Fachinfos - Judikaturauswertungen 11.08.2022

3G-Regelung für Zugang zu EU-Parlamentsgebäuden

Gericht der Europäischen Union bestätigt 3G-Regelung für Zugang zu Parlamentsgebäuden (11. August 2022)

EuG 27.4.2022, T-710/21 u.a., Roos u.a. gg. Parlament

Das Gericht der Europäischen Union (EuG) wies Beschwerden von Mitgliedern des Europäischen Parlaments (MEP), die sich gegen Zugangsbeschränkungen zu den Standorten des Europäischen Parlaments richteten, ab. Die Zugangsbeschränkungen machten den Zugang zu den Gebäuden des Europäischen Parlaments (EP) von der Vorlage eines COVID-19 Zertifikats der EU (entspricht einem 3G-Nachweis) abhängig. Das EuG kam zu dem Schluss, dass diese Beschränkungen das freie Mandat der Abge­ordneten nicht in unverhältnismäßiger oder unangemessener Weise beeinträchtigt ha­ben.

Sachverhalt

Am 27. Oktober 2021 erließ das Präsidium des EP einen zeitlich begrenzten Beschluss und schrieb darin vor, dass der Zugang zu den Gebäuden des EP für alle Personen nur bei Vorlage einer COVID-19 Impf-, Test- oder Genesungsbescheinigung (COVID-19 Zertifikat) möglich sei. Die Kläger:innen, sowohl MEP als auch Bedienstete des EP, klag­ten auf Nichtigerklärung dieser Anordnung. Sie machten mehrere Rechtsverstöße gel­tend, insbesondere das Fehlen einer geeigneten Rechtsgrundlage für diese Anordnung, die Verletzung ihrer parlamentarischen Vorrechte und Immunitäten, die Verletzung ih­rer Freiheit und Unabhängigkeit als MEP und die Missachtung ihres Rechts auf Achtung des Privatlebens.

Entscheidung des Gerichts der Europäischen Union

Das EuG wies die Klage ab.

Zunächst führte das EuG zur – vom EP bestrittenen – Zulässigkeit aus, dass es sich bei dem angefochtenen Beschluss um einen Rechtsakt mit Verordnungscharakter handelt, welcher die Kläger:innen unmittelbar betrifft und keine Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht. Somit bestand im Anlassfall eine Klagebefugnis.

Zur Rechtsgrundlage sprach das EuG aus, dass das EP für den Erlass des angefochtenen Beschlusses keine ausdrückliche Ermächtigung durch den Unionsgesetzgeber benötigt. Vielmehr sei Art. 25 der Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments – die Befugnis des EP, interne Ordnungsvorschriften zu erlassen – ausreichend. Der Beschluss stelle auch ein „Gesetz“ im Sinne des Art. 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union zur Verarbeitung personenbezogener Daten dar.

Weiters stellte das EuG fest, dass der angefochtene Beschluss keinen unverhältnismä­ßigen oder unangemessenen Eingriff in die freie und unabhängige Ausübung des Man­dats der MEP darstellt. Die Zugangsbeschränkungen würden ein legitimes Ziel verfol­gen und sowohl dem Interesse an der Aufrechterhaltung der Tätigkeiten des EP als auch dem Lebens- und Gesundheitsschutz dienen. Die Erlangung eines COVID-19 Zertifikats stelle zudem keine unverhältnismäßige Hürde dar. Die gewählten Maßnahmen seien auf die – angesichts der epidemiologischen Situation – unbedingt erforderlichen Zu­gangsvoraussetzungen beschränkt gewesen und zudem geeignet, das Übertragungsri­siko von COVID-19 zu verringern. Die darüber hinaus geltend gemachte Bestimmung (bzw. deren Verstoß) des Art. 7 Abs. 1 des Protokolls Nr. 7 über die Vorrechte und Be­freiungen der Europäischen Union, welche es den Mitgliedstaaten verbietet, administ­rative Beschränkungen der Freizügigkeit der Mitglieder des EP zu schaffen, erachtete das EuG für nicht einschlägig.

Das EuG stellte fest, dass – entgegen dem Vorwurf der missbräuchlichen Verarbeitung personenbezogener Daten – mit der Verarbeitung ein allgemeines öffentliches Inte­resse der EU (Schutz der öffentlichen Gesundheit) verfolgt wurde. Die Verarbeitung sei darüber hinaus transparent und fair gewesen.

Der angefochtene Beschluss verstoße auch nicht gegen das Recht auf körperliche Un­versehrtheit, die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Nichtdiskriminierung, das Recht auf freie und informierte Zustimmung zu jeder medizinischen Behandlung, das Recht auf Freiheit und schließlich das Recht auf Schutz der Privatsphäre und der per­sonenbezogenen Daten. Zuletzt stellte das EuG fest, dass die Beschränkungen im Hin­blick auf das Ziel – den Lebens- und Gesundheitsschutz – verhältnismäßig waren und dieses nicht mit weniger restriktiven Maßnahmen erreicht hätte werden können.

Vgl. zu diesem Verfahren die Pressemitteilung (in englischer Sprache) und den Volltext der Entscheidung (in französischer Sprache) sowie folgende zu diesem Fall bereits er­gangene Judikaturauswertung (4. Quartal 2021).