Fachinfos - Judikaturauswertungen 20.01.2022

Anfechtung der Registrierung einer Europäischen Bürgerinitiative

EuG 10.11.2021, T-495/19

Das Gericht der Europäischen Union (EuG) wies die Nichtigkeitsklage Rumäniens gegen einen Beschluss der Europäischen Kommission, mit dem eine Europäische Bürgerinitiative registriert wurde, ab. Der Beschluss sei ausreichend begründet. In dieser Entscheidung bejahte das EuG zudem erstmals die Frage, ob Mitgliedstaaten Beschlüsse der Kommission, mit denen eine solche Bürgerinitiative registriert werden, anfechten können.

Sachverhalt

Die Europäische Bürgerinitiative „Kohäsionspolitik für Gleichstellung der Regionen und die Erhaltung der regionalen Kulturen“ (im Folgenden „strittige EBI“) wurde von ihrem in Rumänien wohnhaften Vertreter bereits 2013 bei der Europäischen Kommission angemeldet. Mit dieser sollte nach den Angaben ihrer OrganisatorInnen erreicht werden, dass die Europäische Union im Rahmen der Kohäsionspolitik denjenigen Regionen besondere Aufmerksamkeit widmet, deren ethnische, kulturelle, religiöse oder sprachliche Besonderheiten von denjenigen der angrenzenden Regionen abweichen. Die Kommission lehnte die strittige EBI jedoch ab, da diese offenkundig außerhalb des Rahmens liege, in dem die Kommission befugt sei, einen Vorschlag für einen Rechtsakt der Union vorzulegen, um die Verträge umzusetzen. Der dagegen eingeschlagene Rechtsweg war jedoch letztlich erfolgreich und der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) erklärte den ablehnenden Beschluss der Kommission für nichtig. Am 30. April 2019 wurde die strittige EBI schließlich per Beschluss der Kommission registriert.

Gegen diesen Beschluss der Kommission zur Registrierung erhob aber Rumänien Nichtigkeitsklage und brachte u.a. vor, dass dieser mangelhaft begründet sei und außerdem eine Zuständigkeit der Kommission, zur Umsetzung des Anliegens einen Rechtsakt vorzulegen, nicht gegeben sei.

Entscheidung des Gerichts der Europäischen Union

Das EuG wies die Klage Rumäniens ab.

Zunächst hatte es sich mit der Zulässigkeit der Klage – welche von der Kommission in Zweifel gezogen worden war – auseinanderzusetzen. Die Kommission brachte vor, dass die Registrierung einer EBI nach Art. 4 der EU-Verordnung Nr. 211/2011 nur ein Zwischenschritt und die Prüfung der EBI noch nicht abgeschlossen sei. Ein Rechtsschutz könne nur gegen Handlungen, die beschwerende Rechtswirkungen entfalte, gegeben sein. Das EuG erachtete die Klage für zulässig, da schon die Registrierung verbindliche Rechtswirkungen erzeuge. Zum einen könnten die OrganisatorInnen mit der Sammlung der Unterschriften starten und hätten ein Recht auf Prüfung dieser Unterschriften, danach auf Vorlage der unterstützten EBI an die Kommission usw. Zum anderen wären die Mitgliedstaaten gemäß Art. 8 EU-VO Nr. 211/2011 zur Überprüfung und Bescheinigung der Unterstützungsbekundungen verpflichtet und daher beschwert. Der Registrierungsbeschluss sei daher anfechtbar.

Nach dem EuG war der Beschluss der Kommission jedoch ausreichend begründet. Insbesondere führte das EuG in diesem Zusammenhang das Urteil des EuGH im vorangegangen Rechtsstreit an (EuGH 7.3.2019, C-420/16 P), das sich ausführlich mit Art. 174 Abs. 3 AEVU (Gebiete, denen im Rahmen der Kohäsionspolitik besondere Aufmerksamkeit zukommt) auseinandersetzte. Da die Liste der Gebiete „mit schweren und dauerhaften natürlichen oder demografischen Nachteilen“ in Art. 174 Abs. 3 AEUV nicht abschließend sei, wäre eben der EuGH zu dem Ergebnis gekommen, dass die strittige EBI nicht offenkundig außerhalb des Zuständigkeitsrahmens der Kommission liege. Die Entscheidung der Kommission sei nur eine Konsequenz aus dem EuGH-Urteil.

Dass die Kommission die strittige EBI unter der Bedingung registrierte, dass allfällige Maßnahmen immer zur Stärkung des wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalts der Union führen müssten, sei mit der EU-VO Nr. 211/2011 vereinbar. Das EuG sprach diesbezüglich aus, dass ein leichter Zugang zur EBI sicherzustellen ist. Statt einer Ablehnung könne die Kommission daher gegebenenfalls eine „Ausrichtung“, eine „Qualifizierung“ oder sogar eine teilweise Registrierung der geplanten EBI vornehmen, solange die Begründungspflicht beachtet und die EBI nicht verfälscht werde.

Vgl. zu diesem Verfahren die Pressemitteilung und den Volltext der Entscheidung.