Veranstaltung

„Vergiss nie, dass du ein jüdisches Kind bist“. Veranstaltung in Gedenken an die Kindertransporte nach England 1938/1939

Datum:12.12.2022 17:00
Ort:Epstein Innenhof
Veranstalter: Korinna Schumann, Präsidentin des Bundesrates

Inhalt und Programm

Inhalt

Circa 1,5 Millionen jüdische Kinder wurden während der Shoah ermordet. Der Kinder­transport nach England in der Zeit vom November­pogrom 1938 bis zum Kriegs­beginn 1939 rettete circa 10.000 jüdischen Kindern das Leben. Mit dem Begriff Kinder­transport ist international grund­sätzlich die organisierte Aus­reise jüdischer Kinder 1938/39 aus Deutschland, Österreich und in sehr kleinem Ausmaß aus der Tschecho­slowakei ins Exil nach England gemeint. Die Kinder wurden, um ihr Über­leben zu ermöglichen, ohne ihre Eltern, manchmal mit einem ihrer Geschwister in Gruppen mit Zügen nach England gebracht, um dort in Pflege­familien, Heimen und karitativen Ein­richtungen unter­gebracht zu werden. Auslöser für diese beispiellose Hilfs­aktion war das November­pogrom. Diese einzig­artige Hilfs­ und Rettungs­aktion jüdischer Kinder wurde bis Kriegs­beginn im Herbst 1939 durchgeführt. Die Kinder, die mit Hilfe des Kinder­transports in Sicher­heit gebracht wurden, erlebten Unvorstell­bares, Unsag­bares, Unvergleich­liches. Jedes Kind, jeder erwachsene Mensch, der diese Trauma­tisierungen überlebt hat, ist ein Wunder. Grund­sätzlich haben alle Über­lebenden unter­schiedliche Schicksale. Gemeinsam ist ihnen allerdings, dass sie ihr Über­leben dieser Aktion verdanken. Das Über­leben war die Ausnahme; die Ermordung war die Regel. Die Über­lebenden befanden sich in einem Spannungs­feld. Sie haben überlebt, während ihre Familien zumeist umgebracht wurden. Sie konnten in scheinbarer Sicher­heit weiter­leben, während andere Kinder in Lagern ermordet wurden oder versteckt waren.

Im Verhältnis zu zahlen­mäßig vielen auto­biografischen Darstellungen von Über­lebenden der Shoah sind die Selbst­beschreibungen von über­lebenden Kindern spärlich gesät. Dies liegt auch daran, dass ihnen lange nicht zugestanden wurde, über ihre Erlebnisse und Verluste zu trauern. Die Umwelt und das eigene Bewusst­sein schienen zu sagen, dass wahre Über­lebende nur die aus den Konzentrations­lagern Zurück­gekehrten seien, während den Kindern eigentlich nichts passiert sei, da sie die schlimmste Zeit ja im sicheren Groß­britannien zugebracht hätten. Auf Initiative der Präsidentin des Bundes­rates, Korinna Schumann und der Politik­wissenschaftlerin und Senior Parliamentary Advisor, Barbara Serloth, ist es das Ziel dieser Diskussions­veranstaltung, die Schicksale und die Erlebnisse der „Child Survivors“ in den Fokus zu rücken. Unter den Begriff „Child Survivors“ fallen alle Über­lebenden, die als Kinder in Konzentrations­- und Vernichtungs­lagern, im Versteck oder auf der Flucht überlebten und bei Kriegs­ende keine sechzehn Jahre alt waren, sowie die kleine Gruppe der Kinder, die durch Kinder­transporte gerettet werden konnten. Inhaltlich orientiert sich die Diskussions­veranstaltung an dem gleich­namigen Buch „Vergiss nie, dass du ein jüdisches Kind bist“ von Anna Wexberg-Kubesch. Anna Wexberg-Kubesch ist eine renommierte Psycho­therapeutin, Supervisorin und Wissen­schaftlerin, die in Wien lebt und mit zahl­reichen Publikationen und Vorträgen über die Shoa, über jüdische Kinder während der Shoa, über Second Generation und Trauma und mit Projekten wie „Never/Forget/Why –­ die Kinder aus Theresien­stadt“, oder „Was geschah in der Seegasse ­– die schwedische Israel­mission“, wesentlich zur österreichischen Erinnerungs­kultur beiträgt. Anna Wexberg-Kubesch hat für ihre Publikationen Biografien untersucht, die das individuelle und kollektive Erleben der geretteten Kinder in den Familien, in der Schule, in ihren unter­schiedlichen Lebens­bereichen gleichermaßen darstellen wie die psychischen und physischen Aus­wirkungen der gesell­schaftlichen Gewalt. Die Autorin spannt damit einen historischen Bogen von den 1930er Jahren bis heute, der die betroffenen Kinder vor, während und nach der Shoah in den Mittel­punkt der Betrachtungen stellt. Milli Segal ist PR­-Beraterin, Expertin für Veranstaltungs­organisation, Kuratorin von Ausstellungen und Filmen zum Thema Holocaust und Shoah. Das Thema des Kinder­transports steht seit über 13 Jahren im Mittel­punkt ihrer Tätigkeiten, eines ihrer wesentlichen Projekte ist die Wander­ausstellung „Für das Kind“. Ihr Talent und ihre Expertise als Organisatorin von Veranstaltungen konnte sie bei Groß­projekten wie der Bestattung der Opfer des Spiegel­grund, dem Lichter­meer und der Organisation zahlreicher Konzerte, unter Beweis stellen. Milli Segal organisiert und kuratiert seit 2005 bedeutende Ausstellungen u.a. von Yad Vashem, Lohamei Hagetaot und Givat Haviva sowie Filme zu diesen Themen.

Gemeinsam diskutierten beide Expert:innen die Thematik rund um die Kinder­transporte und versuchen dabei anhand individueller Schicksale die Tragik der „Child Survivors“ in den Mittel­punkt zu rücken und mögliche Implikationen für die Gegen­wart zu eröffnen.

Programm

Begrüßung

Barbara Serloth
Senior Parliamentary Advisor im österreichischen Parlament

Eröffnungsworte

Korinna Schumann
Präsidentin des Bundesrates

Historischer Input

Barbara Serloth
Senior Parliamentary Advisor im österreichischen Parlament

Podiumsdiskussion

Anna Wexberg-Kubesch
Autorin und Projektleiterin "Never/Forget/Why?"

Milli Segal
Expertin für Shoa und Kindertransporte

Schlussworte

Korinna Schumann
Präsidentin des Bundesrates

Barbara Serloth
Senior Parliamentary Advisor im österreichischen Parlament