Der EuGH wies darauf hin, dass das Protokoll über die Sitze der Organe und die Bestimmungen des AEUV, die das Haushaltsverfahren regeln, rechtlich gleichrangig sind und verwies dabei auf seine Entscheidung in der Rechtssache C-73/17. Die Vorgaben aus dem Protokoll könnten daher nicht jenen des AEUV vorgehen und umgekehrt. Ihre Anwendung müsse auf Einzelfallbasis erfolgen. Dabei sei darauf zu achten, dass diese Vorgaben miteinander in Einklang gebracht werden und zwischen ihnen ein angemessenes Gleichgewicht besteht.
Das EP sei somit zwar verpflichtet, seine Haushaltsbefugnisse während einer ordentlichen Plenartagung in Straßburg auszuüben. Wenn der reibungslose Ablauf des Haushaltsverfahrens es aber zwingend erfordere, könne eine Aussprache und Abstimmung über den Jahreshaushaltsplan auch in einer zusätzlichen Plenartagung in Brüssel erfolgen. Denn es sei Sache des EP, die Anforderungen aus dem Protokoll über die Sitze der Organe mit den zwingenden Erfordernissen für den reibungslosen Ablauf des Haushaltsverfahrens in Einklang zu bringen. Dafür verfüge es über einen Ermessensspielraum.
Der EuGH prüfte daher die Frage, ob das EP dadurch Ermessensfehler begangen hat, dass es einen Teil seiner Haushaltsbefugnisse während einer zusätzlichen Plenartagung ausgeübt hat.
Im Urteil in der Rechtssache C-73/17 hatte der EuGH entschieden, dass zu dem Zeitpunkt, zu dem der Sitzungskalender für die ordentlichen Plenartagungen festgelegt wurde, der Ablauf des Haushaltsverfahrens (Inanspruchnahme sowie Dauer eines Vermittlungsverfahrens zwischen EP und Rat) ungewiss war.
Auch im vorliegenden Verfahren kam der EuGH zu keiner anderen Beurteilung: Das EP habe sich innerhalb der Grenzen seines Ermessensspielraums gehalten, als es im Oktober 2015 seinen Sitzungskalender für die ordentlichen Plenartagungen für das Jahr 2017 festlegte.
Frankreich hatte zudem vorgebracht, das EP hätte seinen Sitzungskalender für die ordentlichen Plenartagungen ändern müssen, als (im April 2017) der Zeitplan für das Haushaltsverfahren vorlag. Der EuGH führte dazu aus, dass zu diesem Zeitpunkt noch immer ungewiss war, ob und wann tatsächlich eine Einigung über den Entwurf des Haushaltsplans erzielt werden würde. Daher habe das EP auch dadurch keinen Ermessensfehler begangen, dass es den Sitzungskalender für die ordentlichen Plenartagungen für das Jahr 2017 nach der Erstellung des Zeitplans beibehalten hat.
Vgl. zu diesem Verfahren die Pressemitteilung und den Volltext der Entscheidung.