Fachinfos - Judikaturauswertungen 08.07.2020

Bundespräsidentenwahl 2016: falsche Beurkundung

Bezirkshauptmann von Hermagor der falschen Beurkundung schuldig, aber nicht des Amtsmissbrauchs. OGH 29.4.2020, 14 Os 23/20v (8. Juli 2020)

Sachverhalt

Der Bezirkshauptmann von Hermagor und dessen Verwaltungsdirektor wurden Ende 2019 vom Landesgericht Klagenfurt (LG Klagenfurt) als Schöffengericht zu Geldstrafen wegen falscher Beurkundung und Beglaubigung im Amt gemäß § 311 StGB verurteilt.

Dem Urteil zufolge unterfertigten die beiden als Mitglieder der dortigen Bezirkswahlbehörde die Niederschriften am bzw. nach dem Wahltag des zweiten Wahlganges der Bundespräsidentenwahl 2016 (d.h. der ersten Stichwahl im Mai 2016) zum Beweis von Tatsachen vorsätzlich fälschlich – insbesondere fand keine Aussonderung und Öffnung von mittels Briefwahl eingelangten Wahlkarten vor Beisitzer/inne/n statt. Das LG Klagenfurt sprach sie demgegenüber vom Vorwurf des Amtsmissbrauches frei.

Dagegen wurden weitgehend inhaltsgleiche Nichtigkeitsbeschwerden gestützt auf § 281 Abs. 1 Z 5, 8 und 10a StPO ergriffen, die der Oberste Gerichtshof (OGH) in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss vom 29. April 2020 zurückwies. Eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Graz hinsichtlich der verbundenen Berufungen und damit des Strafausmaßes ist noch ausständig (§ 285i StPO).

Entscheidung des Obersten Gerichtshofs

Niederschriften – öffentliche Urkunden

Der OGH verwies im Fall des auf Z 5 gestützten Einwandes auf seine ständige Rechtsprechung, dass die Beurteilung einer Rechtsfrage – in diesem Fall, ob die verfahrensgegenständlichen Niederschriften „für sich alleine“ die Kriterien einer öffentlichen Urkunde iSd § 311 StGB erfüllen – nicht Gegenstand der Mängelrüge sein kann. Auch als Rechtsrüge iSd Z 9 lit. a würden die Beschwerden ihr Ziel verfehlen, da eine „bloße Rechtsbehauptung“ aufgestellt würde, die Niederschriften seien nur als amtsinterne Urkunden im Rechtsverkehr zwischen den Gebietskörperschaften und nicht für die Öffentlichkeit bestimmt und daher ungeeignet gewesen, diese Tatsachen fälschlich darzustellen.

Der OGH hielt in seiner Entscheidung ausdrücklich fest, dass die gegenständlichen Niederschriften auch als öffentliche Urkunden zu qualifizieren sind und für den Rechtsverkehr nach außen bestimmt waren. Denn sie würden insgesamt als Bestandteil des Wahlaktes (§ 14 Abs. 4 BPräsWG) der „Überprüfbarkeit des Wahlverfahrens, insbesondere auch anlässlich einer Wahlanfechtung beim Verfassungsgerichtshof“ in Bezug auf alle festgehaltenen Tatsachen und Vorgänge dienen.

Würdigung von entlastendem Beweismaterial, unterschiedlicher Strafverfolgungs-Praxis und Realkonkurrenz zwischen Amtsmissbrauch und falscher Beurkundung

Auch erkannte der OGH in den behaupteten Widersprüchen zwischen pauschalen Aussagen zum Urteilsspruch bzw. der Aktenlage und Feststellungen zu den Freisprüchen vom Vorwurf des Amtsmissbrauchs bzw. des Unterbleibens der Strafverfolgung von Wahlbeisitzer/inne/n keinen Nichtigkeitsgrund, da nicht verdeutlicht wurde, inwieweit letzterer Aspekt für die individuelle Schuld der Angeklagten relevant wäre und im Übrigen eine Schuldberufung im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehen sei. Der OGH hält dazu in einem Rechtssatz fest: „Echte Realkonkurrenz zwischen § 302 StGB (Anm. Amtsmissbrauch) und § 311 StGB (Anm. Falsche Beurkundung und Beglaubigung im Amt) ist möglich.“ (RIS-Justiz RS0133109).

Andere gerügte (mangelnde, undeutliche oder unvollständige) Feststellungen, u.a. betreffend fehlende Feststellungen des Erstgerichts zum „Leitfaden für den zweiten Wahlgang der Bundespräsidentenwahl am 22. Mai 2016“ bzw. einer von der Bezirkswahlbehörde erteilten Ermächtigung zu vorabendlichen „Vorarbeiten“ bzgl. Wahlkarten befand der OGH ebenfalls als nicht ausreichend begründet, um einen Nichtigkeitsgrund zu erkennen, bzw. als unzulässige Schuldberufung.

Anklageüberschreitung

Der von den Beschwerdeführern geltend gemachte Nichtigkeitsgrund der Anklageüberschreitung gemäß § 281 Abs. 1 Z 8 StPO wurde vom OGH ebenfalls verneint, da auf Deckung von Anklage und Urteil hinsichtlich derselben Tathandlung, in diesem Fall der Falschbeurkundung sämtlicher vom Schuldspruch erfasster Punkte, abzustellen sei. Der Schuldspruch des Erstgerichts umfasste – anders als die Anklage – auch die Niederschrift vom Wahltag selbst.

Diversionsrüge

Die ebenfalls vorgebrachte Diversionsrüge gemäß § 281 Abs. 1 Z 10a StPO scheitere laut OGH daran, dass sich die Beschwerdeführer bei der Kritik an der Annahme des Diversionshindernisses der schweren Schuld (§ 198 Abs. 2 Z 2 StPO) nicht am Urteilssachverhalt orientierten, sich uneinsichtig hinsichtlich des „über dem Durchschnitt gelegenen Unrechtsgehalt[s]“ und der für eine Diversion erforderlichen „Verantwortungsübernahme“ zeigten sowie Rechtsfragen anstelle entscheidender Tatsache vorgebracht worden seien. Weiters sei „[d]as Fehlen spezial- und generalpräventiver Diversionshindernisse […] zudem nicht einmal behauptet“ worden.

Die Nichtigkeitsbeschwerden wurden daher sofort zurückgewiesen (§ 285d Abs. 1 StPO).

Vgl. zu diesem Verfahren den Volltext der Entscheidung.