Fachinfos - Judikaturauswertungen 15.12.2022

Deutschland: Erfolgreicher Eilantrag zum COVID-19-U-Ausschuss

VfG Brandenburg 26.7.2022, VfGBbg 9/22 EA

Das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg (VfG) hat einem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Anordnung (auch: Eilantrag) von drei Mitgliedern des Untersuchungsausschusses zur Untersuchung der Krisenpolitik der Landesregierung im Zusammenhang mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 und der Erkrankung COVID-19 (UA 7/1) bzw. einer Fraktion stattgegeben, mit dem sich diese gegen den Mehrheitsbeschluss über die Beendigung der Beweisaufnahme gewendet hatten. Es überwiege das Interesse der Antragsteller:innen daran, dass die Beweisaufnahme vorläufig bis zur Entscheidung des anhängigen Organstreitverfahrens in der Hauptsache nicht beendet ist. Ansonsten könnten die Minderheitsrechte im Untersuchungsausschuss (UsA) leerlaufen.

Sachverhalt

Beim VfG ist seit Oktober 2021 (zur Zahl VfGBbg 67/21) ein Organstreitverfahren gemäß Art. 113 Z 1 der Verfassung des Landes Brandenburg anhängig. In diesem machen die Antragsteller:innen – drei Mitglieder des UsA bzw. eine Fraktion – eine Verletzung ihrer Minderheitsrechte, insb. ihres Beweisantragsrechts gemäß Art. 72 Abs. 3 zweiter Satz der Verfassung des Landes Brandenburg, durch den UsA geltend. Der UsA hatte zuvor mit Mehrheitsbeschlüssen unter anderem bestimmte Beweisanträge der Antragsteller:innen abgelehnt. Über das in der Hauptsache geführte Organstreitverfahren hat das VfG noch keine Entscheidung getroffen. Jedoch erklärte zwischenzeitlich im Juni 2022 der UsA wiederum mit Mehrheitsbeschluss die Beweisaufnahme für beendet. Gegen die Beendigung der Beweisaufnahme sowie die – durch den UsA bereits konkret in Aussicht genommene – Erstattung des Schlussberichts an den Landtag wandten sich die Antragsteller:innen mit einem Eilantrag an das VfG.

Entscheidung des Verfassungsgerichts Brandenburg

Das VfG gab dem Eilantrag statt. Begründend führte es aus, dass das in der Hauptsache geführte Organstreitverfahren weder unzulässig noch offensichtlich unbegründet sei. Die Antragsteller:innen seien antragsbefugt und die Erfolgsaussichten der verfassungsgerichtlichen Prüfung der Ablehnung der Beweisanträge blieben im Rahmen des Eilverfahrens außer Betracht. Die erforderliche Folgenabwägung ergebe im vorliegenden Fall, dass das Interesse der Antragsteller:innen daran, dass die Beweisaufnahme vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht beendet ist, deutlich überwiege, weil die Rechte der qualifizierten Minderheit im UsA (hier: ein Fünftel der Mitglieder) ansonsten leerlaufen könnten. Diesen Minderheitsrechten sei in der parlamentarischen Demokratie ein hoher Stellenwert beizumessen. Sollte sich das Handeln des UsA – also die Ablehnung der Beweisanträge der Antragsteller:innen durch die Mehrheit – letztlich als verfassungswidrig erweisen, sei nicht auszuschließen, dass die beantragten Beweiserhebungen nicht mehr nachgeholt werden könnten.

Im Ergebnis verpflichtete das VfG den UsA, die Beweisaufnahme vorläufig nicht zu beenden, soweit sie die abgelehnten Beweisanträge der Antragsteller:innen betrifft, und es zu unterlassen, dem Landtag Brandenburg einen Schlussbericht zu erstatten. An diesem Ergebnis änderte auch der Umstand nichts, dass der UsA die Beendigung der Beweisaufnahme unter dem Vorbehalt der Entscheidung des anhängigen Organstreitverfahrens in der Hauptsache beschlossen hatte. Durch die mögliche Erstattung des Schlussberichts an den Landtag drohe den Antragsteller:innen nämlich dennoch die Schaffung vollendeter Tatsachen, weil mit Kenntnisnahme des Berichts durch den Landtag die Arbeit des UsA jedenfalls ende. In Anbetracht der erst im Jahr 2024 endenden Legislaturperiode müsse daher letztlich das – grundsätzlich ebenfalls schützenswerte – Interesse des UsA an einer zügigen Erstattung des Schlussberichts gegenüber der vorläufigen Nichtbeendigung der Beweisaufnahme zurückstehen.

Vgl. zu diesem Verfahren die Pressemitteilung und den Volltext der Entscheidung.