Der EGMR erachtete die Beschwerden auf Grund des Fehlens einer effektiven innerstaatlichen Rechtschutzmöglichkeit auch ohne die Erschöpfung des innerstaatlichen Rechtsweges für zulässig. Inhaltlich hielt das Gericht zunächst fest, dass die aus seiner Judikatur zum Recht auf freie Wahlen einschlägigen allgemeinen Grundsätze zu beachten seien, den Mitgliedstaaten jedoch ein Beurteilungsspielraum eingeräumt sei: Um die durch Art. 3 des 1. ZP zur EMRK garantierten Rechte zu gewährleisten, könnten die Mitgliedstaaten beschließen, es entweder den innerstaatlichen Gerichten zu überlassen, die Verhältnismäßigkeit einer Maßnahme zur Beschränkung des Wahlrechts verurteilter Häftlinge zu bestimmen, oder Bestimmungen in ihre Gesetze aufzunehmen, die die Umstände festlegen, unter denen eine solche Maßnahme angewendet werden sollte. Im letzteren Fall obliege es dem Gesetzgeber selbst, die konkurrierenden Interessen abzuwägen, um eine allgemeine, automatische und unterschiedslose Beschränkung zu vermeiden. Der durch das Gesetz erfolgte Wahlrechtsausschluss stelle ohne Zweifel einen Eingriff in das Recht auf freie Wahlen dar; fraglich sei nur, ob er gerechtfertigt sei, ob er also ein legitimes Ziel verfolgt habe und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig gewesen sei.
Der Eingriff verfolge eine legitimes Ziel: Es handele sich um eine Maßnahme zum Schutz des demokratischen Wertesystems, zur Verbrechensverhütung, zur Stärkung der bürgerlichen Verantwortung und der Achtung der Rechtsstaatlichkeit sowie zum Schutz der einschlägigen Institutionen vor unrechtmäßiger Einflussnahme bei der Auswahl von Beamt:innen und der Politikgestaltung. Die Beschränkung des Wahlrechts der Beschwerdeführer für die Parlamentswahlen 2017 könne angesichts der Schwere der von ihnen begangenen Straftaten auch als in einer demokratischen Gesellschaft notwendig, also nicht als unverhältnismäßig angesehen werden. Es bestehe kein Zweifel, dass jede dieser Straftaten ein schwerer Angriff auf die Werte der Gesellschaft und der sozialen Ordnung darstelle. An diese Schwere knüpfe das Gesetz an. Es sei möglich, bei allen Beschwerdeführern einen erkennbaren und ausreichenden Zusammenhang zwischen den von ihnen jeweils begangenen Straftaten und dem Entzug des jeweiligen Wahlrechts festzustellen. Der Umstand, dass die getroffene gesetzliche Regelung nur 932 von insgesamt 5300 Strafgefangenen vom Wahlrecht zu den Parlamentswahlen 2017 ausschloss, zeige, dass sie einen begrenzten Anwendungsbereich habe. Die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme sei also auch mit der Einschränkung des Wahlrechtsentzugs auf wenige schwere Straftaten sichergestellt worden. Der dem Staat in diesem Bereich eingeräumte Beurteilungsspielraum sei daher nicht überschritten worden und im Ergebnis liege somit keine Verletzung des Rechts auf freie Wahlen gemäß Art. 3 des 1. ZP zur EMRK vor.
Vgl. zu diesem Verfahren die Pressemitteilung und den Volltext der Entscheidung (jeweils in englischer Sprache).