Das Nationale Reformprogramm ist Teil jener Dokumente, die Mitgliedstaaten im Rahmen des Europäischen Semesters an die Europäische Kommission (EK) über-mitteln müssen und orientiert sich an den Vorgaben der EK. Das Nationale Reformprogramm 2023 enthält neben dem Hauptdokument drei Anhänge (Durchführung des Aufbau- und Resilienzplans (ARP), Stellungnahme der Sozialpartner:innen zum Nationalen Reformprogramm 2023, Eingetragene Maßnahmen des Bundes in der EK-Datenbank zur Umsetzung länderspezifischer Empfehlungen). Die vorliegende Analyse führt die im österreichischen Nationalen Reformprogramm 2023 enthaltenen Ausführungen mit den Einschätzungen der EK in deren jeweiligen Dokumenten, vor allem dem Länderbericht sowie den länderspezifischen Empfehlungen, zusammen.
Die EK hat die Umsetzungsfortschritte der länderspezifischen Empfehlungen 2019 bis 2022 analysiert. Seit 2019 wurden die länderspezifischen Empfehlungen für Österreich, insbesondere auch aufgrund der COVID‑19-Pandemie und anderer aktueller Ereignisse, laufend überarbeitet, wenngleich einzelne Aspekte über die Jahre hinweg aufrechterhalten oder in späteren Jahren wieder aufgegriffen wurden. Die EK stuft die länderspezifischen Empfehlungen seit 2019 zu 8 % als vollständig umgesetzt ein und anerkennt bei weiteren 7 % substanzielle Fortschritte, die vor allem die (mittelfristige) Fiskalpolitik betreffen. Bei mehr als der Hälfte (55 %) sieht die EK nur einige Fortschritte und bei 30 % begrenzte Fortschritte. Die Auswertung über alle EU-Staaten zu den länderspezifischen Empfehlungen für 2019 und 2020 zeigt eine sehr ähnliche prozentuelle Verteilung wie jene für Österreich.
Bereits 2019 hat die EK vorgeschlagen, Maßnahmen zur Gewährleistung der Tragfähigkeit des Gesundheits-, Langzeitpflege- und des Pensionssystems zu ergreifen, die auch 2023 wieder in andere länderspezifische Empfehlungen integriert wurden. Die Finanzbeziehungen im föderalen System finden sich regelmäßig in den länderspezifischen Empfehlungen und sind auch 2023 wieder enthalten. Seit 2020 werden vermehrt auch ökologische und energiepolitische Zielsetzungen aufgenommen, wie etwa nachhaltiger Verkehr, saubere und effiziente Energie, Investitionen in den digitalen Wandel bzw. Einsatz erneuerbarer Energie. COVID‑19-bedingte Empfehlungen wurden insbesondere 2020 und 2021 ausgesprochen, bei denen die EK für Österreich im Regelfall eine substanzielle bzw. vollständige Umsetzung feststellte.
Der mit dem Frühjahrspaket veröffentlichte Monitoringbericht zur Erreichung der Sustainable Development Goals (SDGs) in der EU zeigt, dass Österreich bei der Erreichung des SDG 9 (Industrie, Innovation und Infrastruktur), SDG 16 (Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen), SDG 11 (Nachhaltige Städte und Gemeinden) und des SDG 5 (Geschlechtergleichheit) die größten Fortschritte gemacht hat und dabei auch über dem EU‑Durchschnitt liegt. Die geringsten Fortschritte verzeichnete Österreich beim SDG 4 (Hochwertige Bildung), SDG 15 (Leben an Land) und SDG 17 (Partnerschaften zur Erreichung der Ziele) bzw. liegt Österreich hier zum Teil auch unter dem EU-Durchschnitt.
Im Nationalen Reformprogramm 2023 wird auch über die Implementierung des österreichischen Aufbau- und Resilienzplan (ARP) 2020-2026 mit einem geplanten Gesamtauszahlungsvolumen iHv von 4,5 Mrd. EUR für die Jahre 2020 bis 2026 berichtet, wovon rd. 3,75 Mrd. EUR aus der Aufbau- und Resilienzfazilität (RRF) finanziert werden. Die 1. Tranche wurde im April 2023 mit 700 Mio. EUR überwiesen und die entsprechenden Meilensteine als "abgeschlossen" bewertet. Gemeinsam mit dem bereits überwiesenen Vorschuss iHv 450 Mio. EUR (September 2021) erhielt Österreich bisher Mittel iHv 1,15 Mrd. EUR.
Für die 2. Tranche (Erreichung der Etappenziele im Jahr 2022) ist ein Teil der Indikatoren bereits abgeschlossen. Der zweite Zahlungsantrag iHv 750,0 Mio. EUR soll laut BMF im Herbst 2023 gestellt werden. Um die Mittel vollständig abrufen zu können, müssen weitere 35 Meilensteine erreicht sein. Per Ende April 2023 sind hiervon 22 Meilensteine erfüllt, weitere 13 waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht erfüllt.
Die Nicht-Erfüllung kann zu einer Kürzung der Auszahlung der 2. Tranche führen. Die EK hat im Februar 2023 die Methode veröffentlicht, nach der bei Nicht-Erfüllung von Meilensteinen des ARP Auszahlungen teilweise ausgesetzt werden. Als Basis wird der sogenannte "durchschnittliche Wert" eines Meilensteins (im Falle von Österreich 22,0 Mio. EUR) errechnet, der von der Tranche abgezogen wird. Allerdings kann die EK auch einen Vervielfältiger von bis zu fünf anwenden, wobei die EK einen Ermessensspielraum hat. Aus einer Nicht-Implementierung einer Reform (wie etwa die Verabschiedung eines Gesetzes) könnte somit eine Kürzung der Mittel von rd. 22 Mio. EUR bis zu 110 Mio. EUR resultieren. Für die Nicht-Erfüllung von Reformen/Gesetzen, welche die länderspezifischen Empfehlungen umsetzen sollen, kann die EK einen noch höheren Betrag einbehalten.