Gemäß einem Untersuchungsbericht der Istanbuler Polizei soll Kerestecioğlu Demir im Februar 2016 gemeinsam mit ungefähr 100 anderen Frauen während einer nicht angezeigten Versammlung provokante Slogans skandiert haben (unter anderem den Slogan „Wir werden durch Widerstand siegen“), woraufhin sie – was Kerestecioğlu Demir bestreitet – von einem Polizisten verwarnt worden sein sollen. Im Mai 2016 legte die Staatsanwaltschaft dem Justizministerium einen Ermittlungsbericht vor, in dem sie mit Blick auf die Ereignisse im Februar 2016 die Aberkennung der parlamentarischen Immunität von Kerestecioğlu Demir forderte. Zehn Tage später beschloss die Große Nationalversammlung eine Verfassungsänderung, mit der automatisch die parlamentarische Immunität aller Abgeordneten aberkannt wurde, hinsichtlich derer zuvor ein entsprechendes Aberkennungsersuchen gestellt worden war. Durch diese Verfassungsänderung wurde insgesamt 154 von 550 Mitgliedern der Großen Nationalversammlung (darunter 55 Mitgliedern der HDP), darunter auch Kerestecioğlu Demir, die Immunität aberkannt.
Mehrere Abgeordnete wandten sich gegen die Verfassungsänderung an das türkische Verfassungsgericht und forderten deren Aufhebung; die Beschwerden wurden jedoch im Juni 2016 abgewiesen, weil das Verfassungsgericht eine Verfassungsänderung nur auf Antrag des Präsidenten der Republik oder eines Fünftels der Mitglieder der Großen Nationalversammlung prüfen könne.
Infolge der Aufhebung der Immunität nahm die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen gegen Kerestecioğlu Demir auf. Im Oktober 2016 erfolgte die Anklage wegen Teilnahme an einer gesetzwidrigen Versammlung. Das erstinstanzliche Gericht sprach Kerestecioğlu Demir im Jänner 2018 frei, da es sich um eine friedliche Versammlung gehandelt habe. Das zweitinstanzliche Gericht, das auf Berufung der Staatsanwaltschaft hin angerufen wurde, hob das erstinstanzliche Urteil auf. Auch im wiederholten erstinstanzlichen Verfahren wurde Kerestecioğlu Demir im Februar 2019 freigesprochen. Dagegen legte die Staatsanwaltschaft erneut Berufung ein; dieses Verfahren ist aktuell noch anhängig.
Kerestecioğlu Demir wandte sich an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) und brachte vor, durch die Verfassungsänderung vom Mai 2016, mit der ihre parlamentarische Immunität aufgehoben worden war, unter anderem in ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung (Art. 10 EMRK) und ihrem Recht auf Versammlungsfreiheit (Art. 11 EMRK) verletzt worden zu sein.