Das Oberverwaltungsgericht (OVG) für das Land NRW sprach aus, dass Versammlungen gemäß Art. 8 Abs. 1 GG geschützt sind. Ob ein Eingriff in dieses Grundrecht vorliege, sei aufgrund der Würdigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu entscheiden. Für den konkreten Fall hielt das OVG NRW fest, dass die „Anfertigung von Übersichtsaufzeichnungen von einer Versammlung durch Polizeibeamte mit Foto- und/oder Videotechnik […] nach dem heutigen Stand der Technik für die Aufgezeichneten immer ein Eingriff in Art. 8 Abs. 1 GG [ist], weil die Einzelpersonen auch in Übersichtsaufzeichnungen in der Regel individualisierbar mit erfasst sind.“ Bei den Übersichtsaufzeichnungen handle es sich um sensible Daten. Das Bewusstsein, dass die Teilnahme an Versammlungen behördlich registriert werden könnte und den Teilnehmenden Nachteile erwachsen könnten, berge eine Einschüchterungswirkung. Folge könne ein Verzicht auf die Ausübung des Grundrechts sein. Diesen Effekt könnten auch „flüchtige“ (nicht gespeicherte) Aufnahmen haben. Verstärkend wirke, dass die an der Versammlung Teilnehmenden nicht wissen, zu welchem Zweck die Aufnahmen erstellt und möglicherweise verwertet werden.
Durch die Veröffentlichung habe der Beklagte weiters die Möglichkeit geschaffen, dass die Fotos von dritter Seite (Öffentlichkeit) weitergespeichert werden könnten. Eine Individualisierung der Versammlungsteilnehmenden sei jedenfalls technisch möglich gewesen. Bei einer Teilnehmerzahl von etwa nur 150 Personen könnten die Übersichtsaufnahmen nicht als bloßes Lenkungsinstrument einer Großveranstaltung gesehen werden.
Weiter hielt das OVG NRW fest, dass es an einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage für den Eingriff fehlt. Beschränkungen von Versammlungen unter freiem Himmel seien im Versammlungsgesetz umfassend und abschließend normiert. Gemäß § 12a Abs. 1 Satz 1 Versammlungsgesetz dürfe die Polizei Bild- und Tonaufnahmen von Versammlungsteilnehmenden bei oder im Zusammenhang mit öffentlichen Versammlungen nur anfertigen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass von ihnen erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgehen. Auf das Polizei- und Ordnungsrecht dürfe erst zurückgegriffen werden, wenn es um nicht versammlungsspezifische Gefahren gehe. Die gegenständlichen Fotos seien für die Öffentlichkeitsarbeit und nicht zur Gefahrenabwehr oder Strafverfolgung angefertigt worden. Der Runderlass des Ministeriums, auf den sich der Beklagte stütze, sei keine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für den Eingriff in die Versammlungsfreiheit. Auch außerhalb des Versammlungsrechts – konkret weder im KunstUrhG noch im DSG NRW, PresseG NRW oder in Form staatlichen Informationshandelns – sei keine ausreichende Ermächtigungsgrundlage vorgelegen. Über einen Versammlungsverlauf könne die Polizei mit Bildern ihrer eigenen Einsatzkräfte und -mittel berichten sowie auf Archivfotomaterial zurückgreifen, auf welchem die Versammlungsörtlichkeit zu sehen ist.
Vgl. zu diesem Verfahren die Pressemitteilung und den Volltext der Entscheidung.