgezurrt sind und dass Dinge, die der ÖVP weniger wichtig waren oder nicht so wichtig sind, im Regierungsprogramm weni­ger konkret festgelegt sind, dass sich dort Sollbestimmungen finden, dass dort die Ziel­größen fehlen, dass das Umsetzungsdatum fehlt. Herr Vizekanzler, auch bei sinner­fassendem Lesen – ich habe mir das angesehen – muss man sagen, dass diese Ein­schätzung auf weiten Strecken leider sehr richtig ist, und das leider vor allem in Be­reichen, die uns besonders wichtig sind, in Bereichen, in denen es um Fragen der so­zialen Gerechtigkeit geht.

Im Regierungsprogramm finden sich wichtige Maßnahmen – konkreter und unkonkre­ter – zu Fragen des Klimaschutzes. Das ist sehr zu begrüßen, sehr zu unterstreichen, denn da geht es um unser aller Lebensgrundlage, aber nicht nur die Lebensgrundlage, sondern auch die Existenz der Menschen in unserem Land, und zwar aller in diesem Land, sicherzustellen ist wichtig. Das ist etwas, was wir nicht gegeneinander ausspie­len dürfen.

Ein bisschen zieht sich durchs Regierungsprogramm ein Gedanke, den ich an einem kleinen Beispiel festmachen möchte, das aber zeigt, worin die Gefahr besteht, die sich durch viele Kapitel zieht: Im Kapitel Bildung wird festgeschrieben, dass künftig in den Kindergärten und in den Schulen das Essen biologisch sein soll – das ist gut, wir alle wollen, dass unsere Kinder gesund ernährt werden –, aber vergessen wurde darauf, dafür zu sorgen, dass alle Kinder ein warmes Mittagessen haben, dass es ein Gratis­mittagessen für alle Kinder gibt, deren Eltern es sich nicht leisten können. (Beifall bei der SPÖ.)

Das ist ein gutes Beispiel dafür, dass wir die Dinge nicht gegeneinander ausspielen dürfen und auch keinesfalls auf die soziale Dimension, die die wichtigen Anliegen ha­ben, vergessen dürfen.

Ich möchte mich noch einem zweiten Beispiel widmen: dem Familienbonus. Der Fa­milienbonus ist eine gute Sache. Es ist grundsätzlich gut, wenn jungen Familien mit Kindern unter die Arme gegriffen und auch finanziell geholfen wird. In der derzeitigen Form hat der Familienbonus aber den aus unserer Sicht gravierenden Konstruktions­fehler, dass jene Familien, jene Eltern, die mehr verdienen, viel verdienen, viel be­kommen und jene Eltern, die nichts haben oder wenig verdienen, nichts oder wenig be­kommen. Das ist aus unserer Sicht paradox, denn in der Familienpolitik in Österreich hat in den letzten Jahrzehnten eigentlich immer der Grundsatz gegolten, dass jedes Kind gleich viel wert sein soll. (Beifall bei der SPÖ.)

Jedes Kind soll gleich viel wert sein, und wir hatten und haben auch Unterstützungen, wodurch denen mehr geholfen wird, die es auch mehr brauchen. Das heißt, aus un­serer Sicht wäre da dringend Verbesserungsbedarf gegeben.

Es sind Änderungen im Regierungsprogramm vorgesehen, die aber genau der Logik entsprechen, dass die, die jetzt schon viel bekommen, noch mehr bekommen und die, die wenig oder gar nichts bekommen, ein bissel etwas mehr oder nichts mehr be­kommen. Unserem Bestreben nach sollte das dahin gehend geändert werden, dass je­des Kind gleich viel wert ist, dass jede Familie mit kleinen Kindern gleich viel bekommt. Jede Familie soll von dem Familienbonus in gleichem Ausmaß profitieren, 1 750 Euro für jede Familie. Daher bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Andrea Kuntzl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „jedes Kind muss gleich viel wert sein“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen, wird aufgefor­dert, dem Nationalrat ehestmöglich einen Gesetzesvorschlag vorzulegen, mit dem der Familienbonus von 1.750 €/Jahr sozial gerecht für jedes Kind, unabhängig vom Ein­kommen der Eltern, in der vollen Höhe in Anspruch genommen werden kann, und ent­weder als negativsteuerfähige Gutschrift in voller Höhe ausbezahlt wird oder bereits in der laufenden Lohnsteuerabrechnung berücksichtigt werden kann.“

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Sehr geehrte Damen und Herren! In dem Regierungsprogramm sind tatsächlich große Steuergeschenke für jene, die viel haben, vorgesehen: der Spitzensteuersatz für Ein­kommen über eine Million soll gestrichen werden; die KÖSt-Entlastung für Großkonzer­ne – 1,5 Milliarden Steuergeschenke; das können Sie nachrechnen, das ist so. Diese Leistung für die Familien in unserem Land mit kleinen Kindern ist finanzierbar, Sie müssen nur ein bisschen umschichten.

