Fachinfos - Judikaturauswertungen 11.08.2022

Ausschluss eines Gemeinderats aus Gemeinderatssitzung

Ausschluss wegen Nichteinhaltens der 3G-Regel mangels Zwang nicht bekämpfbar (11. August 2022)

LVwG NÖ 15.3.2022, LVwG-M-1/001-2022

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (LVwG NÖ) hatte über eine Be­schwerde eines Gemeinderates zu entscheiden, die dieser in Zusammenhang mit der für Gemeinderatssitzungen geltenden 3G-Regel erhoben hatte. Der Beschwerdeführer wehrte sich darin gegen die Aufforderung eines Mitarbeiters der Gemeinde im Rahmen einer Gemeinderatssitzung (GR-Sitzung), einen 3G-Nachweis vorzuweisen sowie des­sen darauf folgende Aufforderung, das Gemeindegebäude zu verlassen. Das LVwG NÖ wies die Beschwerde zurück, da die Handlungen nicht mit (drohendem) Zwang verbun­den waren. Eine Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Geschehens nahm das Gericht so­mit nicht vor.

Sachverhalt

Der Beschwerdeführer ist Gemeinderat in einer niederösterreichischen Marktge­meinde. In dieser Funktion suchte er am 30. November 2021 eine GR-Sitzung auf. Nach der zum damaligen Zeitpunkt geltenden, vom Bürgermeister der Marktgemeinde erlas­senen Hausordnung, galt für Sitzungen im Gemeindegebäude die 3G-Regel: Zugang zum Gemeindegebäude hatten demnach (u. a.) Gemeinderäte zum Zweck der Teil­nahme an GR-Sitzungen nur, wenn diese einen 3G-Nachweis vorwiesen.

Nachdem der Beschwerdeführer den Sitzungssaal betreten und dort seinen Sitzplatz aufgesucht hatte, wurde er von einem Mitarbeiter der Gemeinde nach dem 3G-Nach­weis befragt. Als er angab, sich zwar am Vormittag einem Test unterzogen, dessen Er­gebnis jedoch noch nicht erhalten zu haben, forderte ihn der Mitarbeiter der Gemeinde auf, das Gebäude zu verlassen. Daraufhin verließ der Beschwerdeführer das Gebäude. Der Mitarbeiter der Gemeinde drohte weder ausdrücklich Zwang an, noch setzte er oder eine andere Person Handlungen, aus denen auf eine zwangsweise Durchsetzung der Aufforderung geschlossen werden konnte.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer (Maßnahmen-)Beschwerde beim LVwG NÖ. Er begehrte darin u. a. die Feststellung der Rechtswidrigkeit des „Abverlangens“ eines 3G-Nachweises sowie die Rechtswidrigkeit der Aufforderung, den Sitzungssaal sowie das Gemeindegebäude zu verlassen und der damit einhergehenden Verhinderung der Teil­nahme an der GR-Sitzung.

Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts

Das LVwG NÖ wies die Beschwerde mangels tauglichen Anfechtungsgegenstands als unzulässig zurück.

Das Gericht ging vom Vorliegen zweier voneinander zu unterscheidender Verwaltungs­akte aus, die jeweils einer rechtlichen Beurteilung zugänglich seien: Die durch den Mit­arbeiter der Gemeinde erfolgte Aufforderung an den Beschwerdeführer, einen 3G-Nachweis vorzulegen einerseits, und die Aufforderung, den Sitzungssaal und das Ge­bäude zu verlassen andererseits. In beiden Fällen handle es sich, so das LVwG NÖ, nicht um Verwaltungsakte, die im Wege einer Maßnahmenbeschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG bekämpfbar seien. Denn zentrales Merkmal einer solchen Maßnahme sei die sogenannte Normativität des Aktes (= Akt unmittelbarer Befehls- und Zwangs­gewalt). Diese Normativität könne zum einen in der direkten Ausübung von Zwang im Sinn einer physischen Einwirkung auf Personen oder Sachen bestehen. Zum anderen könne sie in einem Befehl liegen, dessen unmittelbare zwangsweise Durchsetzung im Fall der Nichtbefolgung bei objektiver Betrachtungsweise zu erwarten ist.

Weder für das „Abverlangen“ eines 3G-Nachweises, noch die Aufforderung zum Ver­lassen des Sitzungssaals lägen diese Voraussetzungen vor. In beiden Situationen wäre für den Fall der Nichtbefolgung weder eine zwangsweise Durchsetzung ausdrücklich angedroht worden (etwa in Form einer Durchsuchung des Beschwerdeführers oder dessen Abführung aus dem Sitzungssaal), noch hätte aufgrund der Begleitumstände auf eine solche unmittelbar drohende zwangsweise Durchsetzung geschlossen werden können. Auch die Angabe des Beschwerdeführers, er habe allenfalls damit gerechnet, dass der Bürgermeister die Polizei holen könnte, vermöge an dieser Beurteilung nichts zu ändern. Ein solcher Polizeieinsatz sei nämlich – ungeachtet der diesbezüglich fragli­chen Zuständigkeit der Polizei – bei objektiver Betrachtungsweise keineswegs im Raum gestanden. Alleine die subjektive Ansicht des Beschwerdeführers sei für die Beurteilung des unmittelbar drohenden Zwangs nicht ausschlaggebend.

Ausdrücklich offen ließ das LVwG NÖ die Frage, ob es sich bei der Aufforderung zur Vorlage eines 3G-Nachweises überhaupt um einen Akt handle, welcher der Hoheits­verwaltung zuzurechnen sei.

Mangels Normativität der bekämpften Handlungen und somit mangels Vorliegens eines Verwaltungsaktes, der im Wege einer Maßnahmenbeschwerde bekämpft werden könne, wies das LVwG NÖ die Beschwerde zurück. Eine inhaltliche Prüfung der Recht­mäßigkeit des Geschehens nahm das LVwG NÖ somit nicht vor.

Vgl. zu diesem Verfahren die Pressemitteilung und den Volltext der Entscheidung.