Fachinfos - Judikaturauswertungen 08.07.2021

Auskunftspflicht nach dem Wiener Auskunftspflichtgesetz

VwGH wies Rechtsmittel des Magistrat Wiens gegen Verpflichtung zur Auskunftserteilung ab. VwGH 26.3.2021, Ra 2019/03/0128-12 (8. Juli 2021)

Sachverhalt

Die Auskunftswerberin beantragte Auskünfte zur Vergabe von Inseraten und Werbeeinschaltungen durch die Stadt Wien „für eine journalistische Datenanalyse, Aufbereitung und Verbreitung“ insbesondere für eine TV-Reportage sowie für ein Online-Medium (quartalsweise von 01/2015 bis 08/2018).

Der Magistrat lehnte die Auskunftserteilung ab, da die Informationen nicht aus dem Buchhaltungssystem abgerufen werden könnten. Es müssten über 8000 Belege manuell der Anfrage zugeordnet werden. Das würde die Besorgung der übrigen Aufgaben wesentlich beeinträchtigen. Weiters würden Verschwiegenheitspflichten im Hinblick auf besondere Rabatte und Konditionen bestehen. Zudem seien derartige Auskünfte nach dem Medienkooperations- und -förderungs-Transparenzgesetz (MedKF-TG) nicht vorgesehen, sodass dieses als speziellere Bestimmung zum Wiener Auskunftspflichtgesetz betrachtet werden könne.

Das Verwaltungsgericht Wien (VwG) gab der dagegen erhobenen Beschwerde statt und sprach aus, dass die Auskunft zu erteilen sei. Eine Vollziehung der Verpflichtungen nach dem MedKF-TG wäre ohne das Wissen um den Inhalt der erfragten Auskünfte nicht möglich. Weiters seien lediglich Gesamtzahlen erfragt worden, weshalb keine Konditionen, Rabatte oä bekannt würden. Eine Abwägung gemäß Art. 10 EMRK fehle zur Gänze. Zudem seien die Informationen für die Erfüllung der Aufgaben der Auskunftswerberin als „social watchdog“ unerlässlich. Letztlich habe die Behörde nicht an der mündlichen Verhandlung teilgenommen, sodass ihren Argumenten nicht habe gefolgt werden können. Dagegen erhob der Magistrat Wien eine außerordentliche Amtsrevision an den Verwaltungsgerichtshof (VwGH).

Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes

Der VwGH ließ die außerordentliche Revision im Hinblick auf das Fehlen von Rechtsprechung zum Verhältnis des Auskunftsanspruches nach dem Wiener Auskunftspflichtgesetz zur Transparenzverpflichtung nach dem MedKF-TG zu.

Der Magistrat brachte vor, dass das MedKF-TG und das Bundesvergabegesetz das Wiener Auskunftspflichtgesetz als speziellere Gesetze verdrängt haben, sodass dieses auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar war. Dazu stellte der VwGH klar, dass die genannten Gesetze unterschiedliche Regelungsinhalte haben. Das MedKF-TG diene der Förderung der Transparenz und sehe Melde- und Veröffentlichungspflichten vor, es regle jedoch nicht die Erteilung von Auskünften. Für die Annahme, dass das Recht auf Auskunft eingeschränkt werden solle, fehle jeder Anhaltspunkt. Auch wenn vergaberechtliche Vorschriften die Wahrung gewisser vertraulicher Informationen vorsähen, lasse sich daraus nicht ableiten, dass alle Informationen im Zusammenhang mit Vergabeverfahren stets als vertraulich zu behandeln wären und nicht bekannt gegeben werden dürften.

Zum Vorbringen, dass aufgrund des erheblichen Aufwands die Besorgung der übrigen Aufgaben beeinträchtigt würde, hielt der VwGH fest, dass dies keine pauschale Auskunftsverweigerung rechtfertigt. Es könnte etwa zunächst eine Übersichtsauskunft erteilt werden. In der Folge bedürfe es entsprechender Feststellungen insbesondere zu den Gegebenheiten der Organisation und dem mit der Auskunftserteilung verbundenen Aufwand.

Hinsichtlich der Verschwiegenheitspflicht führte der VwGH aus, dass es auch hier nicht ausreicht, pauschal auf gesetzliche Verschwiegenheitspflichten und auf den Datenschutz zu verweisen. Die Behörde habe über Vorgänge, die nicht der Verschwiegenheit unterliegen, jedenfalls Auskunft zu erteilen und in allen anderen Fällen mit Bescheid die Auskunft darüber zu verweigern. Dies setze entsprechende Ermittlungen voraus. Im vorliegenden Fall habe die Behörde kein (erkennbares) Ermittlungsverfahren durchgeführt. Zudem habe sie nicht an der mündlichen Verhandlung teilgenommen. Das VwG habe darin eine Verletzung der Mitwirkungspflicht gesehen, dabei aber seine eigene Ermittlungspflicht übersehen.

Der Magistrat brachte weiters vor, dass das Auskunftsbegehren nicht eine, sondern viele Magistratsabteilungen betreffen würde. Dazu führte der VwGH aus, dass der Magistrat eine verwaltungsbehördliche Einheit darstellt. Der inneren organisatorischen Gliederung komme nach außen keine Bedeutung zu.

Schließlich führte der Magistrat an, dass kein „Recht auf Information“ besteht, weil die Auskunft nicht notwendig sei, um eine öffentliche Debatte zu führen. Dazu hielt der VwGH fest, dass mit dem Wiener Auskunftspflichtgesetz ein Recht auf Auskunft und somit auch ein „Recht auf Information“ vorgesehen ist. Aus welchen Gründen um eine Auskunft ersucht werde, sei dabei unerheblich. Eine etwaige Interessenabwägung gemäß Art. 10 EMRK sei dann vorzunehmen, wenn einem Auskunftsbegehren gegebenenfalls Verschwiegenheitspflichten entgegenstünden.

Im Ergebnis entschied der VwGH in der Sache selbst. Er gab der Beschwerde statt, hob den Bescheid des Magistrats auf und verwies die Angelegenheit – aufgrund des Fehlens jeglicher Ermittlungen – an diesen zurück.

Vgl. zu diesem Verfahren die Meldung des Verwaltungsgerichtshofes und den Volltext der Entscheidung.