Fachinfos - Publikationen 01.06.2014

Finanzen, Produktionspotenzial und Konjunkturzyklus

Überblick

Traditionelle Ansätze zur Trennung des zugrunde liegenden Trends des Produktions­potenzials von der konjunkturellen Entwicklung stützen sich meist auf das Konzept der inflations­neutralen Produktion und sind daher nicht dafür geeignet, durch den Finanz­zyklus verursachte Aufschwünge zu erkennen, die auf lange Sicht oft nicht nachhaltig erscheinen. In dieser Studie wird daher vorgeschlagen, das von Harvey (1989) und Harvey und Jaeger (1993) entwickelte Modell struktureller unbeobachteter Komponenten um Informationen zum Finanz­zyklus, das heißt zur Entwicklung von privaten Krediten und Immobilien­preisen, zu erweitern, um die zyklischen Abweichungen vom Produktions­potenzial zu erklären. Auf diese Weise sind wir in der Lage, ein "finanzneutrales" Produktions­potenzial und eine entsprechende "finanz­gestützte" Produktions­lücke zu berechnen, die die Auswirkungen von Finanz­variablen berücksichtigen.

Dieses neue Konzept wird vergleichend auf vier hochentwickelte Volkswirtschaften (AT, IE, NL, US) und vier Volks­wirtschaften in Mittel-, Ost- und Südosteuropa (BG, EE, PL, SK) angewandt. Die Ergebnisse zeigen einen beträchtlichen Einfluss des Finanz­zyklus auf die Entwicklung des Konjunktur­zyklus in den meisten der untersuchten Volks­wirtschaften, sowohl in fortgeschrittenen als auch in aufstrebenden Volkswirtschaften. Bemerkenswerterweise weisen die finanz­gestützten Produktions­lücken eine wesentlich höhere Erklärungs­kraft für die Variation der beobachteten Arbeitslosen­quoten in den entsprechenden Volkswirtschaften auf als Standard­ansätze (wie der HP-Filter). Mit anderen Worten: Die Ergebnisse sprechen klar für die Berücksichtigung des Finanz­sektors bei der Konjunktur­messung.

Dominik Bernhofer, Octavio Fernández-Amador & Martin Gächter und Friedrich Sindermann (2014): Finance, Potential Output and the Business Cycle: Empirical Evidence from Selected Advanced and CESEE Economies, Focus on European Economic Integration, Q2/2014, S. 52‑75.