Fachinfos - Judikaturauswertungen 08.07.2020

EP durfte Haushaltsplan der EU in Brüssel beschließen

Europäisches Parlament durfte Haushaltsplan der Union in Brüssel statt in Straßburg beschließen. EuGH 25.6.2020, C-92/18, Frankreich gg. Parlament (8. Juli 2020)

Sachverhalt

Das Europäische Parlament (EP) setzte die Aussprache und die Abstimmung über den Entwurf des Jahreshaushaltsplans der Union für das Haushaltsjahr 2018 auf die Tagesordnung einer zusätzlichen Plenartagung im November 2017 in Brüssel. Im Rahmen dieser Plenartagung billigte es diesen Entwurf mit einer legislativen Entschließung. Am selben Tag billigte der Rat den Entwurf und der Präsident des EP stellte in der Plenarsitzung fest, dass der Jahreshaushaltsplan der Union für das Haushaltsjahr 2018 endgültig erlassen sei.

Frankreich erhob daraufhin, unterstützt von Luxemburg, Klage beim Europäischen Gerichtshof (EuGH). Unter anderem begehrte es die Nichtigerklärung des Beschlusses des Präsidenten. Der EuGH wies in der Folge eine frühere Klage Frankreichs auf Nichtigerklärung von Handlungen des EP im Rahmen des Haushaltsverfahrens für das Haushaltsjahr 2017 ab (EuGH 2.10.2018, C-73/17, Frankreich gg. Parlament). Frankreich hielt auch nach Verkündung dieses Urteils seine Klage in Bezug auf das Haushaltsjahr 2018 aufrecht.

Frankreich brachte vor, das EP habe gegen das Protokoll über die Sitze der Organe verstoßen, weil dieses vorsehe, dass das EP die ihm durch den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) zugewiesenen Haushaltsbefugnisse während der ordentlichen Plenartagungen in Straßburg ausüben müsse.

Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs

Der EuGH wies darauf hin, dass das Protokoll über die Sitze der Organe und die Bestimmungen des AEUV, die das Haushaltsverfahren regeln, rechtlich gleichrangig sind und verwies dabei auf seine Entscheidung in der Rechtssache C-73/17. Die Vorgaben aus dem Protokoll könnten daher nicht jenen des AEUV vorgehen und umgekehrt. Ihre Anwendung müsse auf Einzelfallbasis erfolgen. Dabei sei darauf zu achten, dass diese Vorgaben miteinander in Einklang gebracht werden und zwischen ihnen ein angemessenes Gleichgewicht besteht.

Das EP sei somit zwar verpflichtet, seine Haushaltsbefugnisse während einer ordentlichen Plenartagung in Straßburg auszuüben. Wenn der reibungslose Ablauf des Haushaltsverfahrens es aber zwingend erfordere, könne eine Aussprache und Abstimmung über den Jahreshaushaltsplan auch in einer zusätzlichen Plenartagung in Brüssel erfolgen. Denn es sei Sache des EP, die Anforderungen aus dem Protokoll über die Sitze der Organe mit den zwingenden Erfordernissen für den reibungslosen Ablauf des Haushaltsverfahrens in Einklang zu bringen. Dafür verfüge es über einen Ermessensspielraum.

Der EuGH prüfte daher die Frage, ob das EP dadurch Ermessensfehler begangen hat, dass es einen Teil seiner Haushaltsbefugnisse während einer zusätzlichen Plenartagung ausgeübt hat.

Im Urteil in der Rechtssache C-73/17 hatte der EuGH entschieden, dass zu dem Zeitpunkt, zu dem der Sitzungskalender für die ordentlichen Plenartagungen festgelegt wurde, der Ablauf des Haushaltsverfahrens (Inanspruchnahme sowie Dauer eines Vermittlungsverfahrens zwischen EP und Rat) ungewiss war.

Auch im vorliegenden Verfahren kam der EuGH zu keiner anderen Beurteilung: Das EP habe sich innerhalb der Grenzen seines Ermessensspielraums gehalten, als es im Oktober 2015 seinen Sitzungskalender für die ordentlichen Plenartagungen für das Jahr 2017 festlegte.

Frankreich hatte zudem vorgebracht, das EP hätte seinen Sitzungskalender für die ordentlichen Plenartagungen ändern müssen, als (im April 2017) der Zeitplan für das Haushaltsverfahren vorlag. Der EuGH führte dazu aus, dass zu diesem Zeitpunkt noch immer ungewiss war, ob und wann tatsächlich eine Einigung über den Entwurf des Haushaltsplans erzielt werden würde. Daher habe das EP auch dadurch keinen Ermessensfehler begangen, dass es den Sitzungskalender für die ordentlichen Plenartagungen für das Jahr 2017 nach der Erstellung des Zeitplans beibehalten hat.

Vgl. zu diesem Verfahren die  Pressemitteilung und den Volltext der Entscheidung.