Fachinfos - Judikaturauswertungen 20.01.2022

Immunität: Schreiben der Landtagspräsidentin ist Akt der Gesetzgebung

Mitteilung der Landtagspräsidentin betreffend ein Begehren auf Aufhebung der parlamentarischen Immunität ist als Akt der Gesetzgebung nicht anfechtbar (20. Jänner 2022)

VfGH 8.6.2021, E 842/2021

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) entschied, dass ein Schreiben der Präsidentin des Burgenländischen Landtags, in dem sie einer Einzelperson mitteilt, deren Begehren auf Aufhebung der Immunität eines Landtagsabgeordneten nicht entsprechen zu können, ein Akt der Gesetzgebung ist, gegen den es keinen Rechtsschutz gibt. Das Landesverwaltungsgericht des Burgenlandes (LVwG) habe die Beschwerde der Person daher zu Recht wegen mangelnder Zuständigkeit zurückgewiesen.

Sachverhalt

Der Beschwerdeführer begehrte mit einem an den Burgenländischen Landtag gerichteten Schreiben am 28. Oktober 2020 die Einleitung eines Verfahrens zur Aufhebung der Immunität eines bestimmten Landtagsabgeordneten. Mit Schreiben der Präsidentin des Burgenländischen Landtages vom 9. November 2020 teilte diese dem Beschwerdeführer mit, sie könne seinem Begehren nicht entsprechen. Daraufhin erhob der Beschwerdeführer gegen das Schreiben der Landtagspräsidentin Beschwerde an das LVwG, das diese als unzulässig zurückwies. Das angefochtene Schreiben – so das LVwG – sei dem Bereich der Gesetzgebung zuzurechnen, weshalb dem LVwG keine Zuständigkeit zukomme. Gegen diese Entscheidung erhob der Beschwerdeführer eine Erkenntnisbeschwerde an den VfGH, in der er im Wesentlichen vorbrachte, in seinen Rechten auf Gleichheit und ein faires Verfahren verletzt worden zu sein. Die Erledigung von Anträgen an die Präsidentin des Landtages sei – so der Beschwerdeführer – der Parlamentsverwaltung zuzurechnen. Zudem sei er als Privatankläger im Verfahren gegen den betreffenden Landtagsabgeordneten auf die Aufhebung der Immunität angewiesen, weil ihm sonst ein erhebliches Kostenrisiko entstehe; er müsse diese daher selbst beim Parlament beantragen können.

Entscheidung des Verfassungs­gerichtshofs

Der VfGH wies die Beschwerde ab, weil sie nicht begründet sei.

Im Einzelnen führte der VfGH aus, dass Handlungen des/der Parlamentspräsidenten/Parlamentspräsidentin, die im Zusammenhang mit „parlamentarischen Aufgaben“ stehen, nach dem Konzept des Art. 30 B-VG, das auch den landes(verfassungs)rechtlichen Bestimmungen zu den Landtagen zugrunde liegt, dem Bereich der Gesetzgebung zuzurechnen sind. Die Handhabung der Regelungen zur außerberuflichen Immunität – um die es hier ging – seien vom Begriff der „parlamentarischen Aufgaben“ schon insofern erfasst, als die Aufhebung der Immunität nach den verfassungsrechtlichen Bestimmungen vom Gesetzgebungsorgan zu beschließen seien. Dementsprechend sei ein Beschluss über die Aufhebung der Immunität ebenso vom Bereich der Gesetzgebung erfasst wie die Zuweisung eines Aufhebungsersuchens an den Immunitätsausschuss.

Die im Zusammenhang mit diesen „parlamentarischen Aufgaben“ erfolgte Mitteilung der Präsidentin des Landtages an den Beschwerdeführer sei somit ebenfalls dem Bereich der Gesetzgebung zuzurechnen. Sie stelle weder einen Bescheid noch eine sonst beim LVwG anfechtbare Handlungsform dar. Die Zurückweisung der Beschwerde durch das LVwG sei daher rechtmäßig erfolgt.

Es treffe zwar zu, dass es damit insoweit keinen Rechtsschutz gegen das Verhalten der Landtagspräsidentin gebe; dies ergebe sich aber bereits aus dem verfassungsrechtlichen Konzept zu Akten der Gesetzgebung, das einen Rechtsschutz gegen diese nicht vorsehe.

Im Übrigen sei der Beschwerdeführer auch als Privatankläger keine Behörde, die gemäß den maßgeblichen verfassungsrechtlichen Bestimmungen (Art. 57 Abs. 3 B-VG, Art. 24 Burgenländische Landesverfassung) berechtigt bzw. verpflichtet sei, die Zustimmung des Parlaments zur Verfolgung einer Person einzuholen. Nur das mit der Sache befasste Gericht könne ein solches Ersuchen um Aufhebung der Immunität des Landtagsabgeordneten an das Parlament richten. Ein solches Ersuchen wäre zwingend dem Immunitätsausschuss zuzuweisen.

Zwar sei damit tatsächlich ein Kostenrisiko für Privatankläger verbunden; dagegen bestünden jedoch keine Bedenken, weil zu dem Zeitpunkt, zu dem das Ersuchen um Aufhebung der Immunität vom Gericht an das Parlament gerichtet werden müsste, noch keine unverhältnismäßigen Kosten entstanden sein könnten. Es sei daher verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die Regelung die Berechtigung zur Stellung eines Begehrens auf Aufhebung der parlamentarischen Immunität auf „Behörden“ beschränke.

Vgl. zu diesem Verfahren den Volltext der Entscheidung.