Fachinfos - Judikaturauswertungen 08.07.2020

Bundespräsidentenwahl 2016: Kein Schadensersatz

Kein Schadenersatz für frustrierte Wahlwerbungskosten. OGH 1.4.2020, 1 Ob 212/19m (8. Juli 2020)

Sachverhalt

Die Freiheitlichen Parteien Österreichs (FPÖ), konkret die Bundespartei und die neun Landesparteien, hatten von der Republik Österreich Schadenersatz für frustrierte Wahlkampf- und Wahlwerbungskosten im Zusammenhang mit der Aufhebung der ersten Stichwahl (zweiter Wahlgang) sowie der Verschiebung der zu wiederholenden Stichwahl der Bundespräsidentenwahl 2016 in Höhe von insgesamt € 3.411.084,46 begehrt.

Der zweite Wahlgang wurde vom Verfassungsgerichtshof (VfGH) wegen festgestellter Verstöße gegen den verfassungsgesetzlichen Grundsatz der geheimen Wahl und gegen Bestimmungen des Bundespräsidentenwahlgesetzes (BPräsWG) aufgehoben (insb. weil Briefwahlkarten in 14 Wahlbezirken vorzeitig geöffnet bzw. ausgezählt wurden und – auch im Hinblick auf den knappen Stimmenunterschied zwischen den Kandidaten – Manipulationen nicht ausgeschlossen werden konnten). Der Termin der zu wiederholenden Stichwahl wurde mittels Verordnung der Bundesregierung für den 2. Oktober 2016 festgesetzt und in der Folge durch den Bundesgesetzgeber auf den 4. Dezember 2016 verschoben (BGBl. I Nr. 86/2016).

Zwei Jahre nach Durchführung der verlegten Wiederholung der Bundespräsidentenstichwahl wurde die gegenständliche Klage eingebracht. Nachdem die Klagsforderung vom Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien erstinstanzlich bereits im Mai 2019 abgewiesen worden war, wurde das Urteil in der Folge nach Berufung an das Oberlandesgericht Wien und nun vom Obersten Gerichtshof (OGH) als Revisionsgericht bestätigt.

Entscheidung des Obersten Gerichtshofs

Politische Parteien, wie Spender, sind nicht vom Schutzzweck umfasst

Die Klägerinnen brachten im Kern vor, dass schuldhaftes Fehlverhalten bei Durchführung hoheitlicher Aufgaben vorgelegen sei und frustrierte Aufwendungen bestünden, weil diese die geplante Wirkung(sdauer) verfehlt hätten. Auch seien sie vom Schutzzweck der Normen des BPräsWG und der Bundesverfassung betreffend Durchführung einer Bundespräsidentschaftswahl (ausdrücklich „§§ 12 und 13 sowie §§ 5a, 10 und 14a BPräsWG und Art 60 B-VG“) erfasst, da die Unterstützung eines Bundespräsidentschaftskandidaten „Kernaufgabe einer politischen Partei“ sei – sowie im Übrigen eine Vereinbarung mit dem unterstützten Wahlwerber über die bedingte Übernahme von Wahlwerbungskosten (siehe unten) getroffen worden und somit „ein Fall der Schadensverlagerung“ vorgelegen sei.

Der OGH hatte also zu entscheiden, ob der Schutzzweck der (verletzten) Normen den behaupteten Vermögensschaden der Klägerinnen umfasst: Dazu stellte er fest, „dass politischen Parteien im Zusammenhang mit der Finanzierung von Werbemaßnahmen bei einer Bundespräsidentenwahl keine andere Stellung zukommt als sonstigen Unterstützern und Spendern im Sinn des § 24a BPräsWG“. Die Aufwendungen der klagenden Parteien seien daher ebenfalls – freiwillige – Spenden und Zuwendungen im Sinne dieser Bestimmung und nicht vom Schutzzweck der angeführten Bestimmungen des BPräsWG bzw. des B-VG umfasst, denn diese Bestimmungen hätten zum Ziel, den Wählerwillen und abstrakt die Umsetzung der Grundsätze der freien und geheimen Wahl zu schützen und sicherzustellen.

Mangels Schutz von finanziellen Interessen der Klägerinnen durch die angeführten Bestimmungen, könnten die behaupteten frustrierten Aufwendungen der aufgehobenen Stichwahl daher nicht gegenüber der Republik im Wege der Amtshaftung geltend gemacht werden; ebenso wenig die Aufwendungen, welche aufgrund der durch (Verfassungs-)Gesetz verschobenen Wiederholung der Stichwahl anfielen.

Freiheit der Wahlwerbung, Unabhängigkeit des Wahlwerbers

Eine Einschränkung der dem Grundsatz des freien Wahlrechts (Art. 26 Abs. 1 sowie Art. 60 Abs. 1 B‑VG) entfließenden Freiheit der Wahlwerbung sei von den klagenden Parteien nicht geltend gemacht worden. Den vorgebrachten Argumenten, dass das demokratische Grundprinzip und Wahlgrundsätze verletzt würden, wenn Wahlwerber/innen bei Wahlwiederholungen ihre Aufwendungen nicht ersetzt erhielten, weil dadurch finanzstärkere Kandidat/inn/en bessergestellt seien, konnte der OGH nichts abgewinnen: Dies gelte für jede Wahl – unabhängig von etwaigen Wahlwiederholungen – und nur im Rahmen der Obergrenze.

Die behaupteten Verpflichtungen des Wahlwerbers im Zusammenhang mit der Vereinbarung zwischen den klagenden politischen Parteien und dem von ihnen unterstützten Kandidaten (z.B. Teilnahme an allen Wahlgängen etc., widrigenfalls er schadenersatzpflichtig würde) widersprächen „massiv“ § 24a Abs. 5 BPräsWG [unzulässige Annahme von Spenden von (juristischen) Personen, die „erkennbar in Erwartung oder als Gegenleistung eines bestimmten wirtschaftlichen oder rechtlichen Vorteils eine Spende gewähren wollen“]. Der vorgebrachte Vergleich des Wahlwerbers mit einem/einer Arbeitnehmer/in stehe in Kontrast zur Unvereinbarkeitsregel des Art. 61 B-VG, welche „mögliche politische oder faktische Bindungen oder Befangenheiten“ des Bundespräsidenten iSd ihm zugedachten überparteilichen Stellung ausschließen solle, und auch bereits Abhängigkeitsverhältnisse im Vorfeld der Wahl beträfe. Die Vereinbarung konnte laut OGH also nicht wirksam begründet werden und war daher sittenwidrig (§ 879 Abs. 1 ABGB).

Vgl. zu diesem Verfahren die Pressemitteilung und den Volltext der Entscheidung.