Fachinfos - Judikaturauswertungen 07.02.2023

Diskriminierungsgründe: Parteimitgliedschaft als Weltanschauung

In Zusammenhang mit einem Dienstverhältnis kann eine Parteimitgliedschaft Ausdruck einer Weltanschauung im Sinne eines Diskriminierungsgrundes sein (07. Februar 2023)

OGH 20.10.2022, 9 ObA 59/22z

Der Oberste Gerichtshof (OGH) sprach aus, dass eine parteipolitische Zugehörigkeit Ausdruck einer Weltanschauung im Sinne von § 13 Bundes-Gleichbehandlungsgesetz (B-GlBG) beim Schutz vor Diskriminierungen in Zusammenhang mit einem Dienstverhältnis sein kann, wenn sie sich als Leitauffassung vom Leben und von der Welt als einem Sinnganzen erweist.

Sachverhalt

Der Kläger war Vertragsbediensteter bei der Beklagten und bewarb sich für eine Position als Vizerektor einer Pädagogischen Hochschule. Im Bewerbungsverfahren wurde der Kläger erstgereiht. Die zuständige Bundesministerin beauftragte daraufhin ein Gutachten, in dem die Bestellung der zweitgereihten Bewerberin empfohlen wurde. Die Bundesministerin bestellte in der Folge diese anstelle des Klägers zur Vizerektorin.

Dieser begehrte von der Republik Österreich die Zahlung der Entgeltdifferenz, da er bei der Bestellung aufgrund seiner Weltanschauung gemäß § 13 Abs. 1. Z 1 B-GlBG diskriminiert worden sei. Einerseits sei das von der Bundesministerin beauftragte Gutachten im Hochschulgesetz nicht vorgesehen und die Bundesministerin in mehreren Kabinetten von Bundesminister:innen der ÖVP beschäftigt gewesen. Andererseits gehöre der Kläger der SPÖ an und übe als solcher verschiedene politische Funktionen aus. Mit der Parteizugehörigkeit sei eine bestimmte Weltanschauung verbunden, nämlich die Verbreitung bestimmter Werte wie sozialer Zusammenhalt und bestimmte bildungspolitische Zugänge. Die Beklagte wandte ein, dass die Parteizugehörigkeit keine Weltanschauung darstelle.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren mit der Begründung ab, dass der Kläger nicht ausreichend dargelegt habe, wie sich durch die Parteizugehörigkeit und das Ausüben einzelner Funktionen eine Weltanschauung manifestiere. Das Berufungsgericht verwies der Berufung des Klägers folgend die Sache an das Erstgericht zurück. Die Zugehörigkeit zu einer Partei, deren Programm als eine Gesamtheit an Leitauffassungen von einer vorzunehmenden Gestaltung der Gesellschaft im umfassenden Sinn (wirtschaftlich, sozial, kulturell) und der Rolle und Verantwortung des Einzelnen dabei (Bedeutung für das individuelle Lebensverständnis) zu verstehen sei, könne eine diskriminierungsrechtlich geschützte politische Einstellung sein. Dies gelte aufgrund seiner parteipolitischen Tätigkeiten vor allem auch bezüglich des Klägers.

Entscheidung des Obersten Gerichtshofs

Der OGH folgte dem Rekurs der Beklagten nicht und machte zunächst allgemeine Ausführungen zum Begriff „Weltanschauung“. So dürfe gemäß § 13 Abs. 1 Z 1 B­‑GlBG niemand aufgrund seiner „Religion“ oder „Weltanschauung“ im Zusammenhang mit einem Dienstverhältnis diskriminiert werden. Die Gesetzesmaterialien und die Rechtsprechung des OGH und des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) zitierend sah er beide Begriffe als zwei Seiten eines Diskriminierungsgrundes an, wobei Weltanschauung als Sammelbezeichnung für andere Leitauffassungen vom Leben und von der Welt als einem Sinnganzen sowie zur Deutung des persönlichen und gemeinschaftlichen Standorts für das individuelle Lebensverständnis diene. Der OGH führte weiter aus, dass er in seiner Rechtsprechung noch nicht darüber ausgesprochen hat, ob eine Parteimitgliedschaft alleine schon eine Weltanschauung im Sinne dieser Bestimmung darstellt. Auch die von ihm angeführte Literaturmeinung beantworte diese Frage nicht einheitlich.

Der OGH fasste zusammen, dass eine politische Meinung zu einzelnen Fragen nicht als Weltanschauung anzusehen ist. Die Mitgliedschaft zu einer Partei könne allerdings eine Weltanschauung sein, wenn sie sich als Leitauffassung vom Leben und von der Welt als einem Sinnganzen erweist, die zur komplexen Deutung des persönlichen und gemeinschaftlichen Standorts für das individuelle Lebensverständnis diene und von einer Mehrzahl von Personen hinreichend stabil vertreten werde. Der Kläger habe einen solchen Diskriminierungstatbestand zu behaupten und in einem weiteren Schritt glaubhaft zu machen.

Bislang genügten allerdings weder die Begründung des Berufungsgerichts, dass der Kläger Mitglied der SPÖ sei, noch das Vorbringen des Klägers, dass mit der Parteizugehörigkeit die Weltanschauung des Werts des sozialen Zusammenhalts sowie bestimmte bildungspolitische Zugänge verbunden seien, dieser Anforderung an die Behauptung eines Diskriminierungsmotivs im Sinne von § 13 B-GlBG. Eine solche Weltanschauung müsse zwar nicht tatsächlich vorliegen, wenn die Beklagte bei der Diskriminierung unrichtig von deren Vorliegen ausgegangen sei; es bedürfe im vorliegenden Fall aber weiterer Schritte zur Glaubhaftmachung der Behauptung des Diskriminierungstatbestands.

Aus diesem Grund und zur Vermeidung einer Überraschungsentscheidung sei das Verfahren vor dem Erstgericht zu ergänzen.

Vgl. zu diesem Verfahren den Volltext der Entscheidung.