Daran zu erinnern, dass die soziale Frage auch in den kommenden Jahren nicht ver­gessen werden darf, ist unsere Aufgabe als stärkste Oppositionspartei. (Beifall bei der SPÖ.)

14.18

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag.a Andrea Kuntzl, Petra Wimmer,

Genossinnen und Genossen

betreffend jedes Kind muss gleich viel wert sein

eingebracht im Zuge der Debatte zu Top 1 über Erklärungen des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates an­lässlich des Amtsantrittes der neuen Bundesregierung

Begründung

Der von ÖVP und FPÖ eingeführte Familienbonus hat einen Konstruktionsfehler. Der Familienbonus von 1.500 € je Kind kann nämlich nur dann in voller Höhe beansprucht werden, wenn zumindest Einkommen-/Lohnsteuer in dieser Höhe auch gezahlt wurde. Sozial gerecht wäre es gewesen, dass, wie auch bei der Familienbeihilfe, jedes Kind „gleich viel wert ist“, daher für jedes Kind 1.500 € Familienbonus, unabhängig vom Einkommen der Eltern, ausgezahlt werden kann. ÖVP und FPÖ haben selber erkannt, dass niedrige Einkommen, die keine Einkommen-/Lohnsteuer zahlen, von dem schwarz­blauen Familienbonus nichts hätten, und deswegen den "Kindermehrbetrag" ersonnen. Das heißt, wer so wenig verdient, dass er keine Lohn- und Einkommensteuer zahlt, be­kommt 250 € je Kind. Gar nichts davon bekommen Kinder von Eltern, die länger als 11 Monate arbeitslos sind oder Mindestsicherung beziehen.

Im Ergebnis wird das Kind eines Spitzenverdieners sechsmal höher gefördert als das Kind von BezieherInnen niedriger Einkommen.

In ihrem Wahlprogramm haben die Grünen diese Ungerechtigkeit erkannt und ge­fordert: „Wir wollen eine Umgestaltung des Familienbonus und eine faire Entlastung für alle Kinder: ganz egal, wie gut oder schlecht die Eltern verdienen“ 1 Im Regierungspro­gramm von ÖVP und Grünen passiert genau das Gegenteil.

Unter dem Titel „Paket zur Armutsbekämpfung“ wird im Regierungsprogramm von ÖVP und Grünen behauptet, dass zur Stärkung der Familien mit niedrigen Einkommen der Eingangssteuersatz von 25% auf 20% sinken, und die Untergrenze des Familienbonus um 100 € auf 350 € sowie der Maximalbetrag um 250 € auf 1.750 € angehoben werden soll. Noch ist unklar, wie Familien, die keine Lohn- und Einkommensteuer zahlen, von einer Senkung des Eingangssteuersatzes profitieren sollen. Klar ist aber, dass Kinder von BezieherInnen mit niedrigen Einkommen lediglich mit nur 100 € jährlich mehr gefördert werden sollen, Kinder von Spitzenverdienern aber mit 250 € mehr, also 2,5-mal so viel bekommen.

Die grundsätzlich sozial ungerechte Konstruktion des Familienbonus wird also nicht geändert, sondern noch einmal verschärft. Sozial gerecht wäre es, dass für jedes Kind, unabhängig vom Einkommen der Eltern, ein Familienbonus in derselben Höhe in An­spruch genommen werden kann, und dieser als Gutschrift ausgezahlt (Negativsteuer-fähig) bzw. schon in der laufenden Lohnverrechnung berücksichtigt werden kann.

Aus diesen Gründen stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen, wird aufgefor­dert, dem Nationalrat ehestmöglich einen Gesetzesvorschlag vorzulegen, mit dem der Familienbonus von 1.750 €/Jahr sozial gerecht für jedes Kind, unabhängig vom Ein­kommen der Eltern, in der vollen Höhe in Anspruch genommen werden kann, und ent­weder als negativsteuerfähige Gutschrift in voller Höhe ausbezahlt wird oder bereits in der laufenden Lohnsteuerabrechnung berücksichtigt werden kann.“

1 Das Grüne Wahlprogramm 2019, S. 56

https://www.gruene.at/partei/programm/wahlprogramme/das-gruene-wahlprogramm-2019.pdf

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Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, er ist ordnungsgemäß eingebracht und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Mag.a Meri Disoski. – Bitte schön, Frau Abge­ordnete.