Fachinfos - Judikaturauswertungen 19.12.2024

Auskunftsrecht nach Auskunftspflichtgesetz neben Interpellationsrecht

VfGH 2.12.2024, E 1380/2024

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hob eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG), die einem Abgeordneten einen Auskunftsanspruch nach dem Auskunftspflichtgesetz versagte, mit der Begründung auf, dass zwar bestimmte Akte von Abgeordneten der Gesetzgebung zuzurechnen seien und ihnen insoweit Organstellung zukomme, ein Verhalten von Abgeordneten aber nicht schlechthin immer schon dann der Gesetzgebung zuzuzählen sei, wenn die bzw. der Abgeordnete als solche:r auftrete. Ein:e Abgeordnete könne daher wie "jedermann" ein Auskunftsbegehren bzw. einen Antrag auf Bescheiderlassung nach dem Auskunftspflichtgesetz stellen. § 6 Auskunftspflichtgesetz sei nicht anzuwenden.

Sachverhalt

Ein Abgeordneter zum Nationalrat hatte am 27. April 2023 eine näher bezeichnete Auskunft vom Bundesminister für Finanzen (BMF) beantragt und für den Fall der Nichterteilung die Erlassung eines Bescheides nach dem Auskunftspflichtgesetz begehrt. Der BMF wies den Antrag mit Bescheid ab. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass ein von einem Abgeordneten gestelltes Auskunftsbegehren bei einer Behörde nicht auf das Auskunftspflichtgesetz gestützt werden könne. Das Auskunftspflichtgesetz sei auf Grund des Bestehens einer besonderen Auskunftspflicht nicht anwendbar (§ 6 Auskunftspflichtgesetz). Es sei nicht von einem Nebeneinander von speziellem Auskunftsrecht nach Art. 52 B-VG (Interpellationsrecht) und allgemeinem Auskunftsrecht nach Auskunftspflichtgesetz auszugehen (siehe die dazu veröffentlichte Judikaturauswertung vom 05.08.2024 "Interpellationsrecht und Auskunftspflichtgesetz #2"). Dieses Erkenntnis bekämpfte der Abgeordnete zum Nationalrat sodann beim VfGH.

Entscheidung des Verfassungs­gerichtshofs

Der VfGH gab der Beschwerde des Abgeordneten statt und behob das Erkenntnis des BVwG mit folgender Begründung:

Das BVwG habe die Rechtsstellung von Abgeordneten zum Nationalrat und damit zusammenhängend die Bedeutung des § 6 Auskunftspflichtgesetz verkannt. Bestimmte Akte und Verhaltensweisen von Abgeordneten zum Nationalrat seien der Gesetzgebung zuzurechnen. Insoweit komme den Abgeordneten eine Organstellung zu.

Ein Verhalten von Abgeordneten sei aber nicht schlechthin immer schon dann der Gesetzgebung zuzuzählen, wenn die bzw. der Abgeordnete als solche:r auftrete. Nur solche Anfragen von Abgeordneten würden eine der Gesetzgebung zuzuzählende Tätigkeit eines gesetzgebenden Organs darstellen, die in einer im B-VG iVm dem GOG-NR vorgezeichneten Weise gestellt werden.

Es sei auszuschließen, dass das beim BMF gestellte Auskunftsbegehren inkl. der Antragstellung auf Bescheiderlassung nach Auskunftspflichtgesetz in einer im B-VG iVm GOG-NR vorgezeichneten Weise und damit in Ausübung der Organstellung als Abgeordneter erfolgt sei. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass der Beschwerdeführer als Abgeordneter aufgetreten sei und auf die Vorbereitung seiner parlamentarischen Tätigkeiten verwiesen habe.

Das Auskunftspflichtgesetz räume (in Übereinstimmung mit Art. 20 Abs. 4 B-VG) "jedermann" das Recht auf Auskunft ein. Ein:e Abgeordnete:r zum Nationalrat handle daher bei der Stellung eines Auskunftsbegehrens bzw. bei der Antragstellung iSd Auskunftspflichtgesetzes nicht in seiner Organstellung. Insoweit räume das Auskunftspflichtgesetz einer bzw. einem Abgeordneten wie "jedermann" das Recht ein, ein Auskunftsbegehren bzw. einen Antrag auf Bescheiderlassung im Falle der Nichterteilung der Auskunft zu stellen.

Der Subsidiaritätsklausel des § 6 Auskunftspflichtgesetz komme daher in dieser Hinsicht keine Bedeutung zu.

Das BVwG hätte daher das Auskunftsbegehren des Abgeordneten nicht wegen dessen Stellung als Abgeordneter als unzulässig ansehen dürfen; das Erkenntnis sei daher mit Willkür belastet und deshalb aufzuheben.

Vgl. zu diesem Verfahren die Pressemitteilung und den Volltext der Entscheidung.

In einer weiteren Entscheidung (2.12.2024, E 1379/2024) hob der VfGH ein – im Wesentlichem dem dargestellten Fall entsprechendes – weiteres BVwG-Erkenntnis (siehe die dazu veröffentlichte Judikaturauswertung vom 05.08.2024 "Interpellationsrecht und Auskunftspflichtgesetz #1") mit derselben Begründung auf.