Am 26. November 2021 wies der Vizepräsident des EuG den zweiten Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz neuerlich mit Beschluss ab. Zwar sei ein solcher Antrag im Fall der Änderung der Sachlage grundsätzlich zulässig. Doch sei es den AntragstellerInnen nicht gelungen, durch die Vorlage neuer Beweise darzulegen, inwiefern die rechtliche Beurteilung im Zuge der ersten Antragstellung als überholt zu betrachten sei. Insbesondere würde keiner der vorgebrachten Gesichtspunkte die Erwägungen zu den Rechtswirkungen aus der Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens in Frage stellen. Der Vizepräsident bestätigte, dass die Anhängigkeit eines Vorabentscheidungsverfahrens beim EuGH unmittelbar zur Folge hat, dass das fragliche Strafverfahren sowie die Vollstreckung der ausgestellten Europäischen Haftbefehle ausgesetzt sind. Diese Aussetzung ergebe sich unmittelbar aus dem Unionsrecht, sei bindend für die zuständigen nationalen Behörden (einschließlich der Justiz) und erfordere keine gesonderte Entscheidung ihrerseits. Die Tatsache, dass Spanien den Europäischen Haftbefehl nach wie vor nicht aufgehoben habe, ändere an dieser Beurteilung nichts.
Der Vizepräsident betonte neuerlich, dass die Festnahme von Abgeordneten an sich keinen schweren und nicht wieder gutzumachenden Schaden darstellt. So sei die Mandatsausübung der Betroffenen nicht per se eingeschränkt und lasse die Entscheidung des EP zur Aufhebung der Immunität den Abgeordneten zudem die Freiheit, zu Sitzungen des EP zu reisen. Es drohe ihnen daher keine Verhaftung auf einer Reise zu oder von einer Sitzung des Parlaments in Straßburg.
Zudem würden die Umstände des konkreten Falls (Entlassung aus der Haft am Folgetag unter Bezugnahme auf die Erwägungen in der ersten einstweiligen Anordnung) darauf hindeuten, dass die Justizbehörden nicht beabsichtigen, den Europäischen Haftbefehl während der Anhängigkeit des Vorabentscheidungsverfahrens vor dem EuGH zu vollstrecken. Die betroffenen Abgeordneten würden somit nicht Gefahr laufen, an die spanischen Behörden ausgeliefert zu werden.
Zwar sei einzuräumen, dass gewisse Umstände darauf hinweisen, dass bestimmte nationale Behörden nicht alle Konsequenzen aus der Einleitung der Vorabentscheidung ziehen und dementsprechend das europarechtlichen Gebot der loyalen Zusammenarbeit missachten könnten. Doch könne eine solche rein hypothetische Annahme nicht Grundlage für die Feststellung des Vorliegens eines schweren und nicht wiedergutzumachenden Schadens sein.
Der Vizepräsident kam zu dem Schluss, dass die von den Abgeordneten vorgebrachten Aspekte nicht geeignet sind, die in der ersten einstweiligen Anordnung getroffenen Einschätzungen zur fehlenden Dringlichkeit der Anordnung der Aussetzung der Vollstreckung der Beschlüsse des Parlaments in Frage zu stellen. Die neu aufgekommenen Tatsachen würden nicht ausreichen, um die Entscheidung zur ersten Antragstellung zu hinterfragen.
Vgl. zu diesem Verfahren die Pressemitteilung (in französischer Sprache, PDF) und den Volltext der Entscheidung (in englischer und französischer Sprache).