Fachinfos - Judikaturauswertungen 06.10.2020

Erfolgloser Eilantrag

Sachverhalt

Die Präsidentin des Bayerischen Landtages erließ auf Grundlage der Hausordnung und gestützt auf ihre dienstrechtliche Fürsorgepflicht mehrere Maßnahmen „im Zusammenhang mit der Bewältigung der durch die Ausbreitung des ,Corona-Virus‘ bedingten besonderen Situation“. Diese traten am 3. Juli 2020 in Kraft und enthielten Regelungen über den Zugang zu Räumlichkeiten im Landtag, zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes, zum Mindestabstandsgebot und zur maximalen Belegungskapazität der Sitzungssäle und Besprechungsräume. Einzelne dieser Bestimmungen waren mit Verwaltungszwang, Bußgeld oder hausrechtlichen Maßnahmen bewehrt.

Ein Abgeordneter des Bayerischen Landtages und Mitglied der Fraktion der Alternative für Deutschland (AfD) sowie die AfD-Fraktion im Bayerischen Landtag stellten beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof (VerfGH) einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Sie waren der Auffassung, dass die Anordnung der Maskenpflicht eine überzogene Maßnahme darstellte. Nach ihrer Meinung sei es grundsätzlich Sache der Abgeordneten selbst, zu entscheiden, ob diese ihr Gesicht zeigen wollten. Sie hätten das Recht, eine andere Meinung zu vertreten und diese durch „Verweigerung des Maskenirrsinns“ auch im Parlament zum Ausdruck zu bringen. Weiters habe das Erfordernis der schriftlichen Selbstauskunft bei Besuchen im Landtag eine abschreckende Wirkung und schränke die Bereitschaft der Bürger/innen, mit den Abgeordneten zu sprechen, ein. Ähnliches gelte für das Verbot von Besucher/innengruppen. Schließlich greife die Androhung von Zwangsmitteln und anderen Folgen in die Immunität der Abgeordneten ein.

Entscheidung des Bayerischen Verfassungs­gerichtshofs

Der VerfGH wies den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ab.

Eine einstweilige Anordnung könne erlassen werden, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund geboten sei. Wegen der weitreichenden Folgen, die eine einstweilige Anordnung in der Regel auslöst, wendet der VerfGH einen strengen Maßstab an.

Nach Auffassung des VerfGH konnten die Antragsteller/inne/n nicht darlegen, wie das subjektive Recht der Abgeordneten, ihr Mandat innerhalb der Vorgaben der Verfassung auszuüben, durch die Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes eingeschränkt wird. Der VerfGH wies darauf hin, dass die Anordnungen der Landtagspräsidentin eine Reihe von Ausnahmen vorsieht, die insbesondere dann zum Tragen kommen, wenn ein ausreichender Abstand gewährleistet ist. Das betreffe das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes in Sitzungssälen, Besprechungsräumen sowie bei Presseinterviews. Für die Räumlichkeiten von Abgeordneten und Fraktionen habe die Landtagspräsidentin nur empfohlen, vergleichbare Anordnungen zu erlassen und diese keineswegs angeordnet.

Zu den Bestimmungen betreffend Besucher/innen von Abgeordneten und des Landtages führte der VerfGH aus, dass diese durchaus Auswirkungen auf die Kommunikation zwischen den Antragsteller/inne/n und Bürger/innen haben können. Allerdings würden diese Anordnungen jenen entsprechen, die derzeit in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens für alle Bürger/innen gelten. Im Bayerischen Landtag seien keine Maßnahmen vorgesehen, die über die allgemeinen Maßnahmen hinausgingen.

Der VerfGH sah auch keinen Grund dafür, zu beanstanden, dass die Landtagspräsidentin ihre Maßnahmen mit Verweis auf die Risikobewertung des Robert-Koch-Instituts begründet. Der Bundesgesetzgeber habe diesem Institut eine besondere Rolle eingeräumt und damit zum Ausdruck gebracht, dass dessen Einschätzungen besonderes Gewicht zukomme.

Würde der VerfGH die einstweilige Anordnung erlassen, der Antrag sich aber später im Hauptverfahren als unbegründet erweisen, käme es in der Zwischenzeit zu einer Vielzahl von Begegnungen, durch die sich die Gefahr der Ansteckung mit dem Virus sowie der Erkrankung und schlimmstenfalls des Todes von Menschen erhöht hätte. Dies, obwohl dem durch die angeordneten Eindämmungsmaßnahmen in verfassungsrechtlich zulässiger Weise hätte entgegengewirkt werden können. Zwar sei die Ressourcenbelastung des Gesundheitssystems aktuell in weiten Teilen Deutschlands gering; sie könne aber örtlich sehr schnell zunehmen und würde dann insbesondere das öffentliche Gesundheitswesen, aber auch die Einrichtungen für die ambulante und stationäre medizinische Versorgung stark belasten. Zudem könnte der von den Antragsteller/inne/n begehrte Erlass einer einstweiligen Anordnung dazu führen, dass die Funktionsfähigkeit des Landtages als Verfassungsorgan gefährdet werde.

Vgl. zu diesem Verfahren die Pressemitteilung und den Volltext der Entscheidung.