Fachinfos - Judikaturauswertungen 15.12.2022

Europaparlament: Zugang zu Dokumenten zu Recht verweigert

Das Europäische Parlament verweigerte rechtens den Zugang zu zwei Dokumenten, die sich auf Ermittlungen gegen den ehemaligen tschechischen Ministerpräsidenten bezogen. Dies entschied das Gericht der Europäischen Union (15. Dezember 2022)

EuG 28.9.2022, T-174/21, Agrofert gg. Parlament

Das Gericht der Europäischen Union (EuG) wies eine Nichtigkeitsklage zurück bzw. ab und erklärte damit einen Beschluss des Europäischen Parlaments (EP), mit dem es den Zugang zu zwei Dokumenten in Zusammenhang mit Ermittlungen gegen den ehemaligen tschechischen Ministerpräsidenten Andrej Babiš verweigert hatte, für gültig.

Sachverhalt

Die Klägerin Agrofert, a.s., ist eine tschechische Holdinggesellschaft, welche von Babiš gegründet wurde. In einer Entschließung des EP zur Wiederaufnahme der Ermittlungen gegen Babiš (in seiner Funktion als tschechischer Ministerpräsident) wegen der missbräuchlichen Verwendung von EU-Mitteln und potenzieller Interessenkonflikte wurde festgehalten, dass dieser auch nach seiner Ernennung zum Ministerpräsidenten den Agrofert-Konzern kontrollieren würde. Diese Behauptung hielt die Klägerin für unzutreffend. Um zu überprüfen, welche Informationen und Quellen dem EP zur Verfügung standen, beantragte die Klägerin daher Zugang zu mehreren Dokumenten.

Das EP verweigerte mit Beschluss den Zugang zu zwei Dokumenten der Kommission (einem abschließenden Prüfbericht und einem Schreiben der Kommission an Babiš selbst). Begründend verwies das EP auf die in der einschlägigen Verordnung vorgesehene Ausnahmeregelung zum Schutz des Zwecks von Inspektions-, Untersuchungs- und Audittätigkeiten (Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission).

Gegen diesen Beschluss des EP erhob die Klägerin Nichtigkeitsklage. Noch während des Verfahrens wurde eines der betroffenen Dokumente (Prüfbericht) von der Kommission selbst veröffentlicht.

Entscheidung des Gerichts der Europäischen Union

Das EuG wies die Klage hinsichtlich des abschließenden Prüfberichts der Kommission zurück. Durch die zwischenzeitliche Veröffentlichung bestehe kein Rechtschutzinteresse mehr. Eine Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses des EP – mit dem dieses den Zugang zum Dokument verweigerte – könne der Klägerin keinen Vorteil mehr verschaffen.

Auch der Umstand, dass die Kommission nicht die vollständige Fassung des abschließenden Prüfberichts veröffentlichte, ändere an diesem Ergebnis nichts. Denn auch im Falle der Zugänglichmachung des Dokuments durch das EP würde lediglich eine für die Öffentlichkeit bestimmte Fassung des Dokuments verbreitet werden. Da das EP nicht Urheber des Berichts war, stehe es diesem auch nicht zu, eine weitergehende Version – als jene von der Kommission übermittelte – zu verbreiten.

Zur Weigerung des EP, der Klägerin Zugang zu dem Schreiben der Kommission an Babiš zu gewähren, brachte diese zum einen vor, dass das EP das Vorliegen der Voraussetzungen der geltend gemachten Ausnahmeregelung (Schutz des Zwecks von Inspektions-, Untersuchungs- und Audittätigkeiten) nicht nachgewiesen habe. Dem entgegnete das EuG, dass die Untersuchungstätigkeit der Kommission mit der Annahme des Schreibens durch Babiš noch nicht abgeschlossen gewesen sei. Das Ziel der Untersuchung, nämlich die Sicherstellung, dass die Verwaltungs- und Kontrollsysteme eines Mitgliedsstaates dem Unionsrecht entsprechen, sei vielmehr noch nicht erreicht worden. Die Ausnahmevoraussetzungen seien somit vorgelegen. Auch kam das EuG zu dem Schluss, dass die diesbezügliche Begründung im angefochtenen Beschluss des EP ausreichend war. Um zu begründen, weshalb die Verbreitung des Dokuments die Untersuchung beeinträchtigen könne sei ausreichend, wenn aufgezeigt werde, dass das Schreiben in Zusammenhang mit der laufenden Untersuchung stehe.

Zuletzt verwarf das Gericht das Argument der Klägerin, dass an der Veröffentlichung der Dokumente ein überwiegendes öffentliches Interesses bestehe. Zwar bestehe an der Existenz von Verteidigungsrechten grundsätzlich ein allgemeines Interesse. Im vorliegenden Fall liege jedoch lediglich ein subjektives (Verteidigungs-)Interesse der Klägerin gegenüber den schwerwiegenden Vorwürfen des EP vor. Dieses Interesse sei keines der Allgemeinheit, sondern ein privates.

Die Nichtigkeitsklage wurde somit vom EuG zurück- bzw. abgewiesen und der Beschluss des EP für gültig erklärt.

Vgl. zu diesem Verfahren die Pressemitteilung, und den Volltext der Entscheidung (in französischer Sprache).