Das Oberlandesgericht Wien hegte keine Bedenken gegen die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen zum Bedeutungsinhalt der Aussagen auf der Website und im Video. Das Erstgericht habe zutreffend festgehalten, dass der Verein im diametralen Gegensatz zu den politischen Werten und Meinungen der FPÖ stehe und regelmäßig Informations- und Protestveranstaltungen gegen die von Strache geführte FPÖ als politischen Widerstand organisiere. Der von diesem Verein angesprochene Leser/innen/kreis erkenne sogleich, dass es sich bei der Veröffentlichung auf der Website um einen Aufruf zur gemeinsamen Demonstration und Manifestation gegen die Ziele und Werte der FPÖ und eine mögliche Regierungsbeteiligung am Ende des Vorwahlkampfes handle. Dabei sei unzweifelhaft auch die eigene politische Motivation sowie eigene Ziele und Werte dargestellt und scharfe Kritik an den gegenteiligen Positionen und Vertreter/inne/n der FPÖ geübt worden.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) dürften auch solche Informationen oder Ideen, die den Staat oder eine Bevölkerungsgruppe beleidigen, schockieren oder stören, geäußert werden. Das gelte auch für die Form, in der Meinungen geäußert werden. Im Rahmen des Art. 10 EMRK seien auch scharf kritisierende Werturteile zulässig, sofern sie auf einer ausreichend faktischen Grundlage beruhen würden. Diesfalls seien auch beleidigende, schockierende und störende Werturteile hinzunehmen. In diesem Sinne habe der EGMR etwa die Bezeichnung als „Trottel“, „Kellernazi“ und als „Psychosekte mit totalitärem Charakter“ als zulässig angesehen. Unverhältnismäßig sei eine Meinung nur dann, wenn sie jeglicher Tatsachengrundlage entbehre.
Bei Politiker/inne/n seien die Grenzen zulässiger Kritik zudem weiter zu ziehen als bei Normalbürger/inne/n. Das Recht auf freie Meinungsäußerung bedeute zwar keinen Freibrief, den guten Ruf des Betroffenen herabzusetzen und ihn zu beleidigen. Doch könnten selbst Beschimpfungen im Rahmen politischer Debatten durch das Recht auf freie Meinungsäußerung gerechtfertigt sein, wenn ein entsprechender Sachbezug gegeben sei.
Laut OLG Wien besteht ein solcher Sachbezug im vorliegenden Fall: Das Verständnis der Rezipienten fuße dabei im Gesamtkontext der Vorwahlsituation sowie der politisch am linken Rand extrem agierenden Bewegung des Vereins. „F*CK Strache“ sei zwar sicher nicht als künstlerische, aber – wenn auch derbe, knappe und einprägsame – pointierte Ausdrucksform gegen all das, wofür der Parteiobmann politisch stehe und als Aufruf zum Widerstand dagegen zu verstehen.
Nach der Rechtsprechung des EGMR sei dem kritischen Werturteil in der politischen Auseinandersetzung eine sehr weitreichende verfassungsrechtliche Privilegierung – aber keine schrankenlose Meinungs- und Kritikfreiheit – eingeräumt. Gegenüber Politiker/inne/n geäußerte (Un‑)Werturteile ohne einzelfallbezogen hinreichendes Tatsachensubstrat, Wertungsexzesse oder formale Ehrenbeleidung seien nicht gedeckt. Die Grenze sei dort zu ziehen, wo unabhängig von der zur Debatte gestellten politischen Verhaltensweise die persönliche Diffamierung des/der Betroffenen im Vordergrund stehe. Die getätigten Aussagen und Gesten würden keine bloß gegen die Person Straches gerichtete substratlose Diffamierung darstellen. Sie seien zweifelsfrei politischer Natur und würden eine Frage von öffentlichem Interesse behandeln, wobei eine ausreichend faktische Grundlage bestehe.
Vgl. zu diesem Verfahren die Fundstellen MR 2018, 57; jusIT 2019,17 und ZIIR 2019, 355, in denen Passagen der Entscheidung abgedruckt sind.