Fachinfos - Judikaturauswertungen 11.08.2022

Beamtendienstrecht: Rechtmäßigkeit einer vorläufigen Suspendierung

Eine vorläufige Suspendierung kann auch auf (später hervorgekommene) weitere Sachverhalte gestützt werden (11. August 2022)

VwGH 28.2.2022, Ra 2021/09/0251

Eine vorläufige Suspendierung kann nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH) auch auf – später hervorgekommene – weitere Sachverhalte gestützt werden. Sie ist dann aufzuheben, wenn die dafür maßgeblichen Umstände nachträglich weggefallen sind. Die Überprüfung der vorläufigen Suspendierung erfolgt zunächst am ursprünglich herangezogenen Grund, jedoch unter Beachtung von Veränderungen zu Gunsten und zu Lasten der Beamtin bzw. des Beamten.

Sachverhalt

Ein Beamter und Sektionsleiter im Bundesministerium für Justiz (BMJ) wurde – wegen des Verdachts, dass er das Amtsgeheimnis verletzt und dadurch gegen seine Dienst­pflichten verstoßen habe – mit Bescheid vorläufig vom Dienst suspendiert. Dagegen erhob der Beamte Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG).

In Folge teilte das BMJ die vorläufige Suspendierung der Bundesdisziplinarbehörde mit und erstattete ebendort Disziplinaranzeige. Im weiteren Verlauf zeigte das BMJ weitere Vorwürfe der Begehung von Dienstpflichtverletzungen durch den Beamten bei der Bundesdisziplinarbehörde an.

Die Bundesdisziplinarbehörde hob die vorläufige Suspendierung auf, wogegen wiede­rum der Disziplinaranwalt des BMJ Beschwerde erhob. Das – für beide Beschwerden zuständige – BVwG wies die Beschwerde des Beamten ab, gab jener des Disziplinaran­walts jedoch statt, und sprach die endgültige Suspendierung aus. Begründend führte das BVwG insbesondere jene Tatvorwürfe an, die nicht schon in der ursprünglichen (vorläufigen) Suspendierung, sondern erst in der nachträglichen Anzeige des BMJ erho­ben wurden.

Gegen dieses Erkenntnis erhob der Beamte zunächst Beschwerde an den Verfassungs­gerichtshof, der die Behandlung jedoch mit Beschluss vom 22. September 2021, E 2773/2021, ablehnte. In Folge erhob der Beamte die gegenständliche außerordentli­che (ao.) Revision.

Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs

Der VwGH erachtete die ao. Revision in einem Punkt für zulässig: Es fehle an Recht­sprechung zur Frage, ob eine Suspendierung nur auf Grund solcher Anschuldigungs­punkte bestätigt werden dürfe, die der vorläufigen Suspendierung noch nicht zugrunde gelegen und Gegenstand eines anderen Verfahrens (ohne vollständige Parteienidenti­tät) seien.

Inhaltlich führte der VwGH aus, dass die Suspendierung als sichernde – im Verdachts­bereich zu treffende – Maßnahme keine „endgültige Lösung“ darstelle. Die vorgewor­fene Dienstpflichtverletzung müsse daher im Suspendierungsverfahren noch nicht nachgewiesen sein, diese Aufgabe obliege erst den Disziplinarbehörden. Es genüge da­her grundsätzlich zur Rechtfertigung des Ausspruchs einer Suspendierung, wenn ein begründeter Verdacht einer Dienstpflichtverletzung bestünde. Daraus ergebe sich auch, dass an die Begründung eines (vorläufigen) Suspendierungsbescheides keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden dürfen. Bloße Gerüchte und vage Ver­mutungen würden jedoch nicht ausreichen. Ebenso wenig, wenn bereits auf der Hand liege, dass die Voraussetzungen für die Einstellung des Disziplinarverfahrens vorliegen würden (beispielsweise bei bereits eingetretener Verjährung).

Zu der Rechtsfrage, ob Gründe für eine vorläufige Suspendierung „nachgereicht“ wer­den können, hielt der VwGH fest, dass eine vorläufige Suspendierung auch auf solche Vorkommnisse gestützt werden kann, die erst im Verlauf des Verfahrens hervorkom­men. Zusammengefasst sprach der VwGH aus, dass Veränderungen – sowohl zuguns­ten als auch zulasten der bzw. des Beamten – im Zeitraum der zu überprüfenden vor­läufigen Suspendierung vom Gericht zu beachten sind.

Im konkreten Anlassfall habe das BVwG jedoch, so der VwGH, die vorläufige Suspen­dierung von Beginn an auf die erst in der nachträglichen Anzeige vorgebrachten Gründe gestützt. Es habe dagegen den ursprünglichen Grund für die vorläufige Suspendierung nicht ausreichend geprüft und diesen außerdem zu Unrecht als nicht ausreichend er­achtet. Der VwGH hob die Entscheidung insoweit auf.

Vgl. zu diesem Verfahren die Pressemitteilung und den Volltext der Entscheidung.