Budgetdienst - Europäisches Semester 20.04.2022

Europäisches Semester 2022 und Aufbau- und Resilienzfazilität

Analyse des Budgetdienstes

Überblick

Die Information gibt einen Über­blick über den Stand und weiteren Ablauf des Europäischen Semesters 2022. Eigene Abschnitte beschreiben den Umsetzungs­stand der Aufbau- und Resilienz­pläne sowie die von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen haushalts­politischen Leit­linien für 2023. Diese sollen im Mai auf Basis der Frühjahrs­prognose aktualisiert werden, um die veränderte wirtschaftliche Lage aufgrund der jüngsten Entwicklungen zu berücksichtigen. Weiters wird über den laufenden Konsultations­prozess zur Über­arbeitung der EU‑Fiskal­regeln informiert.

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Kurzfassung

Das Europäische Semester dient als jährlich wiederkehrender Zyklus zur wirtschafts- und haushaltspolitischen Koordi­nierung innerhalb der EU und des Euro-Währungs­gebiets. Das Europä­ische Semester 2022 startete im November 2021 mit dem Herbst­paket der Europä­ischen Kommission (EK). In diesem identifiziert die EK wirtschafts­politische Priori­täten, die anschließend im Rat der EU beraten werden. Im April über­mitteln die Mitglied­staaten ihre mittel­fristige Haushalts­planung und Reform­fortschritte in den Stabilitäts- und Konvergenz­programmen bzw. Natio­nalen Reform­programmen. Auf Basis dieser Programme erstellt die EK einen Vorschlag für länder­spezifische Empfeh­lungen des Rates der EU, auf dessen Basis der Rat der EU entsprech­ende Empfeh­lungen annimmt. Das Europä­ische Semester 2022 wurde gegenüber den bisherigen Abläufen weiter stark adaptiert, um es auf die Ab­wicklung der neu geschaffenen Aufbau- und Resilienz­fazilität (RRF) abzustimmen. Beispielsweise veröffentlicht die EK ihre Länder­berichte im Jahr 2022 nicht im Februar, sondern voraus­sichtlich erst Ende Mai (gemeinsam mit dem Vorschlag für länder­spezifische Empfeh­lungen). Auch die halb­jährliche verpflichtende Bericht­erstattung der Mitglied­staaten und der EK zur Um­setzung der RRF wurde weitgehend in das Europä­ische Semester integriert. Einen laufenden Überblick über den Umsetzungs­stand der RRF gibt das Aufbau- und Resilienz­scoreboard der EK.

Im Rahmen der Aufbau- und Resilienzfazilität (RRF) stehen den EU‑Mitgliedstaaten insgesamt 338,0 Mrd. EUR für Zuschüsse und bis zu 385,8 Mrd. EUR für Dar­lehen zur Verfü­gung. Für die Aufteilung der Zuschüsse liegen bislang nur vorläufige Werte vor. Diese wird im Juni 2022 auf Basis der Wirtschafts­entwicklung 2020 und 2021 fixiert. Mit Aus­nahme der Nieder­lande haben bereits alle Mitglied­staaten die für einen Mittel­abruf notwendigen Aufbau- und Resilienz­pläne (ARP) eingereicht. Die 22 bisher durch den Rat der EU geneh­migten Pläne umfassen Zuschüsse iHv 291 Mrd. EUR und Darlehen iHv 166 Mrd. EUR. Zwei weitere Pläne (Schweden und Bulgarien) wurden bereits von der EK positiv bewertet, müssen jedoch noch durch den Rat genehmigt werden. Im Jahr 2021 konnte eine Vor­finan­zierung beantragt werden, aus der Österreich im vergangenen September bereits 450 Mio. EUR erhalten hat. Die weiteren Zahlungen sind an ent­sprechende Fortschritte bei der Umsetzung der ARP gebunden und anhand verein­barter Ziel­werte und Meilen­steine nachzuweisen. Bis 19. April 2022 haben sechs Mitglied­staaten Zahlungs­anträge gestellt, auf deren Basis vier Mitglied­staaten Aus­zah­lungen erhalten haben. Auch Österreich dürfte 2022 den ersten Zahlungs­antrag stellen, aus dem Ein­zahlungen iHv 700 Mio. EUR veranschlagt sind. Zur Finanzierung der RRF hat die EK bisher Anleihen iHv insgesamt rd. 91 Mrd. EUR begeben. Zusätzlich werden auch kurz­fristige Finanzierungen (3 bzw. 6 Monate) aufgenommen.

Die EU‑Fiskalregeln, deren Prüfung ebenfalls im Rahmen des Europä­ischen Semesters erfolgt, ist aufgrund der im Früh­jahr 2020 aktivierten allgemeinen Ausweich­klausel weiter­hin weit­gehend aus­gesetzt. Angesichts der wirtschaft­lichen Folgen der russischen Invasion in die Ukraine hat die EK angekündigt, das grundsätzlich für Ende 2022 geplante Aus­laufen der Ausweich­klausel auf Basis ihrer Frühjahrs­prognose im Mai 2022 neu zu prüfen. In ihren Anfang März veröffent­lichten haushalts­politischen Leit­linien für 2023 empfiehlt die EK den Über­gang von einer stützenden fiskal­ischen Aus­richtung in den Jahren 2020 bis 2022 zu einer weit­gehend neutralen fiskalischen Aus­rich­tung im Jahr 2023. Sie weist aber auch darauf hin, dass sich eine zu abrupte Konsoli­dierung negativ auf das Wachs­tum auswirken würde. Auch die haus­halts­politischen Leit­linien sollen auf Basis der Früh­jahrs­prognose aktualisiert werden, um die jüng­sten Ent­wicklungen zu berück­sichtigen.

Im Oktober 2021 wurde der durch die COVID‑19-Pandemie unterbrochene Konsultations­prozess zur wirt­schafts­politischen Steuerung neu gestartet, der unter anderem eine umfassende Über­arbeitung der EU‑Fiskal­regeln zum Ziel hat. Die EK hat im März einen zusammen­fassenden Bericht der bereits abge­schlossenen Online-Konsul­tation veröffentlicht. Als nächsten Schritt hat sie angekündigt, Orientierungs­dokumente für mögliche Änderungen vorzu­legen, auf deren Basis recht­zeitig bis 2023 ein breiter Konsens über das weitere Vor­gehen angestrebt wird. Ein Inkraft­treten der Änderungen bis 2023, wie es ursprünglich angestrebt wurde, scheint aus derzeitiger Sicht nicht wahrscheinlich